Man kann schon längst nicht mehr durch Leipzig laufen, ohne an irgendeiner Ecke von einer lauten und schrillen Dummheit angebrüllt zu werden. Mancher nennt das Werbung. Doch bei dem meist völlig unnötigen Versuch, im öffentlichen Raum mit Marktgeschrei die Aufmerksamkeit der Passanten zu bekommen, wird immer wieder gern gelogen, übertrieben oder einfach mit bärischer Gründlichkeit daneben gegriffen. Fußball ist so ein Dauerbrenner des Selbstbetrugs.

Am Freitagabend, 24. August, startete die Fußballbundesliga wieder in ihre Saison mit dem Spiel Dortmund gegen Bremen. Und die ARD bewarb das mit einem Plakat an den Leuchtsäulen der Stadt, auf dem ein Höhlenmensch im Sessel sitzt und mit Stielaugen scheinbar auf die hübschen Bälle seiner Gefährtin glotzt – im Hintergrund aber steht augenscheinlich ein aus Stein gehauener Fernseher, auf dem jemand Fußball spielt.

Der Spruch darüber: “Männer waren schon immer so. Jedenfalls samstags.”Nach der Bilderschwemme zur Fußball-EM könnte man es fast glauben, gäbe es nur nicht so viele Männer im eigenen Bekanntschaftskreis, denen das Gejaule um den Fußball und seine scheinbare Massenwirksamkeit so herzlich egal ist. Es hat ja seinen Grund, dass Reinhard Rauball, Präsident der Deutschen Fußball Liga (DFL), einen Satz sagt wie: “Wir haben in einer schwierigen Lage für den Profi-Fußball ein vorzeigbares Ergebnis erzielt.”

Gesagt hat er ihn zwar 2008, als die DFL dem so genannten öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland eine neue Rekordsumme für die TV-Rechte an den Fußballübertragungen abgehandelt hatte. 412 Millionen Euro pro Saison waren das, die sich auf Premiere, ARD, ZDF und DSF verteilen. Aber es ist Teil einer immer teureren Jagd nach Quote, nach der größtmöglichen Gruppe von Höhlenbewohnern, die bereit sind, sich vor den Apparat zu setzen und sich anzugucken, wie andere Menschen anderswo irgendetwas anstellen. Einem runden Ball hinterherlaufen zum Beispiel.

Da passiert es Werbemalern, die irgendwo in halbdunklen Büros sitzen und sich eine Botschaft ausdenken sollen, die das Phänomen bewerben soll, schon einmal, dass sie glauben, ihr eigenes Welterleben sei auch das anderer Leute. Wenn die Bundesliga beginnt, trötet es doch überall Fußball. Und die Mehrheit der Kerle sitzt vorm Fernseher und trötet mit.

Weil Männer so sind und schon immer so waren. Höhlenbewohner, die sich auch von einem tanzenden Weibchen nicht vom Geschehen auf dem BIldschirm ablenken lassen.
Wer jetzt so das flaue Gefühl hat, bei der ARD pflege man wohl ein sehr, sehr altes und vor allem seltsames Menschenbild, der wird wohl recht haben. Auch wenn die gemessene Zuschauerquote für die “Sportschau” am Feitagabend bei 6,02 Millionen lag, 21,6 Prozent aller Fernsehgucker an diesem Abend. Heißt: Am Freitagabend saßen um die Zeit rund 28 Millionen Zuschauer vor ihren Apparaten und guckten alles Mögliche – 6 Millionen schalteten die Sportschau ein. Vielleicht lauter Männer.

Aber die Statistik sagt: eine Minderheit. Bei rund 40 Millionen männlichen Bewohnern dieses Landes mit seinen Höhlen, Eberfellen und Fernsehern sind 6 Millionen eine kleine Minderheit. Laut zwar, oft viel zu laut. Aber eben nicht mal der größere Teil oder eine dominierende Gruppe.

Das wären sie oft gern. Keine Frage.

Wahrscheinlich kommt man auf solche Macho-Sprüche, wenn man jahraus, jahrein so tut, man sei die repräsentative Öffentlichkeit des Landes, über den TV-Apparat würde die ganze wichtige gesellschaftlche Diskussion laufen. Am nächsten Tag berichten ja alle Zeitungen und Magazine darüber, was für ein Mist am Vorabend wieder in Talkshows oder Familienshows oder eben Fußballshows gelaufen ist. Da muss es doch einfach wichtig und repräsentativ sein. Und man kann doch einfach mal behaupten “Männer waren schon immer so.” Und in einem nur oberflächlich witzigen Plakat die Stereoptype übereinander stapeln.

Die Zahlen und die eigene Erfahrung sagen: Es ist nicht so.

Hingegen scheint es immer offensichtlicher, dass Fernsehmacher in Deutschland sich immer mehr nur noch mit sich selbst beschäftigen und für eine immer kleinere und anspruchslosere Zielgruppe produzieren. Ohne es auch nur wissen zu wollen, für wen eigentlich. Womit sie nicht die einzigen sind, die “irgendwas mit Medien” machen und sich mit Zahlen berauschen, die nur noch einen winzigen Teil der Wirklichkeit abbilden. Leider genau die Wirklichkeit, die “Das Erste” auf seinem Plakat so humorig dargestellt hat.

Kein Wunder, dass die Deutschen so ein Problem mit ihrem Selbstbild haben. Es ist augenscheinlich im Pennälerklamauk des 19. Jahrhunderts stecken geblieben.

Zumindest bei den Leuten, die für die öffentlichen Bilder veranwortlich sind. Der Spot zu diesem Schenkelklopfer hat heute die “Süddeutsche” als sexistisch identifiziert:

www.sueddeutsche.de

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