Ja, ja, die Ausländer sind schuld. Nun auch noch an den miesen Ergebnissen sächsischer Schüler im PISA-Test. So kann man die Aussagen von Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) am 13. Dezember in der LVZ natürlich interpretieren. Und so sind sie auch gemeint. Sie lenken von jahrelang falscher Bildungspolitik im CDU-geführten Kultusressort ab. Von der GEW, Grünen und Linken gibt es dafür deutliche Kritik.

Die Aussagen des sächsischen Kultusministers Piwarz in der Leipziger Volkszeitung (LVZ), wonach migrierte Kinder eine Ursache für das schlechte Abschneiden des Freistaates in der PISA-Studie seien, kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) als Versuch, von hausgemachten Problemen abzulenken. Vielmehr werden die Ursachen verfehlter Bildungspolitik im Freistaat Sachsen derzeit immer deutlicher.

„Kultusminister Piwarz hat zwar recht, dass unser Bildungssystem an der absoluten Belastungsgrenze ist. Doch das Problem entstand nicht plötzlich durch die Zuwanderung, sondern ist Ergebnis jahrelang verfehlter Bildungspolitik“, sagt Burkhard Naumann, Landesvorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW in Sachsen.

„Der Umgang mit Heterogenität ist das Hauptproblem, das zeigen die PISA-Ergebnisse. Denn nach wie vor hängt der Bildungserfolg junger Menschen deutlich stärker von der sozialen Herkunft ab, als von der eigenen Lern- und Leistungsfähigkeit. Deshalb fällt die Integration von Kindern aus anderen Ländern mit teils traumatischen Erfahrungen so schwer. Hauptgründe sind die Überlastung der Lehrkräfte und die fehlenden Unterstützungssysteme.“

„Eine unverantwortliche Augenwischerei“

Eine von der GEW Sachsen beauftragte Arbeitszeitstudie zeigt, dass Lehrkräfte aufgrund der Überlastung Abstriche bei der Bildungsqualität machen müssen. Daher fordert die GEW ein Paket an Maßnahmen, das dem entgegensteuert. Der Vorschlag des Kultusministers zur Verdoppelung der Assistenzstellen an Schulen und Bemühungen in der frühkindlichen Bildung ist dabei ein richtiger Schritt.

„Doch das allein wird nicht ausreichen. Wir benötigen an den Schulen auch IT-Fachkräfte beim Ausbau der Digitalisierung, mehr Zeit für Fortbildungen, einen Ausbau der Schulsozialarbeit, eine Weiterentwicklung der Schulassistenz zum Programm multiprofessioneller Teams sowie mehr Investitionen in Schulbau und in die digitale Infrastruktur“, sagt Burkhard Naumann.

„Für so ein Paket an Maßnahmen ist jedoch deutlich mehr Geld nötig. Hier darf das Finanzministerium nicht auf der Bremse stehen, sondern Wege suchen, damit wir für die kommenden Generationen alles Nötige tun, um einen Ausweg aus dem Bildungsnotstand zu finden.“

Gleichzeitig warnt die GEW eindringlich davor, migrierte Schülerinnen und Schüler für die bestehenden Probleme verantwortlich zu machen.

„Das Problem entstand nicht durch Zuwanderung, sondern durch jahrelang verfehlte Bildungspolitik. Jetzt die knapp 13 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund für den Kollaps des sächsischen Bildungssystems in die Verantwortung zu nehmen, wie es in der jüngeren Zeit nicht nur vom Kultusministerium, sondern auch vom Ministerpräsidenten gemacht wird, ist eine unverantwortliche Augenwischerei und schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagt Naumann.

Jahrelange Rotstift-Politik an Sachsens Schulen

Und auch Christin Melcher, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, widerspricht den Aussagen von Piwarz.

„Geflüchtete Kinder und Jugendliche tragen nicht die Schuld dafür, dass das System nicht funktioniert. Ich halte die Aussagen von Minister Piwarz zumindest in Teilen für äußerst gefährlich. Die Probleme im Schulsystem hat die CDU zu verantworten, die seit Jahrzehnten das Kultusressort in Sachsen führt. Es war schließlich die CDU, die jahrelang Lehrkräfte an den Grenzen Sachsens abgewiesen und im Bildungsbereich den Rotstift angesetzt hat“, sagte Melcher am Mittwoch.

„Bildung ist ein Grundrecht – es gilt ausnahmslos für alle, auch für Geflüchtete. Und Bildung ist der Schlüssel für Integration und gesellschaftliche Teilhabe. Es ist unsere Aufgabe, dass das System funktioniert, damit Integration gelingt.“

Und auch sie sieht das Grundproblem an Sachsens Schulen in der völlig unzureichenden Personalausstattung.

„Anstatt auf die Umstände zu schimpfen, sollte das Kultusressort besser das tun, was in seiner Macht steht, um die Situation zu entspannen. Es ist Aufgabe des Ministeriums, die Schulträger bei der personellen und räumlichen Ausstattung zu unterstützen, damit alle jungen Menschen unterrichtet werden können“, sagt Melcher.

„Es braucht mehr pädagogisches Personal und mehr Professionen in den Schulen. Und es braucht ein klares Bekenntnis, mit einem Sozialindex die Schulen zu unterstützen, die vor besonderen Herausforderungen stehen. Das schafft die Grundlage dafür, Ressourcen dorthin zu lenken, wo sie am nötigsten gebraucht werden.“

Wasser auf die Mühlen der Rechten

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Luise Neuhaus-Wartenberg, sagt zum heutigen LVZ-Interview mit Kultusminister Christian Piwarz (CDU), der darin abermals geflüchtete Kinder für die Probleme im Schulwesen mitverantwortlich macht:

„Die neuerlichen Äußerungen vom Kultusminister sind Wasser auf die Mühlen der extremen Rechten. Das ist im Kampf um unsere Demokratie nicht hilfreich“, wird die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Luise Neuhaus-Wartenberg, noch deutlicher.

„Schon der Ministerpräsident lastete die Versäumnisse seiner Regierung denjenigen an, die am wenigsten daran schuld sind. Kinder mit Fluchtgeschichte sind keineswegs dafür verantwortlich, dass die CDU-geführten Regierungen jahrelang zu wenig Personal eingestellt und moderne Unterrichtskonzepte wie das längere gemeinsame Lernen blockiert haben. Deshalb ist es nicht überraschend, dass die Schulen mit der Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler nur schwer zurechtkommen.

Es ist nun umso dringlicher, die Lehrkräfte durch weiteres Assistenzpersonal und mehr Investitionen zu entlasten. Außerdem muss die Gründung von Gemeinschaftsschulen erleichtert werden. Das nützt allen Schulkindern.“

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