Nach elf Jahren endete am 1. April die Amtszeit von Beate Schücking als Rektorin der Universität Leipzig. Der ersten Frau in diesem Amt folgt mit Eva Inés Obergfell nun die zweite. Was sich an der Universität ändern muss und was Student/-innen konkret von der neuen Rektorin erwarten, erklärt Felix Fink, Beauftragter für studentische Angelegenheiten an der Uni Leipzig und Referent für Hochschulpolitik bei der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften.
Was sind aus studentischer Perspektive die positiven und negativen Hinterlassenschaften von Beate Schücking?
Positiv habe ich die grundsätzliche Gesprächsbereitschaft ihres Rektorats in Bezug auf die studentischen Vertretungen wahrgenommen. Zu Beginn ihrer ersten Amtszeit hat sie außerdem ihr politisches Gewicht erfolgreich in die Waagschale geworfen, um einer Verkleinerung der Uni Leipzig entgegenzuwirken. Leider hat sich dieser Tatendrang in den letzten Jahren stark abgeschwächt; ich habe in verschiedenen Statusgruppen eine hohe Unzufriedenheit mit ihrer Amtsführung wahrgenommen. Stichworte sind die Verschlechterung der Rahmenbedingungen der Lehre, teils fehlende Transparenz und die mangelnde Innovationsbereitschaft.
Welchen Eindruck hast du bislang von der neuen Rektorin Eva Inés Obergfell erhalten?
Einerseits hat sich Frau Obergfell sehr offen für Gespräche gezeigt. Auch ihre Vorstellungen zur Frauenförderung haben wir positiv aufgenommen. Ich freue mich über die Motivation des neuen Rektorats. Diese Frische lässt mich hoffen, dass wir gemeinsam grundlegende Verbesserungen ernsthaft und zielstrebig angehen können.
Andererseits wurde noch nicht sehr deutlich, ob und wie Frau Obergfell die von uns und dem Mittelbau wahrgenommenen akuten Probleme der Uni Leipzig beseitigen will. Gespräche allein bewirken keine Veränderung. Sie war zuletzt Vizepräsidentin der HU Berlin. Dort arbeitet die Hochschulleitung strukturell gegen die Interessen der Studierenden und der Mitarbeitenden. Ich bin gespannt, ob sich Frau Obergfell durch Taten von diesem Führungsstil ihrer alten Uni abgrenzen wird.
Welche Probleme sollte Obergfell als Erstes in Angriff nehmen?
Als Erstes wäre die Lehrbelastung vieler Dozierender, welche sich oft weit über dem gesetzlich angedachten Niveau befindet, zu reduzieren. Konkret heißt das, dass die von Frau Schücking vorgenommene Erhöhung der Lehrverpflichtung vieler Dozierender unverzüglich von 20 auf 16, mittelfristig auf maximal zwölf Semesterwochenstunden zurückzusetzen ist. Es ist eindeutig wahrzunehmen, dass die Studienqualität aufgrund der Mehrarbeit bei den Dozierenden leidet – es bleibt keine Zeit für die individuelle Betreuung der Studis und es gibt kaum Wahlmöglichkeiten.
Weiterhin sollte die neue Rektorin schnellstmöglich eine Interventionsstelle für Betroffene sexueller Gewalt schaffen. Dies wurde in den letzten Jahren verschleppt. Die kürzlichen Vorfälle der Belästigung in der Universitätsbibliothek sind nur die sichtbare Spitze des Eisbergs. Wir wissen von Übergriffigkeiten, insbesondere in Abhängigkeitsverhältnissen, beispielsweise zwischen Professor und Doktorandin. Es muss sofort ein Prozess angestoßen werden, der schnellstmöglich ein strukturiertes Verfahren entwickelt, das die Betroffenen ernst nimmt und Konsequenzen für die Täter entwickelt.
In einem ausführlichen Statement auf Twitter hast du die Universität Leipzig als „Vorreiterin schlechter Rahmenbedingungen“ für die Lehrenden im Lehramt bezeichnet. Befürchtest du auch Auswirkungen auf andere Hochschulen?
Das Rektorat der Uni Leipzig hat im negativen Sinne mehrere moralische – und möglicherweise auch rechtliche – Grenzen überschritten, um auf Kosten guter Lehre zu sparen. Im Konkreten haben sich das die allermeisten anderen sächsischen und bundesdeutschen Hochschulen noch nicht getraut. Das ‚strahlt‘ dann auf andere Unis, die genau beobachten, was hier passiert. Erst kürzlich habe ich gehört, dass man an der Uni Halle, die auch von Kürzungen betroffen ist, auf ähnliche Ideen kommt.
Es liegt in der Verantwortung der Rektorin, dass der Rahmen für gute Lehre wieder stimmt. Ein Beispiel: Der Betreuungsschlüssel von Dozierenden auf Studierende ist deutlich abzusenken. Es muss darauf hingewirkt werden, dass sich durch den intensiven Austausch zwischen Studierenden und Dozierenden jede/-r möglichst frei entfalten und bilden kann. Auch das Land Sachsen und Wissenschaftsminister Gemkow sind hier am Zug.
Wie stellst du dir die Zusammenarbeit mit Obergfell in den kommenden Jahren vor?
Ich wünsche mir eine konstruktive und vor allem zielführende Zusammenarbeit. Wir sollten Projekte strukturiert angehen und sie auch in absehbarer Zeit zum Ziel führen. Eine Verzögerungstaktik werden wir nicht akzeptieren.
„Eine Verzögerungstaktik werden wir nicht akzeptieren“ erschien erstmals am 29. April 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 101 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.
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