"Weil die gesamte Gesellschaft von unabhängigen Medien profitiert, ist es auch gerecht, wenn sich die gesamte Gesellschaft an der Finanzierung beteiligt", sagt CDU-Medienexperte Sebastian Gemkow im L-IZ-Interview. Das frühere Gebühreneinzugsmodell der GEZ widerspreche der heutigen Auffassung von Persönlichkeitsrechten, so der Leipziger Landtagsabgeordnete.
Herr Gemkow, seit Januar 2013 gilt zur Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks nun der Rundfunkbeitrag für alle Haushalte von aktuell 17,98 Euro monatlich. “Geräteunabhängig” wie es heißt, also auch dann, wenn sich gar kein Endgerät im Haushalt befindet. Was rechtfertigt aus Ihrer Sicht diese Art von Pauschalierung?
Die Entscheidung ist für einen geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag gefallen, weil der Empfang und die Nutzung von Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nur über Radio und TV nicht mehr der gesellschaftlichen Wirklichkeit entspricht. Alle Bürgerinnen und Bürger haben heute auf unzähligen Wegen die Möglichkeit, die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu nutzen: beispielsweise über Smartphones, Computer oder mp3-Player. Deshalb ist es nicht mehr praktikabel, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an Art und Umfang der Nutzung von Geräten zu knüpfen.
Die unzähligen Möglichkeiten, Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu nutzen, machen es auch nahezu unmöglich, das Nutzungsverhalten der Bürgerinnen und Bürger zu erfassen. Abgesehen davon, ob eine Überprüfung heute praktisch noch möglich ist, entspricht das Vorgehen der Gebühreneinzugszentrale GEZ, die im Auftrag der öffentlichen Rundfunkanstalten Empfangsgeräte zu überprüfen hatte, heute nicht mehr der gesellschaftlichen Auffassung von Persönlichkeitsrechten, es ist gesellschaftlich nicht akzeptiert.
Aus diesen Gründen fiel die Entscheidung für das neue Modell. Nach der anstehenden Evaluierung sind gegebenenfalls Nachbesserungen möglich.
Inwieweit überzeugen Sie die juristischen Begründungen, wonach der Rundfunkbeitrag gerade keine Steuer ist, die ja unzulässig wäre?
Diese Frage ist formaler Natur. Sie betrifft nicht die prinzipielle Gestaltung des neuen Beitragsmodells.
Es bleibt abzuwarten, wie die juristische Auseinandersetzung zu diesem Detail ausgeht. Wichtig ist hinsichtlich der Einzugspraxis, dass auch hier vollständige Rechtssicherheit besteht. Ich bin zuversichtlich, dass diese Frage bald geklärt ist.
Wer weiß eigentlich besser über die individuellen Verhältnisse der Menschen in Deutschland Bescheid: die örtlichen Meldebehörden oder der neue Beitragsservice von ARD und ZDF?
Die örtlichen Meldebehörden. Aber Ihre Frage zielt auf den umstellungsbedingten, einmaligen Meldedatenabgleich mit dem Beitragsservice ab.
Ein Ansatz zum gesetzlich beschlossenen neuen Finanzierungsmodell ist ja kurz gesagt: Vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk profitiert die gesamte Gesellschaft und deshalb ist es gerecht, dass sich die gesamte Gesellschaft an dessen Finanzierung beteiligt.
Im Zuge der Umstellung auf dieses neue Finanzierungsmodell übermitteln die Meldebehörden dem Beitragsservice zwischen März 2013 und September 2014 einmalig ganz eindeutig umrissene persönliche Daten. Das sind die gleichen Daten, die auch bisher regelmäßig von den Meldeämtern an den Beitragsservice übermittelt werden.
Und was geschieht dann mit den Daten?
Diese Angaben werden vom Beitragsservice mit den bereits vorhandenen Daten abgeglichen. So wird geklärt, für welche Wohnungen bisher kein Rundfunkbeitrag entrichtet wird. Die geschilderte Verarbeitung der übermittelten Daten unterliegt einer strengen datenschutzrechtlichen Zweckbindung, das heißt die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben und sie müssen spätestens nach 12 Monaten gelöscht werden.
