"Facebook lässt dich nicht los, auch wenn du es für eine Zeit aus deinem Alltag verbannst." Das ist ein Ergebnis der Leipziger uniQma-Studie "Eine Woche ohne Facebook". Sieben Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren unternahmen den Selbstversuch und erklärten sich bereit, sieben Tage lang auf das Netzwerk zu verzichten. Welche Erfahrungen die Jugendlichen machten und was man daraus über Facebook lernen kann, stellten Projektleiterin Franziska Pannier und Dr. Andreas Czaplicki jetzt vor.

Aus dem Alltag der Jugendlichen sind soziale Netzwerke nicht mehr wegzudenken. Unter allen Diensten nimmt Facebook eine einsame Spitzenstellung ein. Aber was passiert, wenn Jugendliche Facebook einfach abschalten? Sieben Jugendliche wagten das Experiment … Das Medienforschungsinstitut uniQma aus Leipzig begleitete sie in allen Phasen dieses Experiments.

Eine Woche ohne Facebook ist wie eine Wochen Fasten

Tag 1: “Unsere Jugendlichen erlebten bei ihrer Facebook-Abstinenz ein Wechselbad der Gefühle”, so Projektleiterin Franziska Pannier. Wie beim Fasten war auch hier aller Anfang schwer. Die Jugendlichen beschreiben durchaus drastisch, wie schwer es ihnen am ersten Tag gefallen ist, Facebook nicht einzuschalten. Yasmin (14 Jahre): “Am Anfang war es ziemlich schwer nicht auf Facebook zu gehen. Schon morgens nach dem Aufstehen war der Drang da, direkt zum Handy zu greifen.”

Tag 2 und 3: Dass man den ersten Tag geschafft hatte, machte den Teilnehmern Hoffnung. Die Jugendlichen schienen sich mit dem Facebook-Entzug abzufinden. Sie machten sich bewusst, dass es ja nicht lange dauern würde, bis sie wieder in ihre gewohnten Nutzungsmuster zurückfallen konnten. Außerdem hatten die Teilnehmer das Gefühl, dass sich die Facebook-Lücke durch andere Aktivitäten füllen ließ und man sich auch selbst ein wenig überlisten konnte. Manche intensivierten die SMS-Nutzung, nutzten WhatsApp oder schickten vermehrt E-Mails. Auch so manche Handy-App wurde “entstaubt” und der Griff zum guten alten Telefon verkürzte Vielen die Zeit ohne Facebook und half, mit den Freunden in Kontakt zu bleiben. Die freie Zeit ohne Facebook führte aber nicht nur zu einer Verlagerung auf andere Medien. Viele Teilnehmer berichteten auch darüber, dass sie den persönlichen Kontakt zu anderen intensiviert haben, sich mit ihren Freunden zum Spielen mit der Play Station getroffen haben oder Ähnliches.

Tag 4 bis 6: Die Euphorie war nicht von Dauer. Ab Mitte der Woche fiel der Verzicht auf Facebook dann wieder zunehmend schwer. Es häufen sich die Tage, an denen die Jugendlichen Facebook gern nutzen würden oder sogar brauchen, um zum Beispiel Fotos vom Wochenende zu posten.

Tag 7: Am letzten Tag wurde der Verzicht auf das soziale Netzwerk für die Jugendlichen zur Qual. Geprägt von Sehnsucht und Vorfreude auf das soziale Netzwerk, beschrieben sie den letzten Tag unseres Experiments als den “schwersten Tag von allen”. Sarah (14 Jahre): “Ich wusste, dass ich morgen wieder auf Facebook darf. Deshalb war es irgendwie voll schwer. Ich finde sogar, dass war der schwerste Tag von allen.”

Alle haben es geschafft. Und danach?Durchgehalten habe letztlich alle, zum Teil aus sportlichem Ehrgeiz, zum Teil, um es Freunden, Familie oder sich selbst zu beweisen. Wie beim Fasten trat bei mehreren Teilnehmern nach dem Ende der Diät ein “Jojo-Effekt” ein. Diese Jugendlichen beschrieben, dass sie Facebook nach Ablauf der 7-Tage-Frist häufiger nutzten als zuvor. Manche haben aber auch ihren Facebook-Konsum während der Fastenwoche überdacht und ihn etwas zurückgefahren. Ob diese Zurückhaltung aber von Dauer ist, erscheint fraglich. Zu stark dürfte der Hunger auf Facebook sein. Ganz gleich, wie leicht oder schwer es dem einzelnen fiel auf Facebook zu verzichten, in einem Punkt sind sich alle einig: Ganz auf soziale Netzwerke will keiner der sieben Jugendlichen verzichten.

Zum Ergebnis der Studie schätzt uniQma ein: Fasten schärft die Sinne und wer bewusst auf etwas verzichtet, ist sensibilisiert. Nicht anders erging es unseren Jugendlichen. Wer wie sie auf Facebook verzichtet, merkt, in welchen Situationen es besonders schwer fällt, standhaft zu bleiben. Er sieht, wie das Umfeld reagiert, er merkt, wenn er ohne Facebook ins Abseits gerät etc. Die Erfahrungen der Jugendlichen werfen ein Schlaglicht auf Aspekte sozialer Medien, die bislang nicht oder nur unzureichend beleuchtet wurden.

Was macht Facebook mit den Jugendlichen?

