Als einzige Schule Sachsens steht die Geschwister-Scholl-Schule in Leipzig-Gohlis in der letzten Runde des renommierten Wettbewerbs um den Deutschen Schulpreis 2024. Sie gehört zu den 15 Nominierten, die am 2. Oktober in Berlin am Finale teilnehmen. Im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung wird Bundeskanzler Olaf Scholz dann die sechs Preisträger küren. Kathrin Riedel, Direktorin der Geschwister-Scholl-Schule, spricht im Interview über ihr Schulkonzept, berufliche Herausforderungen und politische Verantwortung, denn: „Die Kinder von heute sind die Bürger von morgen.“

Frau Riedel, Ihre Schule gehört zu den 15 deutschen Schulen, die um den deutschen Schulpreis 2024 kämpfen. Was hat Ihre Schule, was andere Schulen nicht haben?

Unser Schulmotto heißt „Vielfalt gemeinsam leben“, dem wir uns sehr stark verbunden fühlen. Wir orientieren uns beim Schulalltag und bei den Lernarrangements an den Bedürfnissen der Kinder und nutzen die Vielfalt und Heterogenität unserer Schülerschaft als wichtige Ressource für ein gutes Schulleben und Schulklima. Dies bringt schon unser Titel „Kinderrechteschule“ mit sich.

Unser Unterricht ist stark ritualisiert und strukturiert. Dies gibt den Kindern Sicherheit im Alltag und sorgt für mehr und intensivere Lernzeiten. Ein Teil dieser Rhythmisierung ist eine tägliche Lesezeit aller Kinder, um die Lesekompetenz zu stärken, aber auch eine tägliche Arbeitszeit mit einem individuellen Wochenplan. Hier sollen die Kinder lernen, Verantwortung für sich und ihr Lernen zu übernehmen und Selbstwirksamkeit erfahren.

In unserer Schule lernen Kinder mit und ohne Förderbedarfe. Durch den Aufbau unseres Unterrichts können alle Kinder so auf ihrem Weg ans Lernziel kommen.

Frau Kathrin Riedel, Direktorin der Geschwister-Scholl-Schule. Foto: privat
Kathrin Riedel, Direktorin der Geschwister-Scholl-Schule. Foto: privat

Wie haben Sie, die Lehrer/-innen und die Schüler/-innen, sich denn auf den Preis bzw. das ganze Prozedere um den Preis vorbereitet?

Wenn man sich um den Deutschen Schulpreis bewirbt, steht man vor einer großen Herausforderung. Man muss alle wichtigen Informationen zur eigenen Schule zusammentragen, reflektieren, ob man den sechs Qualitätskriterien des Preises entspricht und dies punktgenau auf zehn Seiten festhalten. Bei diesem Prozess geht es oft sehr in die Tiefe. Man gewinnt Erkenntnisse über die eigene Arbeit und muss sich darauf fokussieren, dass „fremde Menschen“, also die Jury, verstehen, was wir an unserer Schule tun.

Nahezu täglich bekommt man mit, wie der „Alltag“ an deutschen Schulen aussieht, Stichworte: bauliche Probleme, Autoritätsverlust, Gewalt, Unterrichtsausfall, Notendruck. Nun befinden wir uns ganz kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen. Auf vielen Plakaten der Parteien wird jetzt auch mit dem Thema Bildung geworben und was sich ändern muss. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die Plakate sehen? Sehen sie das politische Thema Bildung optimistisch?

Das Thema Bildung ist schon viele Jahre ein Wahlkampfthema und gerät am Ende oft in die Mühlen der Politik. Alle haben verstanden, dass sich viel verändern und entwickeln muss, aber es gibt kein Rezept. Es gibt aber wissenschaftliche Erkenntnisse und Studien, die klare Bedingungen benennen. Leider fehlt uns oft der Mut dazu, größere Schritte zu gehen.

Dies macht mir manchmal Sorge, denn die Schüler und Schülerinnen, die jetzt und zukünftig in unseren Schulen lernen, müssen auf eine ganz andere Zukunft und Arbeitswelt vorbereitet werden als Menschen in meinem Alter oder ihre eigenen Eltern. Die gesellschaftlichen Herausforderungen dahingehend sind groß – und da spreche ich noch nicht vom Lehrermangel und den veralteten Schulgebäuden.

Sie sind jetzt seit über 20 Jahren Lehrerin – würden Sie heute auch noch mal den Beruf wählen?

Ja, unbedingt. Mein Berufsziel war damals die Lehrtätigkeit in den oberen Klassen. Aus politischen Gründen durfte ich jedoch nur in Klasse 1–4 meine Ausbildung machen. Heute bin ich sehr froh darüber und freue mich jeden Tag über die Kinder. Sie spüren sehr genau, wenn sie wahr und ernst genommen werden und zeigen uns oft deutlich an, wenn sie selbst Hilfe und Unterstützung brauchen.

Die Kinder von heute sind die Bürger von morgen. Daher verstehe ich mich ganz oft als ihr Fürsprecher und Begleiter bei diesem Prozess. Hier müssen wir Erwachsenen noch viel lernen.

Im Namen ihrer Schule „Geschwister Scholl“ steckt eine Menge Verantwortung. Sie leben diese Verantwortung mit den Schüler/-innen im Alltag. Erzählen Sie doch bitte einmal, welche verschiedenen Aktionen es hier gibt.

Obwohl unsere Schule von allen nur liebevoll „Die Scholli“ genannt wird, sind wir uns des traditions- und verantwortungsvollen Namens bewusst. Die Geschwister stehen für eine klare politische Position, für Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie und Menschlichkeit. Diese wichtigen Werte sind in unserem Schulalltag allgegenwärtig.

Wir leben eine demokratische Schulkultur, das heißt, dass auch die Kinder demokratisch gewählte Vertreter haben, die für die Belange aller Kinder eintreten. Sie versammeln sich alle vier Wochen im Kinderrat der Schule. In allen Lerngruppen gibt es einmal wöchentlich den Klassenrat, in dem Fragen rund um den Klassenalltag besprochen werden können und demokratische Abstimmungen erfolgen.

Einmal im Jahr (in der Nähe des Todestages) führen wir den „Tag der Geschwister Scholl“ durch. An diesem Tag setzten sich alle Jahrgangsstufen mit dem Leben von Hans und Sophie auseinander. Sie schreiben Flugblätter, führen Pro- und Kontra-Diskussionen oder beschäftigen sich mit der Symbolik der „Weißen Rose“. Diese steht übrigens für alle sichtbar am Eingangstor unserer Schule.

Danke und die Daumen sind fest gedrückt für den 2. Oktober, den Tag der Preisverleihung!

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar