Wem die Nachrichten nicht passen, der muss sie selber schreiben. Das scheint sich die sächsische NPD gedacht zu haben. Mit neun Regionalzeitungen möchte die Neonazi-Partei künftig den Medienmarkt aufmischen. Ein Vorhaben, das zum Scheitern verurteilt ist.
Sie sehen bunt aus, sind vier Seiten stark und tragen so kreative Namen wie “Leipziger Stimme”, “Elb-Röder-Echo” oder “Deitsch und Frei”. Insgesamt möchte die NPD 250.000 Exemplare ihrer neuen Faltblätter mit “nationalen Nachrichten” unters Volk bringen. Für die finanzschwache Partei ein kostspieliges Vorhaben, mit dem sie die “Schweigespirale der Systemmedien” durchbrechen möchte. Fragt sich nur, ob die NPD den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht? Spätestens seit dem NSU-Skandal wird ihren Aktivitäten in allen tagesaktuellen Medien erhöhte Aufmerksamkeit zuteil. Allein seit Jahresbeginn berichtete L-IZ.de über 40 Mal in Zusammenhang mit der Splitterpartei. Wenn man bedenkt, dass sie in Sachsen nur etwa 700 Mitglieder aufweist und sie auf der politischen Bühne nahezu bedeutungslos ist, erscheint dies nicht gerade wenig.
Vielleicht gefallen der NPD die Nachrichten nicht, die ihre Anhänger über sie produzieren? Wer rühmt sich auch schon gerne mit möglichen Kontakten zu Terroristen, jeder Menge Krimineller in der Anhängerschar und internen Querelen ohne Ende? Um das vorgebliche Mammut-Projekt trotz dünner Personaldecke zu stemmen, bedient sich die Partei eines Kniffs, der in der kapitalistischen Medienwelt längst gang und gäbe ist: Horizontale Konzentration. Was soviel bedeutet, wie das gewisse Inhalte in allen Regionalausgaben identisch sind. Was beim Madsack-Verlag bald der Mantel sein wird, sind bei der NPD Seite 2 und 3. Sächsische Denkmalpflege, der EU-Rettungsschirm und hohe Benzinpreise sind Themen, die aus Parteisicht alle Sachsen interessieren könnten. Statt objektiv zu informieren, vermengen die Autoren Fakten mit politischer Propaganda. So fordern sie lauthals den Ausstieg aus dem Euro-Rettungsschirm, die Wiedereinführung der D-Mark und agitieren vor dem Hintergrund des Spritpreises gegen die EU.
Der Titel der hiesigen Lokalausgabe ist keine Neukreation. Bereits 2009 verteilte der örtliche Kreisverband vor der Kommunalwahl eine Postille gleichen Titels. Auch damals war das Blatt 4 Seiten dick und bediente sich rechter Parolen mit Leipzig-Bezug. Die sächsische NPD hat also keineswegs das Rad neu erfunden, sondern bestenfalls wieder entdeckt. In der aktuellen Ausgabe versucht die Partei mit der drohenden Abwanderung der “Classic Open” Leser zu gewinnen. Sie wettert gegen Sebastian Hartmanns “demokratische Theater-Kunst” und “Polit-Christentum ‘gegen Rechts'”. Das Vorwort des Vorsitzenden Helmut Herrmann erschien bereits vor zwei Monaten auf der Homepage des Kreisverbands und nimmt in keinster Weise Bezug auf die Inhalte der Zeitung. Aktualität sieht anders aus.
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Bleibt abzuwarten, in welchem Turnus die NPD ihre Postillen verteilen möchte. Scheinbar ist man sich in Parteikreisen bewusst, dass die Herausgabe eines zentral produzierten Printmediums mit regionalem Touch viele Ressourcen in Anspruch nimmt. Denn neben den neun Heften präsentierte die Partei heute die Internetseite “Blickpunkt Sachsen”. Das Portal wird mit Beiträgen aus den Postillen, Kurzmeldungen und Werbevideos gefüttert. Herausgeber des Diensts ist ein “Medienverbund Blickpunkt Sachsen”, dessen Anschrift identisch mit der des Parteiverlags “Deutschen Stimme” in Riesa ist. Die Redaktion besteht nahezu ausschließlich aus NPD-Funktionären. Geleitet wird sie von Fraktionssprecher Thorsten Thomsen.
Die Idee, mit als Lokalmedium getarnten Parteizeitungen Anhänger zu ködern, ist innerhalb der Partei keineswegs neu. Der Thüringer Landesverband, der das Konzept entwickelte, ließ erst Anfang April zehn verschiedene Blätter verteilen. Auflage nach Eigenangaben: 180.000 Exemplare.
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