Die Sachsen haben zwar im September mehrheitlich Parteien gewählt, die dem Volksantrag zum längeren gemeinsamen Lernen skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Und das, obwohl die meisten Sachsen das längere gemeinsame Lernen wollen. Aber bei Wahlen entscheidet eben nicht nur ein Thema. Die Gemeinschaftsschule hat es trotzdem in den Koalitionsvertrag geschafft.

Und das auch, weil mit SPD und Grünen zwei Parteien in der Koalition sind, die das Anliegen unterstützen. Und es war ja logisch, dass diese nun wirklich neue Regierungsfindung für niemanden ein klares Ergebnis im Koalitionsvertrag bringen konnte. Er muss zwangsläufig ein Kompromiss sein, in dem auch die seit 1990 regierende CDU ihre Position wiederfinden will – auch beim Thema Gemeinschaftsschule. Denn seit 1990 steht die Partei nun einmal für das früh nach „Leistung“ sortierende Schulsystem, das die CDU-Politiker auch für den Grund dafür ansehen, dass sächsische Schüler bei PISA und ähnlichen Tests gut abschneiden.

Im Koalitionsvertrag, den SPD, CDU und Grüne am Sonntag, 1. Dezember, vorstellten, heißt es nun:

„Ermöglichung von Gemeinschaftsschulen

Wir werden den mit dem Volksantrag vorgelegten Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren zügig, vollständig und in Abstimmung mit den Vertrauenspersonen des Volksantrages beraten und die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen in Sachsen ermöglichen.

Gemeinschaftsschulen können dort eingerichtet werden, wo der gemeinsame Wille des Schulträgers, der Lehrkräfte, der Eltern und der Schülerinnen und Schüler dazu besteht. Mit differenzierten Regelungen für große und kleine Schulstandorte sichern wir die Bildungsqualität und gewährleisten die Stabilität unseres Schulnetzes. Zu diesem Zweck ermöglichen wir die Sächsische Gemeinschaftsschule von Klasse 1 bis 12. Außerhalb der Ober- und Mittelzentren können sich Oberschulen das besondere pädagogische Profil ,Längeres gemeinsames Lernen‘ geben – und sich damit zur Oberschule+ entwickeln, welche die Klassenstufen 1 bis 10 umfasst.

Im Dialog mit den Vertrauenspersonen des Volksantrags werden wir einen entsