Der Handelsverband Deutschland wollte es wissen und gab ein Gutachten beim Leipziger Staats- und Medienrechtler Prof. Dr. Christoph Degenhart in Auftrag. Er sollte prüfen, inwiefern der seit dem 1. Januar geltende Rundfunkbeitrag verfassungskonform ist. Der Handelsverband Deutschland (HDE) sieht sich durch Degenhardts Gutachten in seiner Kritik bestätigt: Der Rundfunkbeitrag ist verfassungswidrig.

Dem Gutachten nach ist der neue GEZ-Beitrag nicht verfassungskonform, weil er eine Steuer darstellt, für die die Länder nicht zuständig waren. Verfassungswidrig sei der Beitrag auch, weil er alle Betriebsstätten unabhängig davon belaste, ob Rundfunk empfangen wird oder empfangen werden kann. Außerdem stelle die überproportionale Belastung von Filialbetrieben einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar.

“Das Gutachten bestätigt unsere Kritik am neuen Rundfunkbeitrag. Die Regelungen sind unausgewogen und belasten viele Handelsunternehmen in unverhältnismäßiger und ungerechter Weise”, erklärt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Viele Einzelhandelsunternehmen hätten durch die Gebührenpflicht für jede einzelne Filiale Mehrbelastungen zu tragen. Vor allem die Staffelung der Gebühren nach der Zahl der Mitarbeiter sorge für große Ungerechtigkeiten. Denn hier wird nicht zwischen Voll- und Teilzeitmitarbeitern unterschieden. “Das trifft den Handel als Branche mit einer traditionell hohen Teilzeitquote ganz besonders. Teilweise steigen die Gebühren für die Betriebe damit um mehrere hundert Prozent”, so Genth weiter. Es bestehe dringender Handlungsbedarf.

Der HDE fordert ein gerechtes Beitragssystem ohne zusätzliche Belastungen im Vergleich zur alten Beitragsordnung. Genth: “Die Beiträge sollten nicht pro Filiale, sondern pro Unternehmen erhoben werden. Außerdem muss die Koppelung zwischen der Zahl der Mitarbeiter und der Staffelung der Gebühren wegfallen.”

Verfassungswidrig bedeutet aber auch: Die Gebühr darf gar nicht von allen erhoben werden. Die Süddeutsche Zeitung vergleicht den Vorgang mit Hundesteuer und Tabaksteuer. Die Rundfunkgebühr einfach von allen Haushalten zu erheben, wäre genauso, als würde man auch alle Bürger Tabak- oder Hundesteuer zahlen lassen. Auch jene, die weder einen Hund besitzen noch rauchen. Seit dem 1. Januar 2013 wird der Rundfunkbeitrag pauschal erhoben. Für jeden Wohnsitz werden monatlich 17,98 Euro fällig – auch, wenn sich darin keine Rundfunkgeräte befinden.
Wie einfach es sich die Medienminister der Länder gemacht haben mit der neuen Gebühr, zeigt eine Antwort des sächsischen Staatsministers Dr. Johannes Beermann auf die Frage: “Muss ich auch einen Rundfunkbeitrag zahlen obwohl ich keine Rundfunk- und Hörfunkangebote nutze bzw. nur Hörfunkangebote nutze?”

“Ja”, heißt es dazu auf der Medien-Seite der sächsischen Staatsregierung. “Aufgrund der technischen Weiterentwicklung der Geräte ist es kaum noch möglich, wie bisher zwischen reinen Hörfunk- und Fernsehempfangsgeräten zu unterscheiden. Viele Geräte wie PCs und Handys, die in den meisten Haushalten vorhanden sind, eröffnen vielfältige multimediale Anwendungen und Wege, über die man die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nutzen kann.”

