Zum heutigen Welttag des Buches ließ der Börsenverein des deutschen Buchhandels 5.000 Deutsche ab 14 Jahre befragen, wo sie am liebsten ihre Bücher lesen. Mit der kleinen Einschränkung "privat". Deswegen tauchen Lesesäle und Klöster in dieser Umfrage leider nicht auf. Aber auch andere Leseorte vermisst man - Bibliotheken zum Beispiel. Den Leuten vom Börsenverein ging es innerhalb der Kampagne "Vorsicht Buch!" irgendwie ums ganz Private.

“Die unangefochtenen Lieblings-Leseorte in Deutschland sind mit 71,7 Prozent Sofa und Sessel, gefolgt vom kuscheligen Bett mit 57,8 Prozent an zweiter Stelle”, meldet nun der Börsenverein pünktlich zum Welttag des Buches. “Viele Personen mögen sich jedoch auch außerhalb der eigenen vier Wände nicht von ihrem Lieblingsbuch trennen und stecken es kurzerhand für unterwegs ein. Entsprechend gaben 26,2 Prozent aller Befragten an, sehr oft bis oft in öffentlichen Verkehrsmitteln (z.B. Zug oder S-Bahn) zu lesen, 24,7 Prozent überbrücken die Wartezeit beim Arzt mit einem Buch, 25,6 Prozent lesen gern im Schwimmbad.”

Und wenn schon privat, dann dürfen auch die privatesten aller Orte nicht fehlen: Auf Rang 7 (gleich nach dem Wartezimmer des Arztes) kommt die Badewanne mit 14,5 Prozent der Nennungen, gefolgt von der Toilette mit 13 Prozent.

Die Ergebnisse wurden auch nach Altersstufen sortiert. Was dann freilich auch wieder sichtbar macht, dass Frauen deutlich mehr lesen als Männer – und zwar egal, wo. Wenn die meisten Männer, wenn sie schon mal im Bad oder am Strand sind, wie wild durchs Wasser toben, holt dort jede dritte Frau ihr Buch raus und liest. Vielleicht ein Buch von Männern, die durchs Wasser toben – irgendwo anders vielleicht. Dasselbe im Wartezimmer des Arztes: Jede dritte Frau holt sich was zu Lesen raus, von den Männern greift nur jeder Sechste zur Lektüre. Dafür liegt dann meistens die Autozeitschrift da. Die anderen warten wohl brav und drehen Däumchen. Vielleicht wollen sie in der Öffentlichkeit aber auch nur nicht mit Lektüre erwischt werden.

Je privater die Orte sind, umso mehr gleicht sich das Leseverhalten der Geschlechter nämlich an. Im Bett lesen zwei von drei Frauen (was machen die anderen?), aber auch jeder zweite Mann greift hier zur Lektüre. Ob es ein Buch ist, wurde nicht extra ermittelt. Aus Kollegenkreisen hört man, dass es meistens eher ein Comic ist. Darf auch ein ganz alter und zerlesener sein.

Am häufigsten trifft man sich dann doch bei der gemeinsamen Lektüre auf Sofa oder Sessel. Und vermisst doch glatt in der Aufzählung den Küchentisch – oder ist es nur in Büchern immer so, dass Männer in ihre Zeitung vertieft am Frühstückstisch sitzen, während Frauen verzweifelt versuchen, Kontakt zu ihnen aufzunehmen?

Auf der Toilette lesen übrigens am häufigsten die Jugendlichen. Da werden sich manche Eltern mit bangem Ahnen fragen: Was lesen sie nur?Und noch etwas verblüfft: Das Lesen im Bett nimmt mit dem Älterwerden ab. 81,2 Prozent der Jugendlichen lesen im Bett und bringen ihre Erziehungsberechtigten zur Verzweiflung, weil sie einfach das Licht nicht ausmachen wollen. Aber dann nimmt das mit jedem Lebensjahrzehnt ab, schmilzt erst auf 70, dann auf 60 Prozent. Bei den über 60jährigen sind es nur noch 42,2 Prozent. Von Rang 1 unter den Lieblingslese-Orten rutscht das Bett auf Rang 3.

Erstaunlich ist auch das Lesen in Verkehrsmitteln, das mit 45,1 Prozent der Nennungen bei 20- bis 29-Jährigen seinen Höchststand erreicht und dann ebenfalls mit zunehmendem Alter abschmilzt auf 19 Prozent bei den Senioren. Hier scheint vor allem der Umstieg auf das Individual-Verkehrsmittel eine Rolle zu spielen – am Lenker eines Autos oder Fahrrads liest es sich wirklich schlecht.

Und die Art des Lesens lässt natürlich auch auf die Besonderheiten der Region schließen. Die Sachsen trifft man im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich oft beim Lesen im Garten, Park oder auf dem Balkon an: + 3,4 %. Sie lesen auch etwas häufiger im Verkehrsmittel: + 1,5 %. Und besonders im Wartezimmer des Arztes fallen sie auf: + 4,1 %. Liegt das schon am rekordverdächtigen Altersdurchschnitt?

Aber das muss wirklich mit Fragezeichen erwähnt werden, denn besonders häufig mit Lektüre im Wartezimmer anzutreffen sind nicht die Älteren, sondern die jungen Frauen. Vielleicht deutet der Wert auch auf überdurchschnittlich lange Wartezeiten bei sächsischen Ärzten hin, was natürlich eine clevere Idee für Buchhändler wäre: Sie könnten die Ärzte ihres Vertrauens mit den richtigen Schmökern fürs Wartezimmer versorgen. Irgendwas richtig Aufregendes, bei dem alle Schmerzen vergessen werden …

Auffällig ist auch, dass man Sachsen überproportional häufig (+ 3,6 %) mit Lesestoff im Bad oder am Strand antrifft. Die hier verzeichneten 29,2 % werden nur von Bayern, Bremern und Baden-Württembergern übertroffen. Und die Gegenprobe ernüchtert: Gerade das Bundesland mit den meisten attraktiven Stränden findet seine Bewohner eher selten mit Lektüre am Strand: Mecklenburg-Vorpommern, 16,3 %. An den Stränden kann es nicht liegen. Vielleicht liegt’s aber daran, dass die Mecklenburger an diesen schönen Stränden arbeiten müssen und gar keine Zeit haben zum Lesen. Und wenn sie dann Zeit haben zum Lesen, ist es an den Stränden ungemütlich. Wo findet man sie dann also mit ihrer Spezialausgabe von “Läuschen un Rimels”? – Natürlich im Bett. Da führen die Mecklenburger mit einem überdurchschnittlichen Wert von 64,3 % beinah die Tabelle an. Gäb’s nicht ein Bundesland, in dem die Meeresstürme noch heftiger wehen: Die Einwohner von Schleswig-Holstein findet man noch etwas öfter beim Lesen im Bett.

Die Erhebung des Börsenverein zum Leseverhalten der Deutschen: www.boersenverein.de/de/portal/index.html?meldung_id=604520

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