Noch vor zwei Wochen hatte das Rektorat der Uni Leipzig den Studierenden Hoffnung auf ein fortlaufendes Präsenzsemester gemacht. Eine Woche vor der Weihnachtspause stellt die Hochschule nun doch noch auf Online-Lehre um. Vorerst bis Mitte Januar 2022 sollen Seminare und Vorlesungen digital abgehalten werden. Die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) fordert Abfederungen wie in den vergangenen Corona-Semestern, um Studierenden psychischen Druck zu nehmen.
Ab kommender Woche mindestens zwei Wochen Digitallehre an der Uni Leipzig
Die Universität Leipzig verlegt ihre Lehrveranstaltungen ab nächsten Montag wieder in den Digitalbereich. Das hat der Krisenstab der Hochschule heute beschlossen. Vom 13. Dezember bis vorerst 9. Januar sollen Seminare und Vorlesungen online stattfinden. Dazwischen liegen aufgrund der Weihnachtspause zwei vorlesungsfreie Wochen.
Wie das Rektorat heute bekanntgab, sind in Einzelfällen Ausnahmen von diesen „digitalen Studienwochen“ möglich. Das betrifft zum Beispiel Praktika, Übungen, Laborarbeit und künstlerische Ausbildungsabschnitte. In begründeten Fällen können auch andere Lehrveranstaltungen in kleinen Gruppen durchgeführt werden.
Für die seltenen Präsenzveranstaltungen wird ab Montag dann eine 3G+Regelung eingeführt: Nicht nur ungeimpfte Personen müssen dann einen tagesaktuellen, negativen Coronatest vorweisen, sondern auch genesene und geimpfte Teilnehmer/-innen.
Bibliotheken und PC-Pools sollen weiterhin zugänglich bleiben. Außerdem kündigte die Universität Leipzig ihren Studierenden und Mitarbeitenden heute in einer Rundmail an, die Öffnungszeiten der universitätseigenen Testzentren zu verlängern. Seit rund zwei Wochen können Universitätsangehörige an drei Standorten (Campus Jahnallee, Campus Augustusplatz und in der Johannisallee) kostenlose Schnelltests durchführen.
Einheitlichkeit statt Online-Präsenz-Hybrid-Flickenteppich
Damit geht die Universität Leipzig nach neun Präsenzwochen seit Start des Wintersemesters 2021/22 wieder in die Online-Lehre über. Eine genaue Beobachtung des aktuellen Infektionsgeschehens und einige besorgte Anfragen von Studierenden und Lehrkräften hätten die Entscheidung zugunsten der Digitallehre gefällt, begründete das Rektorat die neuen Maßnahmen.
Bereits vor zwei Wochen hatte der Krisenstab der Universität die Corona-Regeln verschärft, damals aber nur minimal, beispielsweise wurden Präsenzveranstaltungen auf eine Teilnehmer/-innenzahl von maximal hundert beschränkt. Lehrkräfte konnten in Eigenverantwortung und in Absprache mit den Studierenden Hybrid- oder Digitalformate anbieten, viele taten das in den letzten Wochen auch.
Noch vor zwei Wochen, am 23. November, warb Prorektor Thomas Hofsäss mit einem fortlaufenden Präsenz-Wintersemester. „Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Sie an der Alma mater Lipsiensis ihr Studium in Präsenz durchführen können“, schrieb Hofsäss hoffnungsvoll in einer Rundmail an Studierende. Nun gibt es Präsentationen und Diskussionen vorerst doch wieder auf Zoom und Co.
Viele Studierende und Lehrkräfte dürften angesichts der hohen Inzidenzen und dem Flickenteppich aus Präsenz-, Hybrid- und Onlineveranstaltungen an den verschiedenen Instituten in den letzten Wochen einerseits erleichtert über die einheitliche Regelung sein. Besonders in den Geistes- und Sozialwissenschaften ist es nicht selten, dass Studierende Module an verschiedenen Instituten oder gar Fakultäten belegen.
Dies führte aufgrund der unterschiedlichen Handhabung in den letzten Wochen dazu, dass man mitunter nach dem Präsenzseminar am Campus Augustusplatz zwei akademische Viertel – sprich eine halbe Stunde – lang Zeit hatte, um nach Hause zu fahren und sich für die nächste Online-Vorlesung vor den Laptop am heimischen Schreibtisch setzte. Für Mittagspausen bleibt da nicht mehr viel Zeit.
