Es lernen längst mehr junge Leute an diversen PR-Lehrstühlen in Deutschland, wie man reißerische PR-Texte schreibt, als an Journalistik-Lehrstühlen. Manche belegen dann auch beides. Wie das geht, werden sie selber wissen. Wie ein PR-Text betitelt wird, exerzierte am 2. Oktober das Medienhaus Madsack vor, zu dem auch die "Leipziger Volkszeitung" gehört. Die Meldung hieß: "Regional erfolgreich in einem starken Verbund."
Es gibt Institutionen, die merken nicht einmal mehr, wie abgenutzt der marktschreierische Ton solcher Texte aus den Public Relations wirkt: “Die Mediengruppe macht sich mit dem Programm ‘Madsack 2018’ fit für die Zukunft.”
Das ist eigentlich keine neue Nachricht. Dass die Mediengruppe Madsack ihren überregionalen Teil bündeln und zentral produzieren lassen will, ist schon länger bekannt. Genauer: seit 2011. Zwei Jahre hat man gebastelt am neuen Produkt. Der Abbau von 53 Stellen bei der Leipziger Volkszeitung gehörte dazu. Man “führt Synergien” zusammen. Und spart dabei ein paar Redakteure ein. Und weil man Einsparungen und Angebotseinschnitte den Leuten schlechter verkaufen kann, gibt man dem Ganzen einen feschen Namen. Vorgemacht etwa von Gerhard Schröder mit seiner “Agenda 2010” oder Sachsens Innenminister Markus Ulbig mit seiner “Polizeireform 2020”.
Im Hause Madsack nennt sich das Ganze: “Madsack 2018”.
“Auf der Führungskräftetagung der Mediengruppe Madsack hat die neue Konzerngeschäftsführung heute das Zukunftsprogramm ‘Madsack 2018’ vorgestellt”, meldete die Mediengruppe Madsack am Mittwoch, 2. Oktober. “Die Konzerngeschäftsführung besteht seit dem 1. Juli 2013 aus Thomas Düffert (Vorsitz), Sven Fischer und Christoph Rüth. An der Tagung in Hannover nahmen neben über 100 Führungskräften des Konzerns auch Vertreter des Konzernbetriebsrats teil.”
Zur Madsack-Gruppe gehören 17 Zeitungstitel – darunter eben auch die “Leipziger Volkszeitung” mit ihren diversen Ablegern von “DNN” bis “Döbelner Allgemeine”. Sie alle leiden unter Auflagenschwund. Das klassische Abonnenten-Publikum geht verloren. Da braucht auch ein großes Medienhaus eine Strategie. Wohin soll die Reise gehen? – Oder in PR-Sprech: “Fokussieren und Zentralisieren ist auch im Verlagsbereich die Devise.”
Madsack-Geschäftsführer Christoph Rüth wird dazu so zitiert: “Unsere Experten für Vermarktung, Vertrieb, Logistik und Dienstleistungen sollen nur einmal ans Werk gehen und das Rad nicht an jedem Standort unserer Mediengruppe neu erfinden. Davon profitieren alle Marken und Unternehmen unseres Konzerns. Jeder einzelne Standort kann sich somit noch besser auf die regionale Marktbearbeitung konzentrieren. Das gilt ganz besonders auch für unsere vielfältigen heutigen und zukünftigen digitalen Angebote und Produkte. Die hohen technischen Investitionskosten werden geteilt – und vom konsequenten Ausrollen der einmal entwickelten Digitalprodukte profitieren dann alle Standorte.”
Das hätte auch der Chef der Telekom oder eines Autovertriebs so sagen können. So oder so ähnlich. Man merkt: Hier sitzen Leute, die ihr Marketing studiert haben und sich auf “Marktbearbeitung konzentrieren”. Wem einiges an den Auftritten der LVZ auf dem “Leipziger Markt” seltsam vorkommt, der hat hier den Grund benannt.
Noch ein schöner Satz in PR-Sprech: “Handeln im Verbund bedeutet, stringent Synergien zu schaffen.”
Da spürt man schon richtig, wie das den Mitarbeitern der betroffenen Zeitungen ab Montag auf den Magen schlagen wird. Oder die Zehennägel kräuseln lässt. Oder wie wäre es mit Quietschen von Kreide auf einer trockenen Tafel?Sven Fischer, ebenfalls Mitglied der Madsack-Geschäftsführung, hat einen ganz erstaunlichen Gedankensprung formuliert: “Nur, wenn wir die Größenvorteile unserer Mediengruppe konsequent nutzen, werden wir auch weiterhin finanziell erfolgreich und unabhängig bleiben. Und das ist die elementare Grundlage von unabhängigem Journalismus und Meinungsvielfalt.”
Peter Turi kommentiert das so: Madsack “schafft mit einem Federstrich die Vielfalt in der überregionalen Berichterstattung seiner Zeitungen ab.” Und verkauft das dann als Medienvielfalt. Ein Geniestreich.
