"median" heißt das "Info-Magazin für Mitteldeutschland", das die Metropolregion Mitteldeutschland und die Wirtschaftsinitiative Mitteldeutschland seit einiger Zeit gemeinsam herausgeben. Es ist der Versuch, die gemeinsamen Prozesse in den drei Bundesländern darzustellen. Manche davon haben natürlich Zukunftspotenzial. Zum Beispiel der Online-Handel. Zu neudeutsch: E-Commerce. So heißt das neue Heft Nr. 1/2013 denn auch "_-COMM_RC_. Ich kaufe ein E".

Was witzig gedacht ist. Und auch untersetzt ist mit Beiträgen, die versuchen, Gewicht und Geschichte des mitteldeutschen Online-Handels zu beleuchten. Vorneweg mit zwei Urgesteinen der Branche – den beiden “Intershop”-Gründern Stephan Schambach und Karsten Schneider, die beide noch und wieder im Geschäft sind und natürlich ihre Sicht zeigen auf den ersten großen Hype im Internet-Handelsgeschäft, bei dem “Intershop” einer der Vorreiter war. Und dann kam 2000/2001 und die Dotcom-Blase platzte. Und das ostdeutsche Internet-Vorzeige-Unternehmen, das eben noch 11 Milliarden Dollar wert zu sein schien, geriet mit in den Mahlstrom.

Was mit dem Internet und seinen Möglichkeiten ja auch 2000 nichts zu tun hatte. Es war eine der vielen Blasen, die das mittlerweile wild um den Erdball zirkulierende Finanzkapital erst wachsen und dann platzen ließ, immer auf der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten und der Chance auf gigantische Renditen, die in immer kürzeren Zyklen die Börsen in den Karneval treiben. In der Dotcom-Krise entzog das auch Geschäftsmodellen über Nacht den Boden, die tatsächlich tragfähig sind. Nur eben nie einen echten Firmenwert in Milliardengröße darstellten, sondern viel realistischer im Millionenbereich.

Schambach und Schneider sind wieder im Geschäft. Sie haben sich von dem Crash nicht entmutigen lassen. Der eine hat in den USA einen Neustart im Online-Handel hingelegt, der andere ist im Dreieck Jena, Leipzig, Berlin unterwegs.

Das Heft beleuchtet die nun unter völlig anderen Prämissen und jenseits der Börsen-Hypes in den letzten Jahren entstandene Landschaft von Online-Händlern. Jena ist schon längst wieder einer der Brennpunkte der Szene, eng verknüpft – nicht nur durch Datenleitungen – auch mit Leipzig, wo sich in den letzten Jahren wieder so etwas etabliert hat wie der alte Händlergeist, der die Stadt einst reich gemacht hat.Ob’s wieder zu Reichtum reicht, muss man abwarten. Es sind auch in Leipzig keine Milliarden-Projekte. Dafür viele kreative Ideen, die schon seit ein paar Jahren die Spielräume des Metiers ausloten. Bekannte – und benannte – Beispiele sind Spreadshirt und Taschenkaufhaus. Viele Aktivitäten bündeln sich jetzt in E-Commerce-Genossenschaften, in denen sich die eher kleinen Akteure zusammentun, um sich gegenseitig zu stärken. Teamgeist heißt es dazu in einem der Beiträge im Heft. Denn die Ideen, wie man online handeln kann, gibt es zwar – aber welches Modell funktioniert wirklich, ohne dass bei der Abwicklung der Geschäfte getrickst werden muss? – Deswegen glänzt das Unternehmen mit dem großen U, das immer so gern für Schlagzeilen sorgt, in diesem Heft glücklich durch Abwesenheit.

Dafür wird mehrfach das Thema der sicheren Geschäftsabwicklung im Netz angesprochen – aber auch die Thematik der Logistik und der schnellen Lieferzeiten. Ein kleines Leipziger Unternehmen versucht sich ja wieder mutig als Online-Lebensmittelhändler. Da geht es dann auch um Frische und Lebensmittelqualität. Und nicht nur um die Passform von Schuhen und Hosen, die ein Online-Kunde ja wieder zurückschicken kann, wenn sie nicht passen.

Magdeburg spielt auch eine Rolle, eine etwas andere – als ein Ort, an dem man sich mit dem Online-Börsenhandel recht intensiv beschäftigt. Denn dass so manches Börsenzittern der letzten Jahre jedes Mal fast zum Crash geführt hat, hat auch damit zu tun, dass mittlerweile fast alle Börsengeschäfte online abgewickelt werden und Rechner sogar den Großteil der Interaktionen auslösen. Ganz automatisch. Da stecken wieder teure Algorithmen dahinter, die den Spielern auf dem Feld des schnellen Rendite-Machens jetzt diese winzigen Zeitvorsprünge von Sekunden und Millisekunden verschaffen sollen, die ihnen den schnellen Gewinn sichern.Vielen Leuten ist gar nicht mehr bewusst, dass hinter dem Börsenspiel schon längst keine Zeitpuffer mehr von Wochen, Tagen oder auch nur Stunden stecken. Was Wahnwitz genug ist und die Gefahren durch die wild fluktuierenden Milliarden der Fonds und Aktionäre in den nächsten Jahren noch weiter steigern wird.

Mehrfach erwähnt wird im Heft natürlich auch die “E-Commerce-Studie” der Wirtschaftsinitiative Mitteldeutschland, die erstmals erhoben hat, wie groß das Potenzial der Branche in Mitteldeutschland ist. Immerhin hatte man dazu über 3.000 Unternehmen angeschrieben. Die Beteiligung war nicht allzu berauschend – das kann aber auch daran liegen, dass auch diese Szene nach wie vor von Einzelkämpfern dominiert wird. Vielen fehlen einfach die Ressourcen, um zu marktrelevanter Größe zu wachsen und ein tragfähiges Geschäftsmodell auf die Beine zu stellen. Aber immerhin 80 Unternehmen aus Handel und Vertrieb machten mit, dazu 75 Dienstleister – einige davon mit zweitem Standbein im E-Commerce. Die Studie bestätigte dann auch, dass es vor allem zwei Städte sind, in denen sich das Online-Geschäft in Mitteldeutschland konzentriert – Leipzig und Jena. Eine starke Konzentration gibt es auch noch in Halle.

Aber die These, man könne E-Commerce in Mitteldeutschland schon als messbare wirtschaftliche Größe darstellen, hat sich nicht bestätigt. Eine Quantifizierung war zumindest im November 2012 noch nicht möglich. Aber das Potenzial ist da. Ist doch auch was.

Das “median”-Magazin ist in diesen Wochen in diversen ICE-Zügen der Deutschen Bahn in der 1. Klasse zu finden.

Die Studie zum E-Commerce findet man hier: www.mitteldeutschland.com/service/downloads/studien.html

Digital findet man den neuen “median” hier: www.region-mitteldeutschland.com/aktuelles/pressemitteilungen/?item=195#item195

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