Es fehlt überall an Lehrerinnen und Lehrern. Nicht nur in Sachsen. Aber die CDU-Bildungsminister in Sachsen haben exemplarisch vorgemacht, wie man aus einer guten Lehrerausstattung binnen weniger Jahre mitten hinein in eine Mangelsituation steuert – und dann selbst mit Seiteneinsteigern nicht mehr schafft, auch nur den dringendsten Bedarf zu decken. Das klingt dann in Meldungen aus dem Ministerium, als habe sich der aktuelle Bildungsminister doch eigentlich bemüht.

„Nach den Winterferien starten die rund 1.400 öffentlichen Schulen mit insgesamt 817 neu eingestellten Lehrerinnen und Lehrern. Geplant war die Einstellung von bis zu 1.100 Personen“, meldete das Kultusministerium zuletzt im Februar zum Start des zweiten Schulhalbjahres.

„Auch wenn wir im Vergleich zum letzten Schulhalbjahr knapp 100 Personen mehr einstellen konnten, hätte ich mir zur Entlastung unserer Schulen mehr neue Lehrkräfte gewünscht. Es fehlt hier nicht an Geld und Stellen, sondern an Köpfen“, ließ sich Kultusminister Christian Piwarz zitieren.

Schöne Ausrede: Corona ist schuld

Sachsen steht inzwischen in direkter Konkurrenz mit allen anderen Bundesländern um die frisch ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen. Doch sogar die Verbeamtung hilft nicht, selbst die in Sachsen ausgebildeten Lehrkräfte zu halten. Es fehlt nicht an Köpfen, wie Piwarz meint, sondern an einer Strategie, den Lehrerberuf in Sachsen tatsächlich wieder attraktiv zu machen.

Piwarz betonte im Februar auch, dass die deutlich gestiegenen Lehramtsstudienplätze von 1.700 (2012/2013) auf 2.400 (2017/2018) und seit 2021 auf 2.700 noch nicht in vollem Umfang auf dem Lehrermarkt zu spüren seien. Ein Grund dafür sei vermutlich auch die Corona-Pandemie, wodurch sich die Studienzeiten verlängert hätten.

„Wir müssen gemeinsam mit den Universitäten die MINT-Fächer attraktiver machen und die Erfolgsquoten erhöhen. Dazu sind wir mit dem Wissenschaftsministerium im Gespräch“, erklärte Piwarz.

Was wohl eher keinen Effekt bringen wird. Dazu ist Sachsen viel zu vernarrt in sein auf Effizienz getrimmtes Schulsystem, in dem es eher um die Erfüllung von INSM-Kriterien geht, als um ein wirklich schöpferisches Unterrichtsklima. Dass das junge Leute, die gern Lehrer geworden wären, nicht anzieht, macht ja gerade die Malaise in den MINT-Fächern (Mathematik, Chemie, Physik, IT) deutlich.

Der Lehrermangel verschärft sich weiter

Und so verschlechtert sich landesweit die Situation an den Schulen, stellt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Sachsen fest und fordert, die Maßnahmen zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels, gegen die Überlastung der Schulen und zum Ausbau der Digitalisierung in einem Bildungspaket mit zusätzlichen Mitteln zu bündeln und zu intensivieren.

„Die Folgen des Lehrkräftemangels sind Unterrichtsausfall, überfüllte Klassen, überlastete Lehrkräfte und ein Einbruch der Bildungsqualität, indem Schülerinnen und Schüler nicht die Bildungschancen erhalten, die ihnen zustehen. Der reguläre Unterricht nach Stundentafel wird bereits im Planansatz des Kultusministeriums im Umfang von über 1.000 Lehrkräftestellen gekürzt und taucht dann in der Statistik als ‚planmäßiger Unterrichtsausfall’ auf“, beschreibt Burkhard Naumann, Vorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW in Sachsen, den sächsischen Selbstbetrug.

„Konkret bedeutet das an einer Schule beispielsweise: Für eine Klasse findet für ein Schuljahr kein Geografieunterricht statt oder der Chemieunterricht wird langfristig auf eine Wochenstunde halbiert. Der Lehrkräftemangel ist bereits im letzten Jahr an allen Schularten und in allen Regionen Sachsens angekommen. Im kommenden Schuljahr wird sich die Lage erneut verschlechtern.“

3.000 neue Lehrkräfte sind das Minimum

Allein für eine verlässliche Unterrichtsabdeckung müssten in Sachsen über 3.000 Lehrkräfte eingestellt werden, rechnet die GEW vor, und das ohne die notwendigen Stellen zur Qualitätsverbesserung wie der im Koalitionsvertrag versprochenen Klassenleiterstunde. Es fehle Personal für Schulen mit besonderen Herausforderungen, bei der Umsetzung der Inklusion, bei Sprachhürden und für den Unterricht Deutsch als Zweitsprache, zur Umsetzung der Digitalisierung und zur Integration von Schülerinnen und Schülern aus der Ukraine.

„Die Schulen sind deshalb an der Belastungsgrenze, viele schon darüber hinaus. Lehrkräfte und Schulleitungen müssen durch zusätzliches Personal entlastet werden. Wir schlagen deshalb ein neues Bildungspaket für Schulen in Sachsen vor, um die bisherigen Maßnahmen zu bündeln, zu verstetigen und auszubauen“, sagt Naumann. „Teil des Bildungspakets sollte ein Landesprogramm multiprofessionelle Teams mit eigenen Stellen für pädagogische Fachkräfte, Verwaltungsfachkräfte, IT-Fachkräfte, Sprach- und Integrationsmittler/-innen, Schulsozialarbeit und Schulpsycholog/-innen sein.“

Das Paket sollte auch zusätzliche Mittel für die Umsetzung des Sozialindex für Schulen mit besonderen Herausforderungen, ein Förderprogramm zum Ausbau der IT-Ausstattung der Schulen sowie Maßnahmen zum Ausbau und zur Verstetigung der vorhandenen Angebote zum digitalen Lehren und Lernen enthalten.

„Aktuell ist die Unterstützung der Schulen beispielsweise durch das Programm Schulassistenz zwar gegeben, doch der Ausbau ist durch die begrenzten Mittel im Sächsischen Doppelhaushalt viel zu zaghaft“, findet Naumann. „Man kann den Eindruck gewinnen, die schwarze Null in Sachsen wiege mehr als verfehlte Bildungschancen der nächsten Generation.“

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