Normalerweise brauchte kein Schüler, keine Schülerin die Schule ohne einen qualifizierten Abschluss verlassen. Selbst der Hauptschulabschluss erzählt ja davon, dass sich auch das staatliche Bildungssystem nicht wirklich um die jungen Menschen bemüht hat. Aber auch den erreichen in Sachsen viele junge Menschen nicht. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass Sachsen da gar keine Ausnahme ist. Schon gar kein Klassenprimus.

Laut der aktuellen Studie „Jugendliche ohne Hauptschulabschluss – Demographische Verknappung und qualifikatorische Vergeudung“ erlangten 2021 insgesamt 2.793 Jugendliche in Sachsen keinen Hauptschulabschluss. 2.793 junge Menschen, die damit einen umso beschwerlicheren Weg ins Berufsleben vor sich haben und oft mit schlechter bezahlten und prekären Arbeitsverhältnissen abgespeist werden, während immer mehr Unternehmen über einen Fachkräftemangel klagen.

Das passt nicht zusammen.

Besonders betroffen: ausländische Jugendliche

„Die Zahl der Schulabbrüche liegt in Sachsen weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Besonders erschreckend ist jedoch, dass die Quote der ausländischen Schülerinnen und Schüler ohne Hauptschulabschluss in Sachsen bei 22,8 Prozent liegt“, geht die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Luise Neuhaus-Wartenberg, auf diese besonders verstörende Zahl ein.

„Es interessiert mich sehr, worauf die diese großen Unterschiede beruhen und was die Staatsregierung eigentlich unternimmt, um alle Jugendlichen nötigenfalls beim Erlangen ihres Hauptschulabschlusses zu unterstützen. Deshalb habe ich eine Kleine Anfrage zu den aktuellen sächsischen Daten und Fakten eingereicht.“

Und das sind nur die sächsischen Gesamtzahlen. Mit einer Quote von 6,4 Prozent der deutschen Schülerinnen und Schüler, die keinen Schulabschluss schaffen, liegt Sachsen übrigens längst deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 4,8 Prozent.

Das sieht zwar immer noch besser aus als die 7,2 Prozent in Berlin. Doch während Sachsen 22,8 Prozent der Kinder mit ausländischen Wurzeln durchfallen lässt, sind es in Berlin nur 5,1 Prozent.

Was nun einmal eindeutig davon erzählt, dass in Berlin die entsprechenden Förderinstrumente geschaffen wurden, in Sachsen aber nicht.

Nicht erklärbare Unterschiede

Und dazu kommen auch die krassen Unterschiede in Sachsen selbst. Denn während in Dresden nur 5,3 Prozent der Jugendlichen keinen Abschluss schaffen, sind es in Chemnitz 9,5 Prozent. Leipzig kommt auf eine Quote von 8,3 Prozent, liegt damit aber unter den Städten mit mindestens 500.000 Einwohnern fast am Schluss – nur Bremen ist mit 9,6 Prozent noch schlechter, während Düsseldorf auf 4,3 Prozent kommt.

Und das erzählt eben nicht davon, dass die Kinder im einen Bundesland dümmer sind als im anderen, sondern dass die einen das Fördersystem deutlich ausgebaut und Barrieren abgebaut haben, und die anderen nicht.

„Wer die Schule ohne Abschluss verlässt, ist auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erheblich benachteiligt und oft fast chancenlos“, sagt Luise Neuhaus-Wartenberg. „Die Gefahr ist groß, allenfalls eine extrem schlecht bezahlte und unsichere Arbeit zu finden. Wir müssen dafür sorgen, dass allen Jugendlichen die Tür in eine gute berufliche Zukunft offensteht, und die jungen Menschen bestmöglich qualifizieren – schon weil der Freistaat jede Arbeitskraft braucht. Niemand soll die Schule, die Ausbildung oder das Studium abbrechen müssen.“

Dazu kann man auch die Mahnung der Bertelsmann-Stiftung zitieren: „Während Deutschland demographisch bedingt auf eine stark wachsende Verknappung insbesondere bei den nicht akademisch qualifizierten Fachkräften zusteuert, leistet das Land sich im hohen Maße eine Vergeudung menschlicher Potenziale: Im Jahr 2021 verfehlten in Deutschland etwa 47.500 junge Menschen – 6,2 Prozent der entsprechenden Altersgruppe – den untersten Schulabschluss, und fast 2,7 Millionen junge Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren (17,9 Prozent dieser Jahrgänge) blieben ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung.“

Das kann sich ein modernes Industrieland, das im Wettbewerb mit anderen Nationen um die klügsten Köpfe und qualifizierte Arbeitskräfte steht, schlicht nicht leisten. Von der Frustration der so aussortierten jungen Menschen ganz zu schweigen.

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