Man sieht ihn von draußen nicht. Nur ein großes Transparent der „Ackerdemie“ weist darauf hin, dass in einer kleinen versteckten Ecke hinter der Kurt-Masur-Schule seit 2015 etwas entstanden ist, wovon so manche Schule in Leipzig träumt: ein eigener kleiner Schulgarten auf einem Stück Fläche, das 2015 tatsächlich nichts anderes war als ein „schuttübersäter Acker“. Doch inzwischen wächst und gedeiht es hier und die Kinder der dritten und vierten Klasse erleben, wie aufregend ein lebendiger Garten sein kann.
Und wie echte Tomaten- und Kartoffelpflanzen aussehen, Gurken, Paprika und Zitronenmelisse. Möglich gemacht haben das Eltern, die hier zweimal im Jahr zur Putzaktion antreten, und Lehrer, die sich wie Saskia Wolters und Robert Russ bemühen, aus der obligatorischen halben Stunde Schulgarten im Sachkundeunterricht tatsächlich eine echte Begegnung mit der Natur zu machen.
Die Ecke wurde entrümpelt und vom Schutt befreit, Beete angelegt und die karge Erde nach und nach mit Mulch fruchtbar gemacht. Auch das erleben die Kinder hier: Wie man Boden wieder lebendig macht und selbst da, wo eigentlich nur sprödes Gras wachsen würde, wieder Platz für all die Pflanzen und Früchte entsteht, die Kinder in der Stadt für gewöhnlich nur vom Teller oder aus dem Supermarktregal kennen.
Wo kaum eine Schule überhaupt noch einen eigenen Schulgarten hat, weil der auf dem Schulgelände praktisch keinen Platz mehr findet, ist das, was hier an der Kurt-Masur-Schule in der Südvorstadt entstanden ist, auch ein kleines Bildungsparadies. „Wir sind richtig stolz darauf“, sagt Schuldirektorin Heike Simone Riethmüller.
Und Robert Russ hat an diesem Donnerstagmorgen überhaupt keine Mühe, die Kinder zum Mitmachen zu bewegen. Ihnen ist die Faszination anzusehen, die echte Pflanzen und die Sorge um das richtige Hegen und Pflegen der Sprösslinge in den Beeten bei ihnen auslösen. Heute ist sogar ein besonderer Tag, denn es gibt die zweite Pflanzaktion mit dem Acker e. V.
Dieser Verein, der mit über 850 Schulen im deutschsprachigen Raum kooperiert, hat es sich zur Aufgabe gemacht, „mehr Wertschätzung für Natur und Lebensmittel“ zu schaffen. Ein Thema, das auch Nico Meincke nur zu gut kennt. Einerseits ist er Stiftungsbotschafter der Globus-Stiftung, die die GemüseAckerdemie finanziell unterstützt.
Andererseits arbeitet er in verantwortlicher Position selbst bei Globus und hat so eine Ahnung, wie wenig auch die Kunden im Markt darüber wissen, woher eigentlich das Gemüse im Gemüseregal kommt. Und warum es da auch liegt, wenn eigentlich draußen alles abgeerntet ist.
Den Termin am Donnerstagmorgen an der Kurt-Masur-Schule nutzte Jolantha Schenke, Regionalkoordinatorin von Acker e. V., ihm mit einer großen Urkunde zu danken für das Engagement. Denn natürlich hilft das Geld bei diesem Projekt, das ja letztlich komplett aus freiwilligem Engagement und auch viel Freizeiteinsatz von Lehrern und Eltern entstand.
Woher kommt also das Gemüse, das die Kinder dann in die vorbereiteten Beete pflanzen? Am Donnerstag brachte der Acker e.V. die Setzlinge gleich mit, gleich mal auch als Knobelaufgabe für die Jungen und Mädchen, die längst wissen, wie Paprika- und Tomatensetzlinge aussehen.
Mit einem Jahreszeitenlied kann sie zwar Robert Russ, der an der Kurt-Masur-Schule unter anderem Deutsch, Mathematik und Sachkunde unterrichtet, an diesem Morgen nicht begeistern. Aber als es „An die Geräte!“ heißt, sind die Kinder schon wie die Wiesel dabei.
Die einen holen frische Erde vom Komposthaufen, die anderen füllen an der Pumpe die Gießkannen. Und die nächsten lassen sich schon mal erklären, wo und wie man die mitgebrachten Setzlinge am besten in die Erde bringt.
Dass die jahrelange Mühe, hier ein fruchtbares Eckchen zu schaffen, tatsächlich Erfolg hat, ist überall zu sehen. Es wächst und grünt. Und vielleicht fehlt nur noch der Igel, der sich hinterm Kompost ein ruhiges Eckchen sucht. Bienen schwirren herum, wenn auch noch nicht viele. Und aufmerksam lassen sich die Kinder erklären, worauf man beim Einpflanzen achten muss, damit die Setzlinge gut gedeihen und Früchte tragen.
Früchte, die dann auch meist wieder in der Schulkantine zubereitet werden. Die Kinder erleben selbst mit, wie aus ihrem Schulgarteneinsatz dann etwas wird, was lecker auf dem Teller liegt. Der Garten ist nicht nur Lernort, sondern auch ein Ort, an dem die Schüler/-innen ganz im Sinn von Acker e. V. Verantwortungsbewusstsein und Selbstwirksamkeit erleben.
Sie sammeln Erfahrungen, lernen jede Menge über gesundes Essen und kennen am Ende über 30 Gemüsearten. Und das nicht nur von der Abbildung im Schulbuch, sondern in Natur – als kleinen Setzling, ausgewachsene Pflanze und Erntegut, das sie stolz in die Schulküche tragen können.
Und auch wenn Heike Simone Riethmüller weiß, wie schnell die viel zu wenigen Stunden Schulgarten auch noch gestrichen werden, wenn es wieder mal an Lehrer/-innen mangelt, sieht sie in diesem kleinen grünen Stück Schulgelände einen wichtigen Teil des Anspruchs verwirklicht, den die Schule vertritt in einem Schulprogramm mit den Schlagworten „Lernen, Medien, Miteinander und Möglichkeiten“.
Denn das ist ihr nur zu bewusst, dass es beim Lernen immer zuallererst um das Ermöglichen geht. Neugierig und wissensdurstig sind die Kinder ganz von allein.
Und auch wie all das wächst, was zu einer gesunden Ernährung gehört, wollen sie wissen.
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