Die entscheidenden Jahre, als Sachsen sich die notwendigen Lehrerinnen und Lehrer sichern konnte, hat die sächsische Staatsregierung gründlich verschlafen. Man hat lieber gespart, junge Bewerber nicht eingestellt und genau das produziert, was jetzt zu den normalen Meldungen aus dem sächsischen Kultusministerium gehört: Millionen Stunden an Unterrichtsausfall. 8,8 Prozent Stundenausfall meldete das Kultusministerium zum ersten Schulhalbjahr 2023/2024.
Und das ruft jetzt beim Landeselternrat (LER) auch nur noch zynische Kommentare hervor. Alles war absehbar. Sehend Augen haben CDU-Bildungsminister/-innen einen Notstand herbeigeführt, der jetzt auf Jahre hin nicht mehr reparabel erscheint.
„Die Menge an Ausfallstunden in den öffentlichen Schulen im Freistaat Sachsen ist erneut gestiegen und hat längst ein katastrophales Ausmaß erreicht. Insbesondere an Ober- und Förderschulen fällt im Mittel mehr als jede achte Unterrichtsstunde aus“, fasst der Landeselternrat Sachsen das Dilemma zusammen, das hinter der Meldung des Kultusministeriums steckt.
„Hinzu kommen Vertretungsstunden, die auch nur bedingt als regulärer Unterricht gelten können. Einzelne Fächer können zum Teil nicht mehr sinnvoll abgedeckt werden, fallen wochen- oder monatsweise ganz weg und können beispielsweise als Prüfungsoption für Schülerinnen und Schüler an Oberschulen nicht angeboten werden. Wenn man nun gerade in Physik besonders gut ist, aber das Fach aufgrund des Mangels nicht geprüft wird, hat man schlicht Pech.“
Von einer chancengerechten Bildung für alle Schülerinnen und Schüler könne man unter diesen Umständen nicht mehr sprechen, stellt der Landeselternrat fest. „Die individuellen Bildungschancen unserer Kinder hängen von der Schulform, dem Wohnort oder schlicht dem Zufall ab.“
Mahnungen nicht wirklich ernst genommen
Doch das Beklemmende dabei ist: Die Herausforderungen des fehlenden Personals in Schule sind nicht neu. Seit mehr als zehn Jahren weisen Elternvertreterinnen und Elternvertreter aus ganz Sachsen immer wieder auf die Missstände hin.
Zudem sei eine weitere Verschärfung der Situation in den nächsten Jahren zu befürchten, merkt der Landeselternrat an. Denn: „In Sachsen weist die Altersstruktur bei Lehrkräften eine starke Schieflage auf. Auf der einen Seite sind über 6.200 Lehrkräfte älter als 60 Jahre, auf der anderen Seite weniger als 2.700 jünger als 30 Jahre.“
Besonders massiv treffe diese Schieflage auf den ländlichen Raum. Im Kreis Görlitz sei, Stand jetzt, die Anzahl an Lehrkräften oberhalb 60 Jahren mehr als fünfmal so groß wie im Altersbereich jünger 30.
„Wir brauchen dringen mehr Lehrkräfte und Menschen in unseren Schulen. Multiprofessionelle Teams, Assistenzen, Schulsozialarbeiter, Hilfskräfte für Verwaltung, Techniksupport und Schwimmbegleitung können Lehrkräfte entlasten“, betont der Landeselternrat in seiner Kritik an der sächsischen Bildungspolitik.
„Außerschulische Partner und Fachleute können unterstützen und ergänzen. Wir müssen unsere Lehrpläne hinterfragen und entschlacken, flexible Lösungen ermöglichen und Freiräume schaffen. Wir müssen Anreize setzen und Barrieren reduzieren z.B. bei der Anerkennung von Abschlüssen, aber auch bei der Ausbildung der Lehrkräfte. Neue Wege wie die duale Ausbildung von Lehrkräften sind zu erproben.“
Aber so richtig ernst scheint das sächsische Kultusministerium die Lage immer noch nicht zu nehmen, merkt der LER an: „Mit Verwunderung haben wir als LER die Antwort auf unsere Nachfrage nach Seiteneinsteigern für das zweite Halbjahr 2023/24 zur Kenntnis genommen: ‚Insgesamt haben sich 730 Personen als Lehrkraft im Seiteneinstieg beworben. Bisher wurden 122 geeignete Lehrkräfte im Seiteneinstieg in den Landesschuldienst übernommen.‘
Das sind weniger als 20 Prozent. Mit einem Augenzwinkern könnte man vorschlagen, die grundständig ausgebildeten Lehrkräfte in Landesamt und Ministerium tageweise in unsere Schule zu delegieren. Diese erfüllen hoffentlich die eigenen hohen Anforderungen und entlasten konkret die Schulen vor Ort.“
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