Eigentlich schon an der Stelle eine sehr seltsame Antwort, denn mit der Bereitstellung von “trimedialen” Angeboten, wie es meist heißt, stößt der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk in Bereiche vor, die nicht zu seinem Versorgungsauftrag gehören und in die Kategorie Online-Journalismus fallen. Mit der Beermann nach zweifacher Nachfrage der SPD-Fraktion einfach nichts anfangen will. Aber genau dieser Vorstoß in die Online-Verbreitungskanäle wird zur Begründung für der Erhebung der neuen “Rundfunkgebühr” genutzt.

Das nennt man mit gezinkten Karten spielen.

Und ganz ähnlich gezinkt sind die Karten, wenn es um das Thema Radio geht. Die Staatskanzlei dazu: “Dass nun auch diejenigen, die ausschließlich Hörfunkangebote nutzen, nach dem Willen des Gesetzgebers den vollen Beitrag zahlen sollen, ist im Sinne der Finanzierungsgerechtigkeit. Gerade die gern genutzten Wort- und Informationsradios erreichen selten massenhaft Zuhörer, verursachen aber vergleichsweise hohe Kosten. Trotzdem sind sie ein wichtiges Angebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und sollen solidarisch von allen finanziert werden. Nur mit Beiträgen ihrer regelmäßigen Hörer könnten solche Programme nicht finanziert werden. Würde man mit diesen Hörern einen eigenen Nutzungsbeitrag nur für dieses Angebot vereinbaren, müsste dieser deutlich höher ausfallen als der jetzige Einheitsbeitrag.”

Das wäre genauso, als würde man die Fernsehnutzer, die nur Spartenkanäle wie etwa “Arte”, “3Sat” oder “Phoenix” empfangen wollen, mit einer eigenen Gebühr berechnen.

Wobei die Argumentation auch deshalb noch hinkt, weil kein Medienminister in Deutschland überhaupt verlässliche Zahlen über die Nutzung der öffentlich-rechtlichen Sender hat. Zwar steht – nach Angaben des Statistischen Bundesamtes – in 96 Prozent der Haushalte ein Fernseher. In vielen stehen sogar zwei oder drei. Aber das heißt nicht wirklich, dass man die fehlenden 4 Prozent auch zur Kasse bitten darf, bloß weil man die Kosten “auf mehr Schultern” verteilen will. Dann wird aus einer Gebühr, die bislang an den Besitz der Geräte gebunden war, tatsächlich eine Steuer.

Das Problemfeld tut sich natürlich auf, wo sich die Vertriebskanäle überschneiden. Denn all die Geräte wie die genannten “PCs und Handys” sind ja dazu angelegt, möglichst viele Medienangebote “empfangen” zu können – nicht nur die öffentlich-rechtlichen, die sich hier seit einigen Jahren mit hohen Finanzeinsätzen präsentieren und schon längst mehr bieten als nur eine Programmübersicht. Sie stehen hier in direkter Konkurrenz mit tausenden anderer medialer Angebote, die sämtlich privatwirtschaftlich finanziert sind. Die bloße Empfangsmöglichkeit der multimedialen Angebote von ARD, ZDF, MDR usw. kann nicht wirklich ein Argument sein, für diese einfache Möglichkeit auch eine Gebühr zu kassieren.

Um den Versorgungsauftrag zu erfüllen, brauchen die öffentlich-rechtlichen diese Kanäle nicht. Jedenfalls nicht, so lange in 96 Prozent der Haushalte Fernseh-Empfangsgeräte stehen. Vor wenigen Jahren galt der Vorstoß ins Internet noch als Zusatzangebot in der Argumentation der Öffentlich-Rechtlichen. Jetzt soll er die Ausweitung der Gebührenerhebung begründen.

Das passt alles vorn und hinten nicht zusammen.

Das neue “GEZ”-Portal:
www.rundfunkbeitrag.de

Die sächsische Staatsregierung zum neuen Gebührenmodell:
http://www.medien.sachsen.de/20642.htm

Die Meldung des DEH:
www.einzelhandel.de

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