Am Dienstag, 25. März, entschied das Bundesverfassungsgericht zu zwei Normenkontrollanträgen gegen den ZDF-Staatsvertrag und entschied dabei recht salomonisch für etwas weniger staatliche und parteiliche Präsenz im Fernseh- und im Verwaltungsrat des ZDF. Aber gibt es nicht auch bei den Rundfunkräten der ARD-Länderanstalten dieses Übergewicht? Und welche Folgen hat es? - Die L-IZ fragte dazu Falk Neubert, für die sächsischen Linken Mitglied im Rundfunkrat des MDR.

Sehr geehrter Herr Neubert, Sie sitzen ja für die Linke auch im Rundfunkrat des MDR. Ist da das Problem der überproportionalen politischen Einflussnahme nicht genauso groß?

Im MDR-Rundfunkrat ist der Anteil von Regierungs- und Politikvertretern im Unterschied zum ZDF-Fernsehrat vergleichsweise gering. Mit derzeit 15 von 43 Mitgliedern (35 %) liegt er aber immer noch leicht über der vom Bundesverfassungsgericht definierten Höchstgrenze von einem Drittel. Allerdings funktioniert tatsächliche politische Einflussnahme viel subtiler. Was hilft es, wenn Vertreter von Verbänden und Organisationen entsandt werden, die ihrerseits nicht wirklich unabhängig von der Regierung, geschweige denn staatsfern sind?

Ist die Auswahl der dort vertretenen gesellschaftlichen Gruppen nicht sogar noch unausgewogener – mit einer überproportionalen Vertretung durch Wirtschaftsorganisationen und Kirchenvertreter?Ich will jetzt gar nicht darüber richten, wer über- und wer unterrepräsentiert ist. Fakt ist, dass der Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen in den Gremien ein sehr statisches Modell zu Grunde liegt. Der Vorteil dieses System ist, dass bestimmte Ausgewogenheiten gesichert werden, etwa zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern oder zwischen den drei Ländern. Der Nachteil ist zweifellos, dass dieses statische Modell in keiner Weise der Dynamik gesellschaftlicher Prozesse gerecht wird.

Ist nicht sogar das verwendete Proporzdenken mitverantwortlich, dass der MDR in seinem Sendegebiet aktuelle gesellschaftliche Diskussionen nicht mehr widerspiegelt – dafür Fernsehen für ein Publikum macht, das – durch jeweilige Erhebungen untermauert – völlig überaltert ist?

Das ist mir zu kurzschlüssig. Sicher würde eine andere Zusammensetzung des Rundfunkrates nicht per se etwas an der Publikumsstruktur des MDR ändern, zumal er ja gerade keinen unmittelbaren Einfluss auf das Programm haben soll. Andererseits: Natürlich würde ein geringeres Durchschnittsalter im Rundfunkrat auch nicht schaden. Und ein Geschlechterproporz im Rundfunkrat wäre sogar wünschenswert.Darf man da überhaupt von einem politisch unabhängigen Gremium sprechen? Denn auch die diversen Vertreter von Beamtenbünden und einigen Vereinen sind ja nicht wirklich parteienfern.

Nicht die Parteibücher sind das entscheidende Problem, sondern dass, wie bereits gesagt, viele Mitglieder nicht wirklich hinreichend unabhängig von den Regierungsparteien sind, mit oder ohne Parteibuch. Die, vorsichtig ausgedrückt, politische Einseitigkeit in Sachsen ist nicht dem MDR geschuldet, macht aber vor seinen Gremien auch nicht Halt.

Dafür fehlt in diesem Gremium jegliche fachliche Vertretung aus der Medienbranche. Geht es tatsächlich nur um die Bewahrung eines klassischen gesellschaftlichen Proporzes, den man sich eigentlich nur als strikt konservativ und bestandserhaltend denken kann?

Die MDR-Rundfunkmacher selbst sollten künftig im Gremium vertreten sein. Bei Vertretern konkurrierender Medien bin ich eher skeptisch. Ansonsten siehe Antwort auf Frage 2.

Sollte das Besetzungsprinzip nicht gründlich geändert und geöffnet werden? Oder sind dazu die Beharrungskräfte in Politik und Gremium zu stark? Was ja auch heißt: Die Zuschauer in Mitteldeutschland bekommen genau die politisch vorgefilterte Soße, die in diesem altbackenen Gremium Zustimmung findet?

Will man ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Dynamik in den Rundfunkgremien, ohne zugleich einer stärkeren parlamentarischen Einflussnahme zu unterliegen, müsste man statt über feste Plätze für bestimmte Organisationen und (Aus-)Wahlverfahren in den Landtagen zum Beispiel über Rotations- und Losverfahren reden. Und bei aller berechtigten Kritik am MDR, es ist niemand mehr auf “seinen Heimatsender” angewiesen, selbst innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks können die Zuschauer heute zwischen mehreren “Dritten” wählen.

Hat der MDR mit so einem Kontrollgremium überhaupt je die Chance, zu einem Medium zu werden, das sich mit den politischen Entwicklungen in den drei Bundesländern kritisch und investigativ beschäftigen kann?

Immerhin hat der bestehende Rundfunkrat, so unvollkommen er auch sein mag, bei der letzten Intendantenwahl einen dreisten politischen Durchgriffsversuch der Sächsischen Staatskanzlei mit großer Mehrheit zurückgewiesen.

Oder bleibt jetzt trotz des Entscheids des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF beim MDR weiter alles beim alten? Und damit auch: Funktioniert der MDR weiterhin mit seiner gedämpften Berichterstattung staats- und machterhaltend?

Ich denke, auch beim MDR besteht Handlungsbedarf.

Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 25. März:
www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg14-026.html

Der Rundfunkrat des MDR: www.mdr.de/mdr-rundfunkrat/mitglieder/index.html

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