Neue Bahn beklebt. Große Party. Lieber nicht. Könnte schief gehen bei Facebook. Seit einem Dreiviertel Jahr leisten sich die Leipziger Verkehrsbetriebe ein Social Media-Team. Man hat die Online-Communities für sich entdeckt. Irgendwer im Unternehmen hat sich gedacht, der Verkehrsdienstleister müsste sich ein jüngeres Image geben, wenn schon die Busse und Bahnen immer älter werden. Jetzt hat man gar noch eine ganze Bahn beklebt. Facebook wird's freuen.

Das Ding heißt auch noch Facebook-Bahn und die Macher waren am Freitag, 17. August, sichtlich stolz auf ihr Werk. Ein Aufruf an die Leipziger, sich an der Aktion im Facebook-Auftritt der LVB zu beteiligen, der seit einem Dreiviertel Jahr die Nachrichten des Unternehmens auch noch hübsch aufbereitet im privaten Netzwerk von Facebook verbreitet, brachte knapp 200 Leipziger dazu, sich mit Bild und Botschaft zu melden. Alle irgendwie bestrebt, in kurze Worten zu fassen, warum sie gern in Leipzig leben. Wer genauer hinschaut, sieht ein gut Teil altbekannte Gesichter, ein paar Ich-bin-auch-wieder-Dabeis.

Dazu etliche freundliche Kollegen aus dem Hause LVB und ein paar Unentwegte, die Facebook wirklich für eine Plattform halten, auf der man unbedenklich Spaß haben kann. Einige haben dann doch lieber nicht mitgemacht, weil sie beim Schritt in die mobile Öffentlichkeit merkten, dass es tatsächlich öffentlich ist, was da passiert. Sie meldeten sich dann auf die Aufforderung, ihr Dasein zu verifizieren, lieber nicht zurück und bekamen dann eine freundliche Mail:

“Hallo L., wir hatten Ende April eine E-Mail an alle Teilnehmer der Aktion geschickt, in der wir mitgeteilt haben, dass man noch einmal in unser Service-Center kommen muss um nach Vorlage des Ausweises die Teilnahmebedingungen zu unterschreiben.
Da Sie dieser Aufforderung leider nicht nachgekommen sind, konnten wir Ihr Bild auch nicht mit auf die Bahn nehmen. Schade 🙁
Liebe Grüße /Sylvia”.Sylvia ist Sylvia Wyzisk, eine der beiden aus dem Social Media-Team, wie das nun heißt. Der andere ist Marc Backhaus, der in Leipzig Politik-, Kommunikations- und Medienwissenschaft studiert hat, bei Leipzig Fernsehen eine Weile Lokalfernsehen gemacht hat und seit Ende 2011 nun bei LVBs im Social Media-Team mitmischt.

“Wir freuen uns über die vielen Teilnehmer, die nun auf dieser Straßenbahn ein weit sichtbares Zeichen setzen für unsere Stadt”, sagt Dr. Sabine Groner-Weber, LVB-Geschäftsführerin Personal/Recht und Arbeitsdirektorin. “Die einzelnen Botschaften zeigen auf der einen Seite, dass die Teilnehmer Leipzig lieben und auf der anderen Seite erzählt jede Botschaft und jedes Bild eine ganz eigene Geschichte. Hinschauen lohnt sich also.”

Und: “Für uns als Unternehmen sind die Sozialen Netzwerke ein neuer und wichtiger Kommunikationsweg, um ganz direkt für unsere Kunden ansprechbar zu sein, uns mit ihnen auszutauschen und unseren Service anzubieten. In diesem Dialog lernen auch wir tagtäglich dazu.”Da hört man das Werbegeplapper des Online-Netzwerkes. Und den Glauben eines naiven Unternehmens daran, was da im Netz geschieht, sei unbedenklich. Natürlich wird man gewarnt, wenn man von der Website lvb.de auf die Facebook-Seite des Unternehmens geht. Aber 1.337 Leute ließen sich keineswegs abschrecken, den “Gefällt mir”-Button zu drücken.

