Die Note leuchtet grün auf. "Das gilt noch als richtig gespielt", sagt Ron Gastler. Der Programmierer arbeitet in den letzten Zügen an der Tonerkennung, die so wichtig ist für Melodicus. So heißt das Computerprogramm, welches es in Zukunft ermöglichen soll, ein Instrument per Online-Plattform lernen zu können. Für diese Idee wurden jene vier jungen Leute, die das Kernteam rund um Melodicus bilden, jüngst mit dem IQ Innovationspreis Mitteldeutschland ausgezeichnet. Sie gewannen in der Sparte Informationstechnologie.

Die Idee keimte im Laufe ihrer Studienzeit auf. “Ich kenne viele Musiker und Informatiker”, erzählt Mitbegründer Oliver Kobe. “Irgendwann witzelten wir herum, dass es doch Tonerkennungsprogramme gibt und auch Gestenerkennung, zum Beispiel bei Spielekonsolen. Wenn man das kombinierte, könnte man doch Musikunterricht online nehmen.” Mittlerweile ist es schon möglich. Nur gibt es die Plattform noch nicht. “Ende des Jahres wollen wir mit einer ersten Version am Markt sein”, plant Kobe.

Zuerst soll das Notenlernen möglich werden: Das System führt Anfänger schrittweise in die Notenlehre ein. Dann werden kleine Stücke gespielt. Das Programm lauscht und zeigt an: Richtig oder falsch gespielt, je nachdem wie sich die Noten einfärben. Das man eine bestimmte Punktzahl erreichen kann, soll anspornen, auch der Blick auf die Leistungskurve.

Melodicus soll zu einer Plattform wachsen, auf der man sich über das Gelernte austauschen kann. “Es wird ein Forum geben, sowie einen Audioshop, wo aktuelle Hits für das jeweilige Instrument in Noten umgesetzt werden. So kann man seinen Lieblingssong lernen”, erklärt Oliver Kobe. Das wird pro Lid abgerechnet werden, wegen der anfallenden Gema-Gebühren. “Ansonsten wird es Melodicus als Abo geben, die Preise sollen zwischen fünf und 15 Euro pro Monat liegen, je nachdem wie lang man sich binden möchte”, erklärt Kobe, der Kulturwissenschaften und Kommunikationswissenschaft an der Universität Leipzig studiert hat. Er kümmert sich vorrangig um Vertrieb und Marketing sowie die Umsetzung der pädagogischen Konzepte. Zusammen mit seiner Kollegin Mandy Hantke, die sowohl Psychologie als auch Pädagogik und Kommunikationswissenschaft studiert hat. Ron Gastler und Oliver Skawronek sind noch Studenten an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur und kümmern sich um die Programmierung.
Das Team erhielt eine Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, ein so genanntes Exist-Gründerstipendium. “Ohne das wäre es uns nicht möglich gewesen an dem Projekt zu arbeiten”, so Kobe. Das Stipendium unterstützt Studenten und Wissenschaftler, die aus ihrer Forschung heraus ein Unternehmen gründen wollen. So sind wenigstens die Lebenshaltung, Unternehmensberatung und notwendige Anschaffungen abgesichert. Es läuft jedoch Ende Juli aus. Deswegen hat sich das Melodicus-Team um ein Seed-Stipendium der Sächsischen Aufbaubank beworben. Wird es bewilligt, basteln sie weiter, diesmal an der Gestenerkennung. “Mittlerweile ist jeder Laptop mit einer Kamera ausgerüstet oder man kann günstig nachrüsten”, erklärt Ron Gastler. Auch Spielekonsolen verwenden die Gestenerkennung seit einigen Jahren. Für den Musikunterricht hilft dies, wenn es darum geht die richtige Haltung eines Instruments zu erkennen. “Zum Beispiel ob der Bogen beim Cellospielen richtig gesetzt ist”, so Gastler.

Melodicus soll keine Konkurrenz zur klassischen Musikschule sein. Es soll diese unterstützen. Allein in Leipzig gibt es eine lange Warteliste für Musikstunden. “Und üblicherweise hat man nur eine halbe oder ganze Stunde Unterricht pro Woche”, sagt Oliver Kobe. Denn Rest der Zeit müssen die Musikschüler allein üben. “Mit unserer Plattform kann man sich autodidaktisch einiges beibringen”, erklärt Kobe.

Nicht alles sei ratsam. Klavier oder Gitarre könne man sich vergleichsweise einfach aneignen. “Bei Streichinstrumenten ist das schon schwieriger, da vieles davon abhängt, ein Gefühl für das Instrument zu entwickeln.” Doch Notenlehre ist immer nützlich. Und so können Lernwillige zukünftig den Unterricht vorbereiten. Überhaupt bietet die Plattform, so wie sie bisher konzipiert ist, vielfältige Möglichkeiten, den Unterricht zu komplementieren. Schon allein das sofortige Feedback von Melodicus – hat man den Ton getroffen oder nicht – erleichtert das Üben.

“Es wird möglich sein, gespielte Stücke aufzuzeichnen. So können Lehrer oder auch die Eltern eines kleinen Musikschülers die Fortschritte überprüfen.” Die Software bietet zudem eine genaue Auswertung: Wie hoch war die Fehlerquote? Welche Noten bereiten Probleme? Wie oft wurde geübt? All dies wird statistisch erfasst. Und die Leistungskurve ist ein Indikator für den Fortschritt. “Musiklehrer werden irgendwann auch selbst Übungen einpflegen können”, so Kobe. Er hofft, Musikschulen und Lehrer an Bord holen zu können. Hofft, dass die Unterrichtserweiterung angenommen wird. Und dass Millionen Internet-User künftig ihre Melodien online lernen wollen.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar