Wie schafft man es, dass möglichst viele von 65.000 angerufenen Menschen in diesen Tagen auf das Reizwort R.SA reagieren und dabei an eine junge Frau denken, die ihren Kopf in eine Trocknertrommel hält? - Klar: Indem man genau so ein Bild als Großplakat in die Orte hängt, wo man möchte, dass genau das passiert. Wenn Radiosender zum großen Hammer greifen, ist mal wieder Umfragezeit für die Media Analyse.

Die gibt es zwei Mal im Jahr, durchgeführt von der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V. (agma). Die betreibt einen horrenden Aufwand, um die möglichen Hörerzahlen für die Radiosender im Land zu ermitteln. Die Zahlen sind Geld wert, denn das ist dann (potenzielle) Reichweite, die man verkaufen kann. Deswegen tauchen zwei Mal im Jahr die quietschigen Mega-Poster der diversen Radiosender im Stadtbild auf, je nachdem, wie sehr man es nötig hat, seine Welle noch ein bisschen bekannter zu machen oder die Welt daran zu erinnern, dass es den Sender überhaupt gibt.

Laut der Frühjahrs-Media-Analyse 2013 hören in der Durchschnittsstunde 141.000 Menschen R.SA, im Tagesdurchschnitt sollen es 698.000 Hörer sein, die zwischen Erzgebirge und Leipzig den Sender mit Böttcher und Fischer anschalten. Was ein eigenes Thema ist, denn die Zahlen sind längst genauso suspekt wie die zum Fernsehen. Danach würden über 90 Prozent der Deutschen Radio hören, täglich im Schnitt über drei Stunden lang. Oder in der Zusammenfassung der agma zur Frühjahrsbefragung: “Nach wie vor hört fast jeder in Deutschland werktags Radio. Die Hörer eines Senders bleiben ihm mehr als vier Stunden lang treu (249 Minuten) – ein Wert, der sich seit Jahren auf diesem hohem Niveau eingependelt hat (Vorjahr: 247 Minuten). Die durchschnittliche Hördauer liegt ebenfalls konstant hoch – bei drei Stunden und 18 Minuten.”

Dabei wechseln die Hörer auch gern mal. Schalten sich durch die Wellen. Und nutzen auch konkurrierende Sender. Ob sich die Hörerfrequenz tatsächlich erhöht, wenn ein Radiosender Autos verlost, Badewannen voller Geld oder halbnackte Damen zeigt, hat natürlich noch niemand ermittelt. Es geht nur darum, dass Plakatmotiv und ein möglicher Anruf des von agma beauftragten Callcenters zusammentreffen und dabei der Kurzschluss passiert: Aha, R.SA, BöFi, Mädchen in Trockner.Dass das Motiv zutiefst sexistisch ist, ist zumindest im Hause R.SA erst mal egal. Da zeigte man sich von einer Anfrage der Zeitschrift “Werben & Verkaufen” (W & V) recht unbeeindruckt, die anrief, nachdem es beim Deutschen Werberat eine Beschwerde gegen das freizügige Plakatmotiv gab. “R.SA reagiert auf Anfrage von W&V Online gelassen”, schreibt Petra Schwegler. “Man nehme die Beschwerde des Werberats selbstverständlich ernst. Das Team der Leipziger Station wolle in der kommenden Woche dazu beim Aufsichtsgremium schriftlich Stellung beziehen. Weiter heißt es, R.SA habe das Frauen-Bild bewusst in die Reihe der Werbemotive aufgenommen, die beispielsweise auch einen Handwerker im Blaumann mit Kopf im Betonmischer darstellen – gegen den Rat der Zebra Werbeagentur, die die Kampagne betreut. Den Kreativen war wohl schon im Vorfeld bewusst, dass das Motiv mit der Frau vor dem Trockner anecken könnte. Doch R.SA gefiel das Plakat nach eigener Aussage; in Zeiten von Redcoon-Kampagnen mit Micaela Schäfer sei nackte Haut nichts Ungewöhnliches mehr in der Werbung, so die Meinung im Leipziger Funkhaus. Schäfer zog übrigens diese Woche beim R.SA-Mitbewerber 89.0 RTL wirklich im Studio blank.”

Schwegler geht auch auf die gekünstelte Empörung einiger regionaler Medien ein: “Die lokale Presse macht aus dem umstrittenen Plakat inzwischen einen richtig gehenden PR-Coup – wichtig für Radiostationen, während die erste Umfragewelle zur nächsten Reichweitenauswertung in der MA Radio I/2014 noch läuft. Das ist ‘Sächsismus’, der sich gewaschen hat!” Oder getrocknet, wenn man das Plakatmotiv nimmt.

Ist es sexistisch? – Damit wird sich der Deutsche Werberat beschäftigen. Denn nicht alle Frauen im Sendegebiet scheinen sich beim Betrachten des Motivs angenehm zu fühlen. Einige schon, wie die Reaktionen im Blog von Böttcher & Fischer zeigen. Was aber nichts heißt. Denn mit dem Plakat verlässt R.SA ja den heimeligen Bereich der BöFi-Welt, in der solche derben Scherze zum täglichen Klamauk gehören, wo sich Hörerinnen wohl durchaus gebauchmiezelt fühlen, wenn man sie in solchen Posen vor Waschmaschinen, Herden und anderem technischen Gerät zeigt. Dass Frauen Frauen sind, heißt ja nicht, dass einige von ihnen nicht einen ganz besonderen Humor haben und solche Posen keineswegs für entwürdigend halten, wenn sie öffentlich zu sehen sind. Dass es hausbackene Klischees sind, zeigt der Verweis auf den Bauarbeiter mit dem Kopf im Betonmischer.

Der Mensch wird auf ein Abziehbild reduziert, Kopf und Gesicht sind nicht wichtig. Auch das darf man sich denken, wenn man diese Plakate sieht. Frauen nur als wohlgeformte Körper ohne Kopf? – Da fängt der Sexismus tatsächlich an. Aber das verraten wir keinem.

Die Stadt Leipzig hat sich ja vor einem Jahr ein wenig aus der Verantwortung gestohlen, als zu einer entsprechenden Petition ein Beschluss gefasst wurde. Da verwies man denn auch auf den Werberat, wenn denn mal Konfliktfälle im öffentlichen Raum sichtbar wären, denn bei Werbung, die nicht von der Stadt verantwortet wird, könne man nichts tun. Außerdem sei die Sache nirgendwo definiert: “Über dies würde sich bei Übernahme des Themas ‘Sexistische Werbung’ die Frage stellen, wann eine solche vorliegt und nach welchen Kriterien es sich beurteilt, ob Werbung sexistisch ist oder nicht. Da, wie oben ausgeführt, gesetzliche Regelungen hierzu nicht existieren, liegen einheitliche und verbindliche Kriterien für diese Bewertungsfrage nicht vor. Damit würde es extrem schwierig, verbindlich festzustellen, wann eine Werbung sexistisch ist oder nicht, ohne sich auf die Ebene einer moralisierenden Betrachtung zu begeben.”

Die aktuelle Welle zur Media Analyse I/2014 läuft jetzt noch 19 Tage. Und wenn den Angerufenen beim Stichwort R.SA dieser platte Witz mit der Frau im Trockner einfällt, dann hat der Sender wohl schon alles erreicht, was er wollte.

Der Beitrag bei “W & V”: www.wuv.de/medien/saechsistische_reklame_bringt_werberat_in_wallung

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