Im thüringischen Erfurt ist man Leipzig ein Stück voraus. Dort wurde am 29. Februar die erste Stadtratssitzung live ins Internet übertragen. Nun will sich die Leipziger Linksfraktion damit schmücken, auch hier die kommunalpolitische Arbeit transparenter zu machen. Ihr Antrag stand heute mit einem Ergänzungsantrag der Grünen-Fraktion zur Abstimmung im Stadtrat.
“Die Live-Übertragung von Ratsversammlungen über das Internet ist eine gute Möglichkeit, interessierten Bürgern das politische Geschehen in Leipzig nahe zu bringen. Das Internet bietet eine hervorragende Plattform, um die anstehenden kommunalpolitischen Entscheidungen an die Zielgruppen heranzutragen, welche bislang nur schwer zu erreichen waren. Das gilt auch für Menschen, die zwar außerhalb unserer Region wohnen, aber am Leben unserer Stadt Anteil nehmen wollen”. So steht’s also geschrieben im Antrag der Linken.
Da es verschiedene technische Möglichkeiten und Formate gibt, soll nun also der Oberbürgermeister bis Ende Mai ein kostengünstiges Konzept vorschlagen, dass die optimale Umsetzung gewährleisten soll. Die Übertragung einer Sitzung würde wohl dann um die 3.500 bis 4.000 Euro kosten. Gelder, die die Stadt nicht hat.
Dennoch wollen B90/Die Grünen mit ihrem Ergänzungsantrag die Live-Stream-Übertragung öffentlich ausschreiben und die größtmögliche Anzahl geeigneter Bieter berücksichtigen. Begründung: “Das öffentliche Interesse an gelebter Demokratie im maximalem Umfang zu fördern, sollte höchster Anspruch des Stadtrates sein. Insofern sollte nach einer zwingend nötigen Ausschreibung nicht nur ein Bieter zum Zuge kommen, sondern alle – gern auch parallel – die geeignet sind und eine seriöse Berichterstattung gewährleisten.”
Inwieweit sich hier normales Presserecht und die Wünsche nach einem erwählten Anbieter ohne Bezahlung die Klinge kreuzen, bleibt heute noch undebattiert.Nach Informationen der Leipziger Internet Zeitung ist die Machbarkeitsprüfung der Verwaltung weitgehend abgeschlossen. Die Übertragung solle durch die Lecos gewährleistet werden, das hat Oberbürgermeister Burkhard Jung auf Nachfrage der CDU zudem bereits bestätigt. Es sollen der Verwaltung auch schon Angebote von journalistischen Medienunternehmen vorliegen, die die Ratssitzungen dann filmen und natürlich der Stadt das Material zur Verfügung stellen würden. William Grosser (Die Linke) greift bei der Begründung des Antrages in einem Redebeitrag hoch und findet dort den zitierfähigen Martin Luther: “Das Volk kann uns aufs Maul schauen.”
Es zeige den demokratischen Anspruch, der hier in Leipzig vorherrsche.Ingo Sasama von den Grünen sieht die Sache pragmatisch: “Wenn die Tribüne leer ist, dann ist das nicht Ausdruck von Desinteresse, sondern eher der späten Stunde der Ratsversammlung geschuldet.” Der Stadtrat unterstreicht in seiner Rede, dass mit einer Livestream-Übertragung zudem auch die teils skurilen Beitrage der NPD-Mitglieder im Leipziger Stadtrat öffentlicher würden.
Und wie um zu beweisen, wie sich die NPD im Leipziger Stadtrat verhält, tritt Klaus Ufer anschließend ans Rednerpult und verteufelt diese neumodischen Techniken. Jaja, der Computer, das fremde Wesen. “Eine Live-Übertragung über das Internet ist keine gute Idee.”, so seine Meinung zum Antrag. Sein Redebeitrag wird von schallendem Gelächter begleitet.
Ansbert Maciejewski (CDU) hat noch eine Verständnisfrage: “Was soll da ausgeschrieben werden – Technik oder redaktionell?” Grosser antwortet, dass die Gesamtleistung ausgeschrieben werden solle.
Deutlich skeptischere Worte findet hingegen Gerhard Pötzsch (SPD), angesichts einer zukünftigen Rolle der Leipziger Stadträte als Internetstars: “Mir graut vor den Zeiten, ein permanentes Schaulaufen zu haben.” Ihm geht eine Live-Übertragung der Ratsversammlung eindeutig zu weit “und das auf Kosten der Steuerzahler”. Er lehnt den Antrag ab.
Zu eben jenem Aspekt der Ausschreibung und der Kosten hat dann der Oberbürgermeister Burkhard Jung für heute das letzte Wort. “Es ist ein gutes Instrument, um zu zeigen, in welcher Qualität unsere Debatten laufen.” Er weist daraufhin, dass es ihm sehr wichtig sei, dass durch das vorzulegende Konzept keine Kosten für die Stadt entstehen würden.
Nun wird also der Antrag der Links-Fraktion plus dem Ergänzungsantrag der Grünen mit der Ergänzung aus dem Verwaltungsstandpunkt bis 31. Mai ein Konzept vorzulegen, mit dem Ziel, keine Kosten für die Stadt entstehen zu lassen und den stadteigenen Technikanbieter Lecos in die Arbeiten mit einzubeziehen, abgestimmt.
Dagegen sind Teile der Bürgerfraktion und der SPD. Damit ist der Antrag mehrheitlich angenommen. Die Verwaltung soll nun also der “Ratsversammlung ein konzeptionellen Vorschlag zur Beschlussfassung hinsichtlich der juristischen, technischen und wirtschaftlichen Realisierbarkeit einer Live-Stream-Übertragung vorlegen”.
Zu klären hat damit die Verwaltung wohl hauptsächlich, wie lange die gefilmten Inhalte im Netz bleiben sollen. Ob dann wie in Erfurt nur das Rednerpult oder der gesamte Raum aufgenommen werden dürfen, steht auch noch in den Sternen. Ebenso wohl in welcher Qualität sich die Liveübertragung im Netz wiederfinden soll. Und ob dann ab und zu eine Werbeunterbrechung erscheint.
Interview mit Datenschützer Andreas Schneider auf sz-online
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2901531
Livestream Stadtrat Erfurt
http://www.erfurt.de/ef/de/rathaus/stadtrat/sitzungen/#live
Keine Kommentare bisher