Ein paar davon sind jetzt mit ihrem Gesicht auf der Bahn zu sehen, die in ganz Leipzig Werbung für Facebook fährt. Aber irgendwie muss man wohl die Leute motivieren, die Social-Media-Spielchen des Unternehmens mitzumachen. Gibt ja genug Agenturen in Leipzig, die den Leuten einreden, das müsse man unbedingt machen, um – tja – mit den Kunden ins Gespräch zu kommen. Die ganze Stadt verwandelt sich virtuell in eine einzige Plapperbude. “Dialog” nennen es die Marketing-Leute. Jedes Unternehmen legt sich eine eigene Plappergemeinschaft zu und glaubt dann, wenn 22 Leute den “Gefällt mir”-Button drücken, sie seien jetzt endlich mit den Leuten im Gespräch, die sie schon immer erreichen wollten.

Man kann mit einem zweiköpfigen Social Media-Team sicher eine Menge Budenzauber veranstalten, jede bunte Nachricht aus dem Unternehmen kommentieren lassen. Aber schon jetzt, nach wenigen Wochen, plätschert das so lustig und unwesentlich vor sich hin, dass man sich fragt: Wohin wollen die LVB mit diesem “Dialog” eigentlich?Es ist ein wenig wie mit all den Blogs und Social Media-Auftritten, die kleine Agenturen wie Medienrauschen.de aus Leipzig (die den Facebook-Auftritt für die LVB gemacht haben) aufsetzen: Sie füllen die Welt mit noch mehr bunten Nachrichten und Geplapper. Manche Leipziger haben sich mit Hunderten solcher Facebook-Seiten verlinkt, sehen die Nachrichten hereinplappern und sich gegenseitig weiter entwerten.

Irgendwie war der Schauplatz für die Vorstellung der Facebook-Werbebahn schon gut gewählt: gleich am Wilhelm-Leuschner-Platz, wo jetzt noch die City-Tunnel-Baustelle ist und ein paar Liebhaber der Social Media 2014 gern ein schönes buntes Denkmal einweihen wollen, das auch deshalb den meisten Leipzigern nicht gefallen mag, weil es genauso oberflächlich und unverbindlich ist wie die schöne bunte Facebook-Welt. Das Gefühl schiebt sich in alle Ritzen, kleistert die ganze Welt zu.

Die Botschaften, die bei diesem Facebook-Spaß herausgekommen sind, sind bestimmt nett. Aber viele verraten doch, dass hier einige sich sehr bemüht haben, der LVB was Schönes zu sagen. Immer wieder zum Beispiel: “… weil ich schnell von A nach B komme”. Na prima. Dumm nur, dass man nach C ein Extra-Ticket lösen muss. Und die Bahn nach D gerade abgefahren ist.

Aber das ist die Krux all dieser seltsamen Mitmach-Aktionen, von denen Leipzig ebenso überschwemmt wird. Auch sie tendieren zum Banalen, verwandeln alles in eine lustige Party, bekleben Straßenbahnen mit nichtssagenden Freudensprüchen, die ahnen lassen, dass wirklich nichts Wesentliches eingegangen ist bei diesem Aufruf.

Und da das alle machen, schwappt eine Mitmach-Aktion nach der nächsten über die Stadt. Samt Spielchen hier und Anklicken dort. Als wenn die Leipziger nichts anderes zu tun hätten, als RTL-mäßig in die nächste Kamera zu grinsen.

Was dann auch wieder all die Werbebotschaften im öffentlichen Raum entwertet. Man sieht nicht mehr, was wichtig ist oder neu. Denn alles schreit nach Aufmerksamkeit. Nun auch noch die LVB, die es nicht mal fertig bringt, eine Niederflurstraßenbahn einfach mal unbeklebt fahren zu lassen. “Ich hoffe, dass die Bahn recht lange durch Leipzig fährt”, sagt Groner-Weber.

Wer genug von diesem ewigen Party-Spaß hat, der schaltet ab, loggt sich aus, macht die Augen zu, wenn diese Bahn vorbei fährt.

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