Jede Mediengattung hat ihre Lobby, mal mehr, mal weniger stark. Freie Netzmedien haben keine, die für das Lokal-TV sitzt mit dem BLTV in Frankfurt/Oder. Es ist schon erstaunlich, dass immer erst jemand schließen muss oder die Schließung ankündigt, bevor das Wort "Medienvielfalt" wieder in Benutzung kommt. Etwas, was die sächsische Landesregierung schon seit Jahren nicht wirklich interessiert. Ist vom Internet die Rede, kennen Sachsens Medienpolitiker meist nur die dunkle Seite der Macht und fordern mehr Medienkompetenz. Oder achten auf die Begrenzung des öffentlich-rechtlichen Angebotes. Ist von Lokal-TV die Rede, scheint eine ähnliche Konzeptlosigkeit zu herrschen.

Die Wortwahl ist unterdessen schon fast belustigend und es geraten einige verschiedene Dinge in gemeinsame Töpfe. Die Leipziger Stadträtin Skadi Jennicke (Die Linke) sieht einen in dem drohenden Aus für Leipzig Fernsehen einen “Schock” für den Medienstandort Leipzig und fordert die Sächsische Landesmedienanstalt (SLM) und die sächsische Landesregierung auf “… zur Sicherung von Leipzig Fernsehen und Radio Blau die erforderlichen Schritte, wie beispielsweise den Verzicht auf die Einspeisegebühren oder eine Förderung durch den Freistaat analog des Modells in Bayern, einzuleiten.”

Radio Blau ist ein werbefreies Bürgerradio und Leipzig Fernsehen ein werbefinanziertes Lokalfernsehprogramm, zumal innerhalb eines größeren Verbundes von Stadt-TV-Sendern? Heißt, engagiertes Radio ohne Bezahlung für die Redaktion und marktorientiertes TV-Programm mit zumindest teilweise finanzierter Redaktion werden hier bunt gemixt. Doch das Grundproblem der linken Stadträtin scheinen die offensichtlichen Refinanzierungssorgen beider zu sein. Derzeit unterstützt die Kommune Leipzig im Alleingang Radio Blau, um die “Verbreitungskosten”, also vor allem die Sende- und Leitungsgebühren mit 10.000 Euro zumindest teilweise zu sponsern. 25.000 Euro kosten diese jährlich. Jedes Jahr schauen die Macher von Radio Blau gebannt auf die für sie entscheidende Stadtratssitzung, ein Nein könnte das Aus bedeuten.

Die immer noch kleinen Summen für das Bürgerradio sind umkämpft, da ist kaum noch Platz für weitere Leistungen in Richtung Leipzig Fernsehen. Zumindest nicht kommunal, wie indirekt bereits gestern von der CDU-Bundestagsabgeordneten Bettina Kudla gefordert – auf Landesebene könnte dies anders aussehen.
Noch ein wenig schärfer geht der Bundesverband Lokalfernsehen e.V. (BLTV) an eben diese Ebene heran. Obwohl die Sender Chemnitz-Fernsehen, Leipzig-Fernsehen sowie Dresden-Fernsehen gar nicht durch diesen Verband vertreten werden, kommt BLTV-Vorstandsvorsitzender Klaus-Dieter Böhm zu dem Fazit: “Wir stehen derzeit vor einem medienpolitischen Super-GAU. In zahlreichen Ländern der Bundesrepublik – nicht nur in Sachsen – stehen Lokalfernsehveranstalter vor dem Abgrund. Die hohen Kosten der Digitalisierungsprozesse, zu denen die Veranstalter gezwungen sind, führen unsere Sender in den finanziellen Ruin”.

So sei es nun an der Politik endlich zu entscheiden, ob die Gattung Lokalfernsehen in Deutschland gewollt ist oder nicht. Aktuell droht Meinungsvielfalt unter Assistenz der Politik zu “Meinungseinfalt” zu verkommen.

Damit zeigen nun alle erhobenen Zeigefinger auf die Sächsische Landesmedienanstalt (SLM) und die schwarz-gelbe Landesregierung. Es geht um Subventionen, möglichst noch vor der Bundestagswahl, so die Forderung des BLTV.

