Der Zeitfaktor ist vielleicht nicht das Wichtigste, was nun eine Rolle spielen wird bei der Namensfindung für Leipziger Schulen. Diese war am 20. Januar Thema in der Ratsversammlung. Denn künftig sollen alle Leipziger Schulen einen Eigennamen tragen. Was nicht bedeutet, dass es eine historische Persönlichkeit ist, die damit gewürdigt wird. Aber als es in der Ratsversammlung um Namensgeberinnen ging, wurde es richtig emotional.
„Jede Schule muss einen Namen tragen, der im Einrichtungsregister des Freistaates Sachsen eingetragen wird. In der Stadt Leipzig ist die Wahl eines besonderen Eigennamens als Schulname zukünftig verpflichtend.Schulnamen geben Identität und vermitteln Zugehörigkeit“, heißt es in der Vorlage der Stadt, mit der – wie Schulbürgermeisterin Vicki Felthaus betonte – die Namensgebung jetzt endlich eine Struktur bekommen soll. Denn bislang war es den Schulen selbst überlassen, wann und ob sie den Prozess einer Namenssuche beginnen. Oder ob sie noch weiter an der simplen Nummerierung ihrer Schule festhalten.
Schon 2014 hat der Stadtrat diesen Weg eröffnet, dass Schulen einen Namen für sich finden, der der Schule und ihrem Profil eine gewisse Identität und Sichtbarkeit gibt: „Mit einer neuen Schwerpunktsetzung sollte erreicht werden, dass die Schulen einen für sich und die Stadt Leipzig geeigneten, repräsentativen und langfristig tragenden Schulnamen finden. Seitdem haben zehn Schulen einen neuen Schulnamen beantragt.“
Aber wie kommt man da hin, dass künftig alle Leipziger Schulen einen Namen tragen, mit dem sich Lehrpersonal und Schüler/-innen identifizieren können? Der gar schon verrät, welche Schwerpunkte sich die Schule selbst gesetzt hat? Ganz zu schweigen, dass die Menschen, die mit einem Schulnamen gewürdigt werden, auch ein Vorbild sind.
Drei Jahre Zeit bis zum Diskussionsprozess oder fünf?
Ein gewisses Hin und Her gab es in der Ratsversammlung um die Fristsetzung, denn dass es die meisten Schulen nicht schaffen werden, binnen drei Jahren einen guten Namen für sich in demokratischen Aushandlungsprozessen zu finden, darüber war man sich nicht nur im Stadtbezirksbeirat Nordwest einig. Für den brachte Anne Schettler gleich zwei Änderungsanträge in die Ratsversammlung ein.
Der erste lautete: „Die Schulen, die derzeit noch eine Schulnummer tragen, sollen innerhalb der nächsten fünf Jahre einen Prozess der Schulnamensgebung begonnen haben. Das Amt für Schule wird diese Schulen entsprechend beraten und begleiten.“ Aus den fünf Jahren wurden dann drei.
Und berechtigterweise wies SPD-Stadträtin Ute Köhler-Siegel darauf hin, dass drei Jahre für viele Schulen nicht zu schaffen sein werden. Dafür sorgt schon die Unmöglichkeit durch die Corona-Pandemie, aktuell regelrechte Schulkonferenzen abhalten zu können. Ganz zu schweigen von der Überforderung von Schülern und Lehrern durch die aktuellen Lernbedingungen. Niemand weiß, wie lange die Pandemie gerade die Schulen noch in Atem hält.
Ein ähnliches Problem haben auch neu gegründete Schulen, wo neu gebildete Klassen oft erst einmal einige Jahre in anderen Schulen lernen, bis sie das neue Schulgebäude überhaupt beziehen können. Wären da fünf Jahre als Rahmensetzung nicht schon ambitioniert?
„Der Prozess der Namensfindung muss durch ein breit angelegtes Beteiligungsverfahren geprägt sein, um sowohl interne (Schüler/-innen, Lehrer/-innen, Eltern) als auch externe Akteure (Stadtbezirksbeirat/Ortschaftsrat, Bürger/-innen, ortsansässige Vereine, Sachkundige etc.) einzubeziehen. Dies soll dazu beitragen, die Transparenz zu fördern und die Qualität und Legitimität der Entscheidungsfindung zu stärken“, heißt es in der Vorlage der Stadt.
Und: „Im Rahmen der Namensfindung muss eine intensive und kritische Auseinandersetzung mit dem Namenswunsch erfolgen, die über eine reine Internetrecherche hinausgeht.“
Aber Vicki Felthaus erklärte, dass es überhaupt erst einmal um eine Rahmensetzung ginge. Und der Namensprozess soll ja in den drei oder fünf Jahren nicht zwingend abgeschlossen sein, sondern überhaupt erst einmal begonnen.
Mehr Frauen wagen
Da überrascht es erst einmal nicht, dass dieser Änderungswunsch aus dem Stadtbezirksbeirat Nordwest keine Mehrheit fand. Aber Anne Schettlers Worte zum Antrag, mehr Frauen mit einer Namensgebung zu würdigen, fand desto stärkeren Widerhall im Stadtrat.
„Im Namensfindungsprozess sollte besonders geprüft werden, inwieweit Namensgeberinnen in Betracht kommen“, lautete dieser Antragspunkt.
Und Zahlen hatte sie auch dabei, denn weniger als zehn Prozent der Leipziger Schulen sind bisher nach einer Frau benannt. Wobei die schon existierenden Beispiele zeigen, dass Schulkollektive durchaus wollen, dass eine starke Frau für sie zum Aushängeschild wird – man denke an die Luise-Otto-Peters-Schule, die Gerda-Taro-Schule oder die Lene-Voigt-Schule. Und manchmal spricht die Namensgebung auch für die Schwerpunkte, die sich die Schule selbst gesetzt hat. Und auf der Homepage der Stadt gibt es ja inzwischen auch 200 Frauen im Porträt, die sich als Vorbild geradezu anbieten, betonte Schettler.
Ein Vorstoß, der besonders aus dem Gleichstellungsbeirat Befürwortung bekam und der auch die Stadtratsmehrheit überzeugte. 37 zu 22 Stadträt/-innen stimmten diesem Änderungsantrag aus dem SBB Nordwest zu. Auch weil es nur zu gut nachvollziehbar ist, wenn Schettler sagte: „Jede sichtbare Frau ist gleichzeitig ein Vorbild.“
Nämlich nicht nur für die Sichtbarmachung der Frau, sondern auch als Ansporn für Mädchen, sich selbst etwas zuzutrauen und sich nicht kleinzumachen in einer Welt, in der noch immer Männer in allen wichtige Entscheidungsgremien und in der Berichterstattung dominieren. Der Weg zur wirklichen Geschlechtergerechtigkeit ist noch weit. Aber zu diesem gehört eben auch, tatkräftige und erfolgreiche Frauen sichtbar zu machen.
So gesehen, hat nach dem SBB Nordwest auch der Stadtrat ein Zeichen gesetzt, mit dem die engagierte Arbeit von Frauen in der Geschichte viel mehr Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit bekommen soll.
Die Debatte vom 20.01.2022
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