“Die Mediengruppe Madsack setzt auf das große Zukunftspotenzial regionaler und lokaler Medien. Unter dem Motto ‘Madsack 2018’ wird der Verbund in den kommenden Jahren weiter umgebaut: Die Verlage an den einzelnen Standorten werden sich in Redaktion und Vermarktung noch klarer auf ihre regionale Kompetenz fokussieren. Größenvorteile sollen konsequent ausgenutzt werden. Noch 2013 erfolgt der Aufbau einer Zentralredaktion für die Erstellung von überregionalen Inhalten”, erläuterte Thomas Düffert die Grundlagen des Programms “Madsack 2018”.
“Der besondere Wert regionaler Medien liegt im unverwechselbaren regionalen Inhalt, der tief in der Lebenswelt der Menschen verankert ist und Heimat widerspiegelt. Die regionale Berichterstattung ist die Basis von allem – aber wir müssen auch dem Anspruch unserer Leser nach gut recherchierten, überregionalen Inhalten gerecht werden”, so Düffert weiter. “Würde sich jede unserer Regionalredaktionen auch mit allen überregionalen Themen beschäftigen, könnte sie sich nicht auf ihre jeweilige regionale und lokale Kernkompetenz konzentrieren. Die überregionale Berichterstattung wird besser, wenn wir sie mit den vereinten Kräften der ganzen Gruppe gestalten.”
Heißt also: Alles, was nicht regional ist, wird in Hannover konzentriert – die überregionale Berichterstattung, die Digital-Publikationen, aber auch Vermarktung, Vertrieb, Logistik und Dienstleistungen.
Man habe sogar mögliche Wachstumsfelder identifiziert, heißt es weiter. Thomas Düffert: “Neben dem Ausbau des Postgeschäftes und der Services für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sehen wir uns strategisch im deutschen Markt für Regionalzeitungen in einer aktiven Konsolidierer-Rolle. Unsere auf die Integration weiterer Verlage optimierten Strukturen werden es uns erlauben, in unserem Kerngeschäft der regionalen und lokalen Print- und Online-Medien weiter zu wachsen – organisch und akquisitorisch.”
Was dann wieder heißt: Man will weiter zukaufen. Bestimmt kommen in der nächsten Zeit noch einige Regionalzeitungen auf den Markt.
Das künftige “Leitbild einer klug vernetzten Redaktion” hätten doch tatsächlich fünf Chefredakteure aus dem Hause Madsack gemeinsam entwickelt: Thoralf Cleven (Chefredakteur Märkische Allgemeine Zeitung), Jan Emendörfer (Chefredakteur Leipziger Volkszeitung), Uwe Dulias (Entwicklungschefredakteur Mediengruppe Madsack) sowie Hendrik Brandt und Matthias Koch (Chefredakteure Hannoversche Allgemeine Zeitung).
Was man aber gucken ließ, war nur das Wörtchen Zentralredaktion.
“Wir setzen auf zwei Grundpfeiler: Zentralisieren und fokussieren. In der Zentralredaktion kümmern sich die Kollegen um alle überregionalen Themen – von der Recherche über das Schreiben bis zur Seitenproduktion. Für alle Print- und Digital-Publikationen der Gruppe. In den Redaktionen der einzelnen Titel fokussieren wir unsere Arbeit auf die lokalen und regionalen Themen”, so die Chefredakteure im Chor.
Wie das dann personell bestückt wird, wird dann in der nächsten Woche ausklamüsiert. Anfang der Woche sollen die Mitarbeiter des Konzerns auf gesonderten Mitarbeiterversammlungen an allen großen Verlagsstandorten ausführlich über das Programm “Madsack 2018” informiert werden. Da werden sie sich schon am Sonntagabend drauf freuen.
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“Auf unserem Plan stehen eine Vielzahl von Projekten, die wir in den nächsten Monaten konsequent und mit Augenmaß bearbeiten werden”, so Düffert. “Wir möchten mit diesem Auftakt alle einladen, sich in diesen Prozess des Wandels einzubringen und ihn aktiv mitzugestalten.”
Das nüchterne Fazit von Peter Duri: “Das Sterben von Vollredaktionen, die verlegerische Verkettung und die publizistische Versteppung der bundesdeutschen Zeitungslandschaft schreitet also voran.”
Auch wenn die Zeiten, als eine LVZ auch überregional mit Artikeln auf sich aufmerksam machte, schon ein Weilchen her sind, hatte sie bislang auch auf Deutschland und die Welt oft einen eigenständigen Blick. Der mag Manchem zuweilen etwas eigen vorgekommen sein, entsprach aber immer auch dem Ton der regionalen Berichterstattung und der Zusammensetzung der Leserschaft.
Es wird ein Bruch. Und vielleicht sogar einer der auffällt, wenn die überregionale Grundmelodie in Hannover komponiert wird.
Die Meldung der Mediengruppe Madsack: www.madsack.de/service/newsdetailansicht/article/667/regional-erfolgreich-in-einem-starken-verbund.html
Der Kommentar von Peter Turi: www.turi2.de/2013/10/04/heute2-madsack-legt-zeitungen-kette-16491651/
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