“Auch der Freistaat Sachsen habe den Sendern immer wieder Unterstützung zugesichert, lässt die Programmveranstalter aber seit Jahren ausbluten, wirkliche Hilfe fehlt”, erklärt Böhm. Die schwarzgelbe Koalition in Dresden verstoße gegen ihren eigenen Koalitionsvertrag, in dem das Lokalfernsehen aufgrund seiner gesellschaftlichen Leistungen als erhaltenswertes Kulturgut verankert wurde. “Leider haben es CDU und FDP bei schönen Worten belassen. Wir ernten jetzt die Früchte ihrer Untätigkeit”, so Böhm in Richtung Dresden.

Nur eines bleibt falsch, auch wenn es noch so oft betont wird. “Mit einem Ausfall des Lokalfernsehens würden nur noch Monopolzeitungen mit abgesteckten Verbreitungsgebieten über Meinungsbilder vor Ort entscheiden”, so der BLTV e.V..

Man scheint sich mit der Medienlandschaft in Leipzig länger nicht mehr befasst zu haben. Aber Lobbyverbände müssen wohl so reden. Bis hier hin also viele Appelle an die sächsische Landespolitik, einer Mediensparte möglichst kraftvoll unter die Arme zu greifen. Nicht erst seit der Mitteilung seitens Leipzig Fernsehen, aufgeben zu wollen, doch nun dadurch befeuert. Bleibt abzuwarten, ob sich der sächsische Chef der Staatskanzlei, Johannes Beermann (CDU), davon beeindrucken lässt und sich für ein Fördermodell für private, lokale Sendeanstalten erwärmen kann. SLM-Chef Martin Deitenbeck hat gestern bereits den ersten Block gegenüber Radio Mephisto in die Landschaft gestellt und gefordert, das die Branche selbst, hier RTL und Sat.1 den Lokal-TV-Bereich im Osten unterstützen sollen.

Heißt auch – Subventionen wird es mit uns nicht geben.

Zu Leipzig Fernsehen im Netz
www.leipzig-fernsehen.de

Info TV Leipzig
www.info-tv-leipzig.de

Zu Radio Blau im Netz
www.radioblau.de

Zu Radio Mephisto im Netz
mephisto976.uni-leipzig.de

Zu den Aufgaben der sächsischen Staatskanzlei
www.sk.sachsen.de/233.htm

Zu den Aufgaben der SLM

www.slm-online.de

Der Bundesverband für Lokal-TV im Netz

www.lokal-tv.de
Einzig die sächsische CDU befasst sich – nun gut, erwartungsgemäß – mit der Ausrichtung und der Arbeit von Leipzig Fernsehen selbst. So erklärt der Landtagsabgeordneten Ronald Pohle, handwerkspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und selbstständiger Heizungsinstallateur: “Forderungen an Zuschüsse vom Freistaat sind Unsinn. Die Fernsehmacher sollten ihr Werbekonzept überprüfen. Halbstundensendungen aus einem Blumenhaus u. ä. überzeugen nicht. So was schalten die Zuschauer ab.”

Dass bei LF in der Tat ein seltsames Verhältnis zwischen Programm und Werbung herrscht, ist richtig. Aber Pohle sieht Marktchancen für Leipzig Fernsehen: “Allein in meinem Ostleipziger Umfeld sehe ich mit dem erfolgreichen PC-Experten Hans-Jörg Loy, dem Korbmacher Uwe Engelhardt, dem Malermeister Bernd Frank oder dem Gasthaus “Zur Tenne” kleine Betriebe, die keine Halbstundensendungen bezahlen könnten und würden, gern aber Drei-Minuten-Clips.”

Und weil der Abgeordnete gerade so schön dabei ist, Leipzig Fernsehen und irgendwie auch den Medien allgemein zu erläutern, wie das so funktioniert mit der Werbung und wer was benötigt, gibt er noch ein positives Beispiel obendrauf: “Die Pizzeria Gasse in der Wurzner Straße wählte beispielsweise diesen Weg und war mit dem Werbeerfolg sehr zufrieden. Das wäre viel interessanter und würde unterm Strich nicht weniger Geld bringen. Man muss mit der Zeit gehen, dann bliebe der Sender den Leipzigern erhalten.”

So einfach ist das also.

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