Studierendenvertretung fordert erneut Freiversuche und Regelstudienzeitverlängerung
Gleichzeitig steigt die psychische Belastung bei Studierenden mit jeder Woche Online-Uni, wie Studien und die stark erhöhte Nachfrage von psychosozialen Beratungen währen der Pandemie belegen. Freude über den erneuten Wechsel zur Digitallehre nach drei Online-Semestern wird bei vielen Universitätsangehörigen deshalb nicht aufkommen, auch wenn ein Großteil den jetzigen Schritt angesichts der dramatischen Corona-Lage in Sachsen befürwortet oder gar vor Wochen gefordert hat.
So auch die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS), ein Zusammenschluss der verschiedenen Studierendenräte der sächsischen Hochschulen. Obwohl die Rückkehr in den Onlinebetrieb absehbar und unvermeidbar gewesen sei, hätten Universitätsleitungen und die Politik zu nachlässig und schlecht vorbereitet reagiert, so die Kritik der KSS.
Unter anderem fordert die KSS, dass nun „unbedingt wieder angemessene Regelungen für Nachteilsausgleiche umgesetzt werden müssen“, beispielsweise eine Verlängerung der Regelstudienzeit und Freiversuchsregelungen. Diese Regelungen gab es bereits in vergangenen Corona-Semestern.
Am Donnerstag hatten die Landesrektorenkonferenz, die Berufsakademie Sachsen und der sächsische Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) ein Eckpunktepapier über „Zusätzliche Maßnahmen für das Wintersemester 2021/22“ vorgestellt. Darauf beruhen die heute beschlossenen Maßnahmen der Universität Leipzig.
„Psychisch desaströse Lage“ unter Studierenden
Die Studierendenvertretung KSS bewertet das Papier als unzureichend. „Es ist mir völlig unverständlich, wieso man nicht zumindest durch die Wiedereinführung der Freiversuchsregelungen etwas Druck von den Schultern der Studierenden nimmt“, sagt Felix Fink, Leipziger Student und Referent für Hochschulpolitik bei der KSS.
Viele Studierende würden durch die Regelungen erneut in ein Homeoffice-Loch fallen, Fink spricht von einer „psychisch desaströsen Lage“, in der vermehrt Vereinsamung, Depressionen und Abbruchgedanken auftreten würden. In den letzten Corona-Semestern sei deutlich geworden, dass Freiversuche Studierende trotz der schwierigen Situation sogar motivieren können, mehr Prüfungen abzulegen und diese auch zu bestehen.
Neben mehr Prüfungsversuchen fordert die KSS eine erneute Erhöhung der Regelstudienzeit für das aktuell laufende Semester. Viele Studierende sind darauf angewiesen, ihr Studium in der sogenannten Regelstudienzeit zu absolvieren, da sie nur in diesem Zeitraum die Ausbildungsförderung Bafög erhalten. Seit Beginn der Pandemie wurde den Studierenden in Sachsen für jedes Corona-Semester ein Semester Regelstudienzeit automatisch angerechnet. Für das aktuelle Semester ist das bisher nicht der Fall.
Fink von der KSS appelliert daher direkt an Wissenschaftsminister Gemkow, den Paragraphen 114a des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes erneut anzuwenden und die Regelstudienzeit unverzüglich zu erhöhen: „Helfen Sie uns Studierenden und handeln Sie endlich!“
„Solidarwochen“ zur Abschwächung des Infektionsgeschehens
Laut Prorektor Thomas Hofsäss weisen die rund 30.000 Studierenden der Universität eine „Durchimpfungsquote“ von etwa 90 Prozent auf. Wie und wann diese Quote berechnet wurde, ist nicht bekannt. Die zwei Digitalwochen sollen zur „Stabilisierung der Verhältnisse“ beitragen, so die Universitätsleitung.
Mit Testzentren und Impfangeboten an der Uni und der genannten hohen Impfquote sei man auf einem guten Weg. „Wir gehen davon aus, bei sinkenden Infektionszahlen – beispielsweise ab der zweiten Januarhälfte – schrittweise wieder zu mehr Präsenz zu kommen.“
Nach aktuellem Stand bleiben die Mensen und Cafeterien trotz Digitallehre geöffnet. Stand Montag 17 Uhr hat das Studentenwerk keine gegenteiligen Nachrichten verbreitet. Ein erheblicher Teil der Mittagsgäste dürfte ab 13. Dezember dann aber wegfallen.
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Dass die Universität Leipzig (und auch die HTWK) ihre Studenten besonders schlecht behandelt, ist seit Jahr(zehnt)en bekannt. Ruppigkeit ist der Modus des Leitungspersonals bis hinab zu den Fakultäten (bzw. den Fachbereichen), das am liebsten nur mit sich beschäftigt sein möchte. Studenten sind ihm einfach nur lästig.