Was macht man da eigentlich, wenn man selbst den Rathausfraktionen zu schnell ist mit der Berichterstattung? - Am 5. November legte das Sozialdezernat in der Dienstberatung seine neuen Pläne vor, drei weitere Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber in Leipzig zu schaffen. Am 7. November berichtete die L-IZ darüber. Das ist - aus der Sicht des Tagesjournalismus betrachtet - schon recht spät. Der CDU-Fraktion war's augenscheinlich viel zu früh.

Am 9. November stellte die Fraktion eine ganz offizielle Anfrage an den Oberbürgermeister, die sie am 22. November, in der Ratsversammlung gern beantwortet haben möchte. Schriftlich, wie Fraktionsgeschäftsführer Ansbert Maciejewski bestätigt.

“In der Leipziger Internet-Zeitung wurde am 07.11. berichtet über die Drucksache Nr. V/2626. https://www.l-iz.de/Politik/Brennpunkt/2012/11/Asyl-in-Leipzig-Stadtverwaltung-will-drei-neue-Einrichtungen-44749.htm

Die Vorlage war zu diesem Zeitpunkt und auch einen Tag danach den Stadträten nicht bekannt und weder im Ratsinformationssystem eris noch in gedruckter Form verfügbar.

Wir fragen an:
1. Beabsichtigt die Stadtverwaltung auch künftig, Ratsvorlagen zunächst einem ausgewählten Journalisten und erst Tage danach den Stadträten zugänglich zu machen?

2. Falls ja, werden dabei künftig alle Medien gleichermaßen berücksichtigt oder beschränkt sich der Oberbürgermeister weiterhin auf die Unterstützung der journalistischen Tätigkeit des ehemaligen SPD-Stadtverbandsvorsitzenden Gernot Borriss?”

So kommt man zu Ruhm, wenn man einfach seine Arbeit tut wie der “ehemalige SPD-Stadtverbandsvorsitzenden Gernot Borriss”, der den L-IZ-Lesern schon längst bekannt ist als emsiger Reporter aus den sozialen und lokalen Brennpunkten der Stadt. Braucht man dafür ein Parteibuch? – Das glaubt bei der L-IZ schon lange keiner mehr. Wenn wir mal alle ganz viel Zeit haben, dann malen wir hier ein virtuelles Bild davon, wie in Leipzig Informationen fließen.

Wir können auch recht hübsch aufmalen, wie im Rathaus Informationen fließen, wie Entscheidungsprozesse sichtbar werden und wo wann Informationen an die Öffentlichkeit gegeben werden – und wo nicht. Dass es die eingeschworenen Kreise gibt, in denen Informationen ganz nach politischem Kalkül weitergereicht werden – keine Frage. Da hat so Mancher seine ganz besonders direkten Drähte – aber wir verraten hier nicht, wohin.

Mehr zum Thema:

Asyl in Leipzig: Stadtverwaltung will drei weitere Unterkünfte einrichten
Die Leipziger Stadtverwaltung bessert ihr …

Und dass Burkhard Jung damit beschäftigt wäre, nun ausgerechnet die L-IZ mit Informationen zu füttern, können wir wirklich nicht behaupten. Ist auch egal. Es gibt genug Nachrichten auch aus dem Rathaus, die wichtig sind und trotzdem nicht “medial inszeniert” werden.

Die Nachricht zu den drei zusätzlichen Asylbewerberunterkünften war so verschlossen nicht. Der Fachausschuss Jugend, Gesundheit, Soziales und Schule hat sich schon damit befasst, im Stadtbezirksbeirat Altwest hat das Sozialdezernat auch schon vorgefühlt. Das Papier war also bekannt. Nur im Gefolge der Dienstberatung am 5. November war es auch am 7. November noch nicht online freigegeben.

Vielleicht wollte die Stadtverwaltung diesmal erst gründlich in den betroffenen Stadtbezirken vorfühlen, bevor man mit der Sache an die Öffentlichkeit ging. Am 7. November erschien der Beitrag in der L-IZ. Am 8. November schickte die Verwaltung ihre Pressemeldung nach, tags drauf kam die Geschichte nur als etwas kürzere Meldung in der LVZ. Womit die Sache eine etwas andere Wendung nahm als im Frühjahr, als die LVZ als erste das Thema Gemeinschaftsunterkünfte nicht nur besetzte sondern auch noch hochkochte.

Wie sie das tat, ist ja mittlerweile einschlägig bekannt.

Dagegen hilft tatsächlich nur eins: Transparenz. Wozu auch gehört: Man wartet nicht mehr darauf, bis sich im Peterssteinweg jemand ausdenkt, wie eine Geschichte zu funktionieren habe. Man bringt die Geschichte gleich, wenn man sie hat. Da hängt man dann zwar oft so manchen schönen Abend dran, den man über trockenen Papieren in einem der viel zu oft unterschätzten Stadtbezirksbeiräte verbringt. Aber das gehört zum Handwerk. Daheim hinterm warmen Ofen erfährt man nichts. Auch nichts Wichtiges.

Wir wissen zumindest, woher wir die ganzen Informationen haben. Und wir wissen auch, dass die meisten Stadträte dieselben Informationen hätten haben können, wenn sie genauso fleißig wären wie unser Gernot Borriss. Der wirklich niemandem sein Parteibuch zeigen muss, damit sich die Leute mit ihm unterhalten. Wirklich nicht. Er muss nur sagen, dass er von der L-IZ kommt. Das reicht völlig.

Die CDU-Nachfrage:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/%28WebAnfragenNr%29/29CD74B2971546BAC1257AB1002E0702?opendocument

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar