Am Donnerstag, 17. August, รคuรerte sich Kultusminister Christian Piwarz hรถchst optimistisch zum neuen Schuljahr und kรผndige 1.120 neue Lehrkrรคfte an. Doch was nach viel klingt, ist letztlich ein Armutszeugnis, auch wenn Piwarz das โselbststรคndige und selbstorganisierte Lernenโ regelrecht zu einer Schlรผsselkompetenz fรผr das 21. Jahrhundert erklรคrte. Motto: Wir haben zwar keine Lehrer. Aber der Computer macht das schon.
Oder schรถn umschrieben damit, dass โverstรคrkt digitale Selbstlernmodule zum Einsatz kommenโ sollen. Worรผber sich dann die IT-Branche riesig freuen wird, denn damit geht ihr seit Jahren gepflegtes Werbekonzept auf, das unter dem Label โDigitalisierung der Schulenโ deutsche Kultusminister geradezu berauscht.
Aber bislang zeigen gerade diese Konzepte des digitalen Lernens kaum positive Effekte. Im Gegenteil: Gerade die Corona-Zeit hat gezeigt, dass gerade Schรผler mit Lernschwierigkeiten damit noch weiter ins Hintertreffen geraten. Computer und Lernprogramme kรถnnen keine gut ausgebildeten Lehrer ersetzen.
โWie der Minister heute verkรผndet, steigt im kommenden Schuljahr die Zahl der Lernenden erneut. Etwa 536.470 (508.881 im Vorjahr) werden ab Montag an den sรคchsischen Schulen unterrichtet. Oder auch nicht, denn es fehlen weiter รผber 3.000 Lehrendeโ, stellte am Donnerstag die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sรคchsischen Landtag Luise Neuhaus-Wartenberg fest.
โDie jungen Menschen mit digitalen Lernmodulen allein zu lassen, kann nicht die Lรถsung sein. Zumal die Voraussetzungen fehlen: Immer noch haben nicht alle Schulen einen W-LAN-Zugang, haben nicht alle Schulen Unterstรผtzungspersonal, welches bei Fragen zur IT-Infrastruktur helfen und die Lehrkrรคfte entlasten kann. Und noch immer sind nicht alle Lernenden gleichermaรen kompetent im Umgang mit digitalen Medien. Computer sind keine Lehrkrรคfte!โ
Besonders diese Worte des Kultusministers stieรen der Landtagsabgeordneten besonders sauer auf: โDie Module ermรถglichen den Schรผlern einerseits ein cooles Lernen und entlasten andererseits die Lehrkrรคfte bei der Unterrichtsvorbereitung.โ
Cooles Lernen? Alleingelassene Schรผler!
โDie Worte des Ministers sind schwer nachvollziehbar in der heutigen Zeit, in der die Gewalt an Schulen zunimmt, Eltern nicht wissen, wie sie die immer teurer werdenden Lernmittel bezahlen sollen. Und dann sollen die jungen Menschen noch mehr allein gelassen werden? โCooles Lernenโ sieht anders aus!โ, sagt Luise Neuhaus-Wartenberg.
โWir fordern ausreichende Investitionen fรผr die sรคchsischen Schulen, so wie dies auch GEW in ihrer gestrigen Presseerklรคrung anmahnte. Es muss mehr Unterstรผtzung fรผr die Etablierung der Gemeinschaftsschule als gleichwertige Schulform geben. Denn diese Schulform unterstรผtzt das selbststรคndige Lernen auch mit digitalen Modulen und bereitet Lehrende wie Lernende sowie deren Eltern darauf vor. Die Koalition, allen voran die CDU-Fraktion, muss ihre Blockadehaltung aufgeben. Das soziale Miteinander darf keinem Computer-Arbeitsplatz weichen!โ
Und so agiert auch Christian Piwarz so glรผcklos wie seine Vorgรคnger im Amt, ohne eine Lรถsung fรผr das Lehrerproblem. Aus Sicht seiner linken Kritikerin hat auch er schon aufgegeben.
โDie Situation an den Schulen ist fatal und die gesellschaftlichen Auswirkungen schon sichtbarโ, sagt Neuhaus-Wartenberg. โWenn die jungen Menschen weiterhin allein gelassen werden, wird sich die Bildungsungerechtigkeit verschรคrfen โ das dรผrfen wir nicht zulassen.โ
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Ja, lieber Autor, die Schule, wie wir sie kannten, ist zerdรถllert und wird es noch weiter werden. Der โDigitalPakt Schuleโ, von Bitkom e.V. herbeilobbyiert, wird ihr den Garaus machen. Firmen wie die aus Dรคnemark an den Dittrichring 2 gekommene โArea9 Lyceum GmbHโ schneiden sich die schรถnsten Stรผcken vom Milliardenpakt ab. Vor mehr als zwei Jahren schrieb die die Einfรคltigkeitsgrenze mรผhelos รผberwindende Linda Polenz in der LVZ รผber einen Feldversuch mit deren Software in Schkeuditz: https://www.lvz.de/lokales/nordsachsen/schkeuditz/leibniz-grundschule-testet-digitales-lernen-MK4WMVX2DYMCSYE3MQUS3KG2WY.html Der Schulleiter Schleese von der Leibniz-Grundschule รคuรerte damals folgende Irrsinnsargumente fรผr KI-basierte sog. Lernsoftware: โEin Lehrer kann sich im Unterricht nicht 1:1 um jedes Kind kรผmmern.โ und โWenn der Schรผler oder die Schรผlerin eine Aufgabe lรถst, merkt sich das Programm den Lernstand des Kindes und generiert danach die nรคchsten Aufgaben.โ Wie soll man die neue Rolle der vormaligen Lehrer sonst nennen, als allenfalls โLerncoachโ, wenn die Apparate, die irrefรผhrend und beschรถnigend als โsinnvolle Ergรคnzungโ des Prรคsenzunterrichts bezeichnet werden, รผberall Einzug gehalten haben werden? Ob Luise Neuhaus-Wartenberg in ihrer zutreffenden Kritik an Minister Piwarz den Ernst der Lage umfassend รผberblick, daran bleiben Zweifel. Aber immerhin รคuรert sie sich.