Eben war noch Buchmesse in Leipzig. Da tanzte die ganze Stadt um das Buch. Und die Leipziger Messe sang ein bisschen das Lied vom E-Buch. Da und dort klang es schon so, als stünde schon fest, dass es Bücher künftig nur noch auf dem Bildschirm und nicht mehr in Papierform gäbe. Das Institut für Marktforschung Leipzig (IM Leipzig) hat kurz nach der Buchmesse vom 22. bis 24. März 1.515 Bürger Mitteldeutschlands befragt: Wie steht's denn wirklich um das Buch?

Erste Lautmeldungen von Verlagen und Autoren gab es ja auch auf der Messe. Es gibt auch schon die rein auf das elektronische Buch fixierten Verlage oder Verlagsteile, es gibt auch Autoren, die primär für elektronische Medien schreiben. Das muss nicht unbedingt der Tablet-PC oder der E-Book-Reader sein. Das kann auch das Smartphone sein. Irgendwie macht sich im Jahr 2012 so langsam die Erkenntnis breit, dass sich mit der Erfindung des Internets und den immer neuen Generationen von Endgeräten auch in der Gesellschaft etwas ändert.

Zumindest im gesellschaftlichen Diskurs unübersehbar. Denn der rasante Aufstieg der Piratenpartei seit der Berlin-Wahl im letzten Jahr steht ja nicht für eine neue politische Farbe, sondern für eine Fehlstelle in der modernen Politik. Transparenz ist ein Stichwort dabei, freier Zugang zu relevanten Informationen ist ein anderes, neue Kommunikation auf Augenhöhe ein drittes … Wenn man das einfach mal durchdekliniert, sehen etliche der etablierten Parteien in Deutschland und ihre Vertreter ziemlich alt aus. Und nicht wirklich gut, denn etliche von ihnen vertreten sogar mit bissiger Nibelungentreue das Vorrecht der politischen Klüngel auf Informiertheit, Entscheidungshoheit und Diskursverweigerung.

Was hat das mit elektronischen Büchern zu tun? – Eine Menge, wie die Umfrage des Instituts für Marktforschung zeigt.

“Jeder Zehnte in Mitteldeutschland liest Bücher bereits elektronisch”, heißt zum Beispiel eine Essenz der repräsentativen Umfrage unter 1.515 Befragten ab 14 Jahren in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Dabei geben 6 Prozent der Befragten an, für das Lesen einen E-Book-Reader zu verwenden und weitere 3 Prozent nutzen dafür einen Tablet-PC. Und: Besonders verbreitet ist das Lesen von Büchern auf elektronischem Weg bei den unter 20-Jährigen. Hier greift bereits mehr als jeder Dritte (37 Prozent) zu elektronischen Lesemöglichkeiten.Und da liegt der Hase wohl im Pfeffer. Jeder neue Jahrgang, der gar keine andere Welt als diese kennt, in der das Internet (fast) überall verfügbar ist genauso wie ein allgegenwärtiges Mobilfunknetz, wächst damit auf, dass elektronische Zugangsgeräte selbstverständlich sind. Man hat sie einfach. 59 Prozent der 14- bis 59-Jährigen besitzt ein Smartphone, 19 Prozent besitzen einen Tablet-PC, 31 Prozent einen E-Book-Reader. Sie sind in Sachen Kommunikationstechnologie ganz selbstverständlich mobil. 37 Prozent sagen zwar, dass sie nichts davon besitzen, aber das kann reine soziale Ursachen haben oder auch ein fester PC-Anschluss ist die Hauptzugangsstelle zum Netz.

Bei den 20- bis 29-Jährigen sind die Werte nicht ganz so hoch. Aber auch hier haben 47 Prozent ein Smartphone, 14 Prozent einen Tablet-PC und 7 Prozent einen E-Book-Reader.

Kleine Einschränkung: Dass die Werte bei den 14- bis 19-Jährigen gerade beim E-Book-Reader so stark abheben, könnte auch mit der relativ kleinen Zahl der hier Befragten zu tun haben. 94 Befragte weist das IM Leipzig für diese Altersgruppe aus. Was dann 29 junge Leute mit E-Book-Reader bedeutet. Die 7 Prozent bei den 194 befragten 20- bis 29-Jährigen sind dann immerhin auch 14 Personen. Und die 5 Prozent bei den 464 befragten 30- bis 49-Jährigen sind dann immerhin 23 Personen.

