"Die Alarmglocken dürften bei einigen Regionalzeitungs-Verlagen heute noch lauter schrillen als sonst", meldete meedia.de am 25. Juli. "Laut der neuesten Zahlen der ma Tageszeitungen verlor die große Mehrheit der regionalen Titel Leser, erschreckend viele sogar mehr als 10 % in nur einem Jahr."
Fast hatte man schon gedacht, jetzt sei es stiller geworden um die gedruckten Zeitungen. Jetzt stabilisieren sie sich wieder. Doch nichts dergleichen geschieht. Nur einige überregionale Titel haben zugelegt. “Bild, Süddeutsche Zeitung und Die Welt (inklusive Welt kompakt) stemmten sich gegen den Trend und gewannen 1,4% bis 5,0% gegenüber der ma 2011 hinzu”, rechnet meedia vor. “Drastisch nach unten ging es hier hingegen vor allem für die Frankfurter Rundschau und die Financial Times Deutschland, die jeweils mehr als 10% ihrer Leser verloren, auch das Handelsblatt gehört zu den deutlichen Absteigern. Die Süddeutsche Zeitung baut ihren Vorsprung auf die anderen seriösen überregionalen Blätter dank des Wachstums weiter aus.”
Wirklich? Und wie sieht es bei den Regionalzeitungen aus?
“Bei den regionalen Abozeitungen gibt es unterdessen viele rote Zahlen. Dass die Leserzahlen der Blätter zurück gehen, ist keine neue Erkenntnis. Die neuesten Daten erreichen in ihrer Dramatik bei vielen Titeln aber eine neue Eskalationsstufe. So verloren unter den größten Zeitungen und Vermarktungsgemeinschaften gleich 12 mehr als 10% ihrer Leserschaft – in nur einem Jahr.” so meedia und weiter:
“Im ersten Teil unserer alphabetischen Übersicht sieht es vor allem für die Braunschweiger Zeitung, die Mitteldeutsche Zeitung und die Westdeutsche Zeitung schlimm aus – hier liegen die Verluste sogar über der 15%-Marke. Die Zeitungsgruppe Köln (Kölner Stadtanzeiger), die Badische Zeitung, die Berliner Morgenpost und das Hamburger Abendblatt brachen ebenfalls deutlich ein.”
Und dann staunt der Leipziger: “Positive Nachrichten finden sich im ersten Teil der Tabelle nur wenige: Die Leipziger Volkszeitung gewann stattliche 7,8% hinzu, die Märkische Allgemeine 4,8% und der Weser Kurier verharrte immerhin auf seinem 2011er-Niveau. Relativ glimpflich davon gekommen sind zudem die Berliner Zeitung und die Rheinische Post aus Düsseldorf.”Die LVZ auf der Gewinnerspur? Hat sie ein neues Lesepublikum gefunden? Vielleicht gar ein neues Rezept, das jüngere Lesepublikum nun doch vom Internet weg hin zum bedruckten Papier zu locken? 7,8 Prozent Zuwachs – das wäre wirklich eine Trendwende. Wenn das den Jungs aus dem Peterssteinweg gelungen wäre, würden sich die anderen Zeitungsmacher wohl alle die Klinke in die Hand geben in Leipzig und Bauch an Bauch um den hübschen neuen Newsdesk herum stehen und gucken, wie die das machen.
Für die diesjährige ma (Media-Analyse) 2012 Tageszeitungen wurden fast 138.000 Menschen befragt (genau: 137.185), teilt die AGMA mit, die auch für Tageszeitungen – so wie fürs Radio – versucht, eine Art Reichweite zu ermitteln. Das Verfahren ist noch komplizierter. Dabei werden nicht nur die ausgewiesenen Datensätze der IVW zu Grunde gelegt, die quartalsweise die gemeldete Ist-Auflage der einzelnen Titel verzeichnen, es wird auch noch aufgrund der Bevölkerungsstruktur und der eigenen Befragungen ein so genannter “L-Wert” ermittelt, also ungefähr: Wieviel Leser bedeutet eigentlich eine gedruckte Zeitung.
