Mit wachsender Sorge betrachtet der Kinderschutzbund Leipzig derzeit, unter welchen Bedingungen Homeschooling in Leipzig stattfinden muss. Neben vielen guten Beispielen wird die Schere der Ungleichheit in den Schulen immer weiter aufgerissen. Schulmüde, abgehängte Schüler/-innen entstehen derzeit gerade in sozial ärmeren Familien. Der Kinderschutzbund schlägt eigentlich Alarm.

Die Mitarbeiter/-innen der Sozialpädagogischen Familienhilfe des Kinderschutzbundes Leipzig haben ihre Perspektive auf die Situation niedergeschrieben

Hier ist ihre Sichtweise zur Situation der Leipziger Schüler/-innen im Homeschooling:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Sorge nehmen wir, die Familienhelfer/-innen des Kinderschutzbundes Leipzig e. V. wahr, unter welchen Bedingungen Homeschooling in Leipzig stattfindet. Wir betreuen über 40 Familien in Leipzig und erleben bei unseren täglichen Hausbesuchen überforderte Eltern, müde und ausgelaugte Kinder und Jugendliche und Familien, die ihre Kinder nicht bei den Herausforderungen des häuslichen Unterrichts unterstützen können. Im Folgenden möchten wir unsere Perspektive schildern.

Unserer Ansicht nach, sind die Kinder und Jugendlichen nach wie vor zu wenig beachtete Leidtragende dieser Pandemie. Sie erfahren einen enormen Druck durch an sie gerichtete Forderungen und die Fülle an Schulaufgaben. Oft leiden Sie auch durch fordernde und ungehaltene Eltern, die ihrerseits versuchen der Pflicht nachzukommen, die Kinder zum Erledigen der Aufgaben zu motivieren. Alle Akteur/-innen bewegen sich in einem Feld langanhaltender Überforderung und einem chaotischen Zustand, welche sich in vielerlei Gestalt zeigen.

Zum einen ist da die Institution Schule, die den Schüler/-innen zu viel Stoff aufträgt, (sodass) sich in den Kinderzimmern die Arbeitsaufträge stapeln. Über allem schwebt die ,Androhung‘, dass die Aufgaben benotet werden, was zu noch mehr Druck führt. Fehlendes Feedback seitens der Lehrkräfte führt dazu, dass viele Kinder und Jugendliche keine Selbstwirksamkeit mehr spüren und bei Problemen, den Unterrichtsstoff zu verstehen, mehr und mehr zurückgeworfen werden.

Sie fühlen sich alleingelassen, nicht gesehen und hilflos. Eine nicht unerhebliche Herausforderung sind die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Viele der Kinder und Jugendlichen, die wir begleiten, haben nicht die nötige technische Ausstattung, um im vollen Umfang am digitalen Unterricht teilzunehmen. Es entstehen für die Familien zusätzliche Kosten für Neuanschaffungen oder beispielsweise das Ausdrucken der nötigen Materialien.

Für viele Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, bedeutet der digitale Unterricht eine weitere Barriere. Ohne Unterstützung, wie sie im Schulalltag implementiert wurden, sind die Aufgaben für diese Kinder weder verständlich noch ausreichend zu bewältigen.

So werden schulmüde Kinder produziert. Die Motivation sinkt sowohl bei den Kindern und Jugendlichen als auch bei den Eltern immer weiter. Die in der Bildung entstehenden Nachteile für sozial schwache Kinder und Jugendliche sind derzeit nicht absehbar. Es besteht ein dringender Handlungsbedarf.

Daher fordern wir als Familienhelfer/-innen des Kinderschutzbundes Leipzig e. V.:

– Das Aufgabenpensum muss reduziert werden. Der Druck, der durch die Leistungsorientierung entsteht, darf nicht so schwer auf den Schultern der Schüler/-innen lasten.

– Die Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche in Ihrer Situation zu erreichen, sollen mehr ausgeschöpft werden. Lehrer/-innen sollen noch stärker bei den Schüler/-innen nachfragen, denen Ressourcen fehlen, um der derzeitigen Situation zu begegnen.

– Gehen Sie auf die besonderen Bedürfnisse der Schüler/-innen ein. Kinder und Jugendliche brauchen in dieser Situation eine andere Ansprache, wenn es darum geht, sie für die Bewältigung des Stoffes zu motivieren. Mit dem Wegfall der sozialen Kontakte, fehlt ein wichtiger Faktor, der das Lernen leichter macht.

– Kinder und Eltern sollen bei der Planung des Homeschoolings mehr einbezogen werden, sodass auch eine größere Transparenz entsteht.

– Anstehende Aufgaben sollen in einer Wochenübersicht zur Verfügung gestellt werden. Diese wird den Schüler/-innen am besten jeden Montag zugesendet.

– Die Zahl von kreativen, bewegungsfördernden und auch sozialen Aufgaben muss erhöht werden. Diese Bereiche verkümmern in der Pandemie immer mehr. Und dabei sind sie für das ganzheitliche Lernen und auch die Motivation enorm wichtig.

Wir erleben natürlich auch Lehrer/-innen, die auf besonders kreative, engagierte Weise den Lernstoff vermitteln. Sie schaffen es die Schüler/-innen zu motivieren und fordern sie auf einem der Situation angemessenen Niveau.

Uns ist natürlich bewusst, dass diese Pandemie und die daraus folgenden Anforderungen an unseren (Arbeits)Alltag uns alle über die Maßen fordern. Aber wir dürfen uns nicht darauf ausruhen. Wir dürfen nicht glauben, dass wir so weitermachen können, bis die Pandemie und die Schutzmaßnahmen ein Ende finden. Wir befinden uns nun seit fast einem Jahr in dieser Situation. Und seit März 2020 hat sich in Bezug auf das Homeschooling einfach noch zu wenig getan.

An dieser Stelle wenden wir uns an die Kommunen, die Jugendämter, das Land Sachsen und seine Behörden. Schaffen Sie Voraussetzungen, in denen ein digitaler Unterricht gut möglich ist. Unterstützen Sie noch mehr die Schulen und die Lehrer/-innen bei ihren Aufgaben. Helfen Sie ihnen mit Weiterbildungen, Mentoring, Best-Practice-Beispielen, Handlungsleitfäden, etc. dabei, ihrem Auftrag gerecht zu werden.

Unterstützen Sie dabei, den Fernunterricht angemessen mit allen Beteiligten zu evaluieren und anzupassen. Tragen Sie dafür Sorge, dass alle Schulen und auch die Familien mit genügend (technischen) Ressourcen ausgestattet werden. Setzen Sie Sozialarbeiter/-innen ein, die den Kindern und Jugendlichen bei der Bewältigung der Schulaufgaben helfen und entlasten Sie damit Lehrer/-innen und Eltern.

Alle Kinder und Jugendlichen sollen bestmöglich lernen können. Da verfolgen wir doch das gleiche Ziel!

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