Dieser Meldedatenabgleich sowie die damit verbundenen Modalitäten sind gesetzlich durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag in Paragraph 14, Absatz 9 legitimiert. Alle Ministerpräsidenten und alle 16 Landesparlamente der Bundesrepublik haben diesem Vertrag nach ausführlicher Befassung zugestimmt.Die öffentlich-rechtlichen Anstalten dürfen werben und sehen sich bei den Programmformaten im Wettbewerb mit den Privatanstalten. Was macht aus Ihrer Sicht denn da den Unterschied, der einen Zwangsbeitrag von allen Haushalten rechtfertigt?
Die Frage der Werbefreiheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist nicht einfach zu beantworten. Auf der einen Seite soll der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Programm gestalten, das nicht darauf angewiesen ist, in allen Programmbestandteilen massentauglich zu sein. Nur dadurch kann die Programmgestaltung ausgewogen sein, um dem besonderen Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Rechnung zu tragen.
Die Sender sollen sich eben nicht nach Einschaltquoten richten, um möglichst hohe Werbeeinnahmen erzielen zu können. Eine möglicherweise hin und wieder zu unterhaltungslastig erscheinende Programmgestaltung ist aber wohl eher einem allgemeinen Rechtfertigungsdruck der öffentlich-rechtlichen Anstalten vor dem Hintergrund der Marktrelevanz zuzuschreiben, als weniger einem Druck, massentauglich zu sein, um mehr Werbeeinnahmen zu generieren.
Rein rechnerisch würde außerdem die Einführung der Werbefreiheit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu einem weiteren Ansteigen der Rundfunkgebühr um weit mehr als einen Euro pro Monat führen. Diese Sachlage spricht meiner Meinung nach derzeit gegen die Werbefreiheit im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk.
Wie definieren Sie in kurzen Worten den “Versorgungsauftrag” der Öffentlich-Rechtlichen, der den Zwangsbeitrag rechtfertigt?
Der Versorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist die Pflicht, den Bürgerinnen und Bürger unabhängige Grundlagen an Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung zur Verfügung zu stellen. Im Zusammenhang zum Rundfunkbeitrag heißt das: Deutschlandradio, MDR, ARD und ZDF garantieren bei Wahrung der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit unabhängige Information, Unterhaltung und Kultur; sie sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich jeder Bürger eine eigene Meinung bilden kann.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk garantiert einen freien Zugang zu Informationen und bietet Raum für gesellschaftliche Debatten. Ein vielfältiges und hochwertiges Medienangebot trägt dazu bei, dass Menschen informiert sind. Weil die gesamte Gesellschaft von unabhängigen Medien profitiert, ist es auch gerecht, wenn sich die gesamte Gesellschaft an der Finanzierung beteiligt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber ganz klar betonen, dass meine Fraktion und ich weiterhin genau beobachten, ob das Geld, was den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Verfügung steht, ordnungsgemäß eingesetzt wird.
Die letzte Bestellung eines Chefredakteurs beim ZDF im Jahre 2012 ließ Zweifel an der Staatsferne des Senders aufkommen. Der Skandal beim Kinderkanal Kika scheint noch immer nicht abschließend aufgearbeitet. Wie kann das System Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk hier wieder Vertrauen gewinnen?
Bei den Gebührenzahlern, den Zuschauern und übrigens auch bei den Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die gute Arbeit leisten, wurde durch mehrere Vorfälle Vertrauen zerstört, das jetzt wieder hergestellt werden muss. Und das ist nicht einfach.
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Ich habe schon mehrfach öffentlich darauf hingewiesen, dass dieses Vertrauen nur mit absoluter Transparenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wieder herstellbar ist. Es ist beispielsweise eigentlich ganz selbstverständlich, dass der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk bei seiner Wirtschaftsführung die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und der allgemein üblichen Geschäftsgebaren zu beachten hat. Das erwarten die Gebührenzahler und so ist es gesetzlich festgelegt.
Nach den Vorfällen muss das nun aber nicht nur der Öffentlichkeit und in den entsprechenden Gremien nachgewiesen, sondern auch aktiv darüber kommuniziert werden. Ich denke, dass im letzen Jahr viele “alte Zöpfe” abgeschnitten wurden – vielleicht sollten die öffentlich-rechtlichen Sender ihre eigenen Bemühungen zukünftig noch besser in die Öffentlichkeit transportieren.
Vielen Dank für das Gespräch.
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