Dabei scheint es im Hause AGMA im letzten Jahr einige Korrekturen gegeben zu haben. Ob das Verbreitungsgebiet der LVZ dazu gehört, war am Wochenende nicht zu ermitteln, ist aber wahrscheinlich. Denn aus den von IVW ausgewiesenen Auflagenzahlen resultiert die Erhöhung der errechneten Reichweite nicht.Denn die 550.000 potenziellen Leser sind die von der AGMA errechnete Reichweite. Dabei würde eine gedruckte LVZ ungefähr 2,55 Lesern entsprechen. Das entspricht haargenau dem Wert, den die AGMA auch der “Sächsischen Zeitung” zubilligt. Die “Freie Presse” in Chemnitz wird von der AGMA mit 2,39 Lesern pro gedruckter Zeitung gewertet, die “Mitteldeutsche Zeitung” sogar mit 2,79 Lesern. Das ergibt, wenn man es auf die Auflagen hochrechnet, doch recht bedeutende Schwankungen in der Reichweite.
Bei der Analyse im Sommer 2011 wurde der LVZ so – bei einer damaligen Gesamtauflage von 218.476 Zeitungen nur eine Reichweite von 510.000 Lesern zugerechnet. Das entsprach einer Zeitung auf 2,34 Leser, ein Wert, der sogar noch unter dem für Chemnitz errechneten lag. Die Korrektur dieses Wertes allein ergibt also für die LVZ eine Reichweitensteigerung von 40.000.
Kleiner Rechenspaß am Rande: Hätte die AGMA auch die 2011er Zahlen mit 2,55 gerechnet, wäre sie auf eine Reichweite von 557.000 gekommen. Die LVZ hätte also in einem Jahr eine Reichweite von über 7.000 Lesern verloren.
Bei der “Mitteldeutschen Zeitung” hat man hingegen einen augenscheinlich viel zu hohen “L-Wert” nach unten korrigiert. Anders ist der scheinbare Absturz von 662.000 auf 570.000 potentielle Leser (satte 16,2 Prozent weniger) nicht erklärlich. 2011 hatte die AGMA noch mit über 3,15 Leser pro “MZ” gerechnet. Und möglicherweise sind die 2,79 jetzt immer noch zu viel.
Media-Analyse fürs sächsische Radio: Wer wird bei der Befragung am Telefon überhaupt noch erreicht?
Nicht mal einen Hauch von einem Zweifel …
Lokalfernsehen in Sachsen: Regional-TV ist besonders bei den Senioren beliebt
Die Sächsische Landesanstalt für privaten …
Wenn Internet-Werbung nur noch auf “Performance” schielt: Der Nutzer als Ware
Die Nachrichten scheinen auf den ersten Blick …
“Reichweite” kaufen: Wie seriöse Werbung Kriminelle im Netz reich macht
Terminlich passte es: Am Mittwoch, 11. April …
Die tatsächlichen Rückgänge bei den gedruckten Zeitungen in Mitteldeutschland sind keineswegs so dramatisch, wie meedia.de oder die seltsame Reichweiten-Rechnerei der AGMA suggerieren wollen.
Die LVZ reiht sich mit einem Rückgang der gedruckten Auflage von 218.476 auf 215.404 Exemplaren (-1,4 %) in ein Umfeld ein, in dem es zwar beständig zurückgeht mit den Käufer- und Abonnentenzahlen. Aber die Rückgänge halten in dieser Größenordnung schon seit Jahren an. Auch wenn sie prozentual bei der “MZ” (-2,78 %), der “Freien Presse” (-2,57 %) und der “Sächsischen Zeitung” (-1,76 %) noch etwas größer sind. Aber selbst in diesen Auflagenzahlen spiegelt sich die durchaus differenzierte demografische Entwicklung in Mitteldeutschland – um die Wachstumskerne Dresden und Leipzig herum sind die Rückgänge etwas geringer.
Trotzdem sind sie da. Auch die Stadtausgabe der LVZ verlor binnen eines Jahres über 3.000 Abonnenten. Die Abonnenten-Zahl ging von 120.648 auf 117.374 zurück. Zusätzlich wurden noch etwa 14.000 Exemplare pro Ausgabe frei Hand verkauft.
Die ausführlichen Erklärungen zum L-Wert: www.agma-mmc.de
Die AGMA-Meldung zur Tageszeitungs-Reichweite: www.agma-mmc.de
Der etwas übertriebene Beitrag von meedia.de.
Keine Kommentare bisher