Aber der Trend ist deutlich: Je jünger die Befragten, umso häufiger sind sie mit mobilen Endgeräten unterwegs und haben auch einen E-Book-Reader. Und so stellt auch das Institut für Marktforschung fest: “Es zeigt sich darüber hinaus, dass relativ neue Kommunikations- und Arbeitsmittel vor allem von den unter 30-Jährigen genutzt werden. So nutzt in dieser Altersgruppe mittlerweile fast jeder Zweite ein Smartphone, jeder Fünfte bis Sechste einen Tablet-PC …”

Und: Die jungen Leute sind auch häufiger in einem so genannten sozialen Netzwerk unterwegs. Während bei den über 65-Jährigen sich nur 1 Prozent in einem dieser Netzwerke eingetragen hat, liegt der Wert bei den 50- bis 64-Jährigen bei 6 Prozent, bei den 30- bis 49-Jährigen bei immerhin 28 Prozent. Und bei den Generationen, die praktisch mit dem Internet aufgewachsen sind, liegen die Werte bei 72 Prozent (20 bis 29 Jahre) und 81 Prozent (14 bis 19 Jahre).Und wenn man jetzt erfährt, dass unter den Mitstreitern der Piratenpartei genau diese Netzwerke hauptsächlich für die Netzwerkbildung, den öffentlichen und den internen Diskurs genutzt werden, dann darf man wohl ahnen, woher der starke Aufschwung der Piratenpartei in den letzten Jahren kommt. Und dass für die möglichen Sympathisanten dieser Bewegung Dinge wie Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik erst einmal nicht die Megathemen sind, sondern Dinge wie Transparenz, Informationsfreiheit und öffentlicher Meinungsbildungsprozess.

Unwichtig für eine moderne Gesellschaft mit all ihren Experten und Spezialisten? – Gerade das nicht. Gerade die so genannte “Informationsflut” und die Komplexität der modernen Welt schreit geradezu nach transparenten Formen der politischen Teilhabe. Übrigens nicht erst seit 2011. Die Anforderungen etwa an die Leipziger Stadtverwaltung, politische Entscheidungen für die Bürger transparenter zu machen, füllen längst ganze Regale. Nur stehen die Verwalter der alten Deutungshoheit vor dem Thema wie einst der sprichwörtliche Ochse vorm neuen Tor: Er hat verdammte Angst, da hindurchzugehen, weil er nicht weiß, was dann passiert.

Das trifft nicht nur auf Leipziger Lokalpolitik zu. Das trifft genauso auf die Hinterzimmerpolitik von Land und Bund und EU zu. Weswegen die Piratenpartei mit einiger Zwangsläufigkeit in ein Parlament nach dem anderen einziehen wird.

Die aber auch lernen muss. Denn andererseits nimmt man bei all den Diskussionen um Informationsfreiheit noch nicht so recht wahr, dass freier Informationszugang, Wahrung von Urheberrechten und Datenschutz alle miteinander zu tun haben. Eins geht nicht ohne das andere. Und gerade die “sozialen Netzwerke” machen in großen Teilen noch vor, wie es nicht funktionieren kann.

Deswegen hat das Institut für Marktforschung auch nach dem Bewusstsein für den Schutz eigener Daten gefragt. Die Diskussion darum hat – wie es scheint – auch in Mitteldeutschland zu einer stärkeren Sensibilisierung des Umgangs mit persönlichen Daten geführt.

51 Prozent der befragten Internetnutzer (1.084 Personen) geben an, jetzt stärker darauf zu achten, welche persönlichen Informationen sie im Internet preisgeben, für weitere 20 Prozent hat die Diskussion sogar einen sehr großen Einfluss und sie denken auch darüber nach, aus “sozialen Netzwerken” auszusteigen. Auch 10 Prozent der Mitglieder in sozialen Netzwerken haben einen Ausstieg zumindest in Erwägung gezogen, 25 Prozent der Internetnutzer, die nicht Mitglied in einem sozialen Netzwerk sind, wollen gar keine persönlichen Daten mehr im Internet öffentlich machen.

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