Vor dem Experiment schätzen sich die Jugendlichen als autonome Nutzer ein, die zu Facebook greifen, wenn sie es wollen. Sie haben aber schnell gemerkt, dass es Facebook ist, das den Takt vorgibt. Dr. Andreas Czaplicki resümiert: “Zu Beginn unseres Experiments haben wir die Facebook-Nutzung vor allem unter der Nutzerperspektive betrachtet und gefragt: Was machen die Jugendlichen mit Facebook? Die Ergebnisse unserer Studie zeigen aber, dass dies die falsche Perspektive ist. Die Frage muss lauten: Was macht Facebook mit den Jugendlichen?”

Facebook ist im Alltag der Jugendlichen noch fester verankert als gedacht

Dass Facebook intensiv genutzt wird, beschrieben die teilnehmenden Jugendlichen bereits vor Beginn der Fastenwoche. Welches Ausmaß die Facebook-Nutzung aber tatsächlich hat, führte die Woche Abstinenz eindrucksvoll vor Augen, weil sie alle Situationen zutage förderte, in denen sich die Jugendlichen normalerweise mit Facebook beschäftigen.

Das beginnt am frühen Morgen meist direkt nach dem Aufstehen, wenn man zum Smartphone oder zum PC greift, um Facebook-Nachrichten zu “checken” oder wichtige Informationen für den anstehenden Schultag zu erhalten. Facebook wappnet so für den Alltag, erzeugt ein Gefühl von Sicherheit und erfüllt damit jene Rolle, die die Zeitung für viele Erwachsene hat. Auch auf dem Schulweg wird Facebook genutzt. Während der Schule sind bei unseren Jugendlichen Handys verboten; dennoch nutzen sie in den Pausen oder heimlich im Unterricht ihr Smartphone, um im sozialen Netzwerk Neuigkeiten zu erfahren. Auch auf dem Heimweg von der Schule ist der Klick auf Facebook der Normalfall. Am Nachmittag vertreiben sich Jugendliche mit Facebook die Zeit, besprechen Hausaufgaben oder andere schulische Angelegenheiten in der Facebook-Klassengruppe, verabreden sich für den Nachmittag mit Freunden oder sind auf Facebook eingeloggt, um jederzeit für Freunde und Bekannte erreichbar zu sein. Das geht in der Regel bis in den Abend so weiter. Facebook ist dann das Letzte, was Jugendliche vor dem Zu-Bett-gehen nutzen. Getreu dem Motto: Vielleicht habe ich noch eine wichtige Nachricht für den morgigen Schultag. Und wenn nicht, dann schau ich morgen früh gleich nach dem Aufstehen nach.

Facebook wird auch aus Langeweile genutzt

Jugendliche führen normalerweise eine ganze Reihe guter Gründe an, wofür Facebook gut ist und welche sinnvollen Einsatzmöglichkeiten bestehen. “Unser kleines Experiment ist aber ernüchternd”, sagt Franziska Pannier. “Die Jugendlichen vermissen Facebook vor allem dann, wenn ihnen langweilig ist. Sobald ihnen der Klick auf Facebook verwehrt ist, merken sie, dass Facebook – trotz aller sinnvollen Anwendungen – vor allem eines ist: ein Mittel, um die Zeit totzuschlagen.”

Clara (16 Jahre) beschreibt: “Mir ist aufgefallen, dass ich meistens nur aus Langeweile auf Facebook bin, in der Bahn, auf dem Weg zur Schule, beim Fernsehen in der Werbepause. Dann gehe ich auf Facebook und checke meine Nachrichten oder was sonst so los ist. Facebook ist eigentlich nur Zeitvertreib.” Anthony (15 Jahre) sieht das ähnlich: “Seitdem ich mein Smartphone habe, bin ich viel öfter auf Facebook. Früher war ich mal ab und zu dort, um Freunden zu schreiben oder so. Jetzt logge ich mich jedes Mal ein, wenn mir langweilig ist.”

Facebook wird man nicht so einfach los

Facebook einfach löschen? Wenn das so einfach wäre. So ist die Facebook-App auf dem Smartphone häufig vorinstalliert und lässt sich nicht, oder zumindest nicht ohne weiteres löschen. Dazu Yasmin (14 Jahre): “Es ist auch gar nicht so einfach auf Facebook zu verzichten. Auf meinem Handy sind die Facebook-App und der Facebook-Messanger-App schon drauf. Ich kann’s auch nicht löschen. Für die Zeit ohne Facebook habe ich sie auf meinem Handy ganz weit nach hinten verschoben.”

Facebook verführt tagtäglich zur Nutzung

Unsere Jugendlichen merkten eines sehr schnell: Facebook lässt dich so schnell nicht mehr los! Selbst wenn man versucht, sich aus dem sozialen Netzwerk auszuklinken, ruft sich Facebook immer aufs Neue in Erinnerung. Über Facebook-App, Messanger-App oder per Email meldet Facebook, wenn sich im eigenen Netzwerk etwas tut. Ob man will oder nicht. Es kostet ganz schön viel Kraft, diesen tagtäglichen Verführungen zu widerstehen. Auch für einen anderen Teilnehmer ist Facebook präsent: “Auch wenn man nicht auf Facebook geht, sieht man trotzdem, wenn man neue Nachrichten hat. Die Benachrichtigung kriegt man automatisch per Email zugeschickt. Dort steht dann auch, wer die Nachricht verschickt hat.” (Philipp, 16 Jahre).

Facebook hat in der Schule Fuß gefasst

Auch ohne dass Lehrer dies aktiv fördern, hat Facebook den Weg in die Schule längst gefunden. Facebook ist nicht selten ein virtuelles Klassenzimmer, eine Plattform, auf der man sich mit seinen Schulfreunden über die Hausaufgaben, anstehende Tests oder Vorträge austauscht. Wer da nicht mitmacht, ist schnell abgehängt.

www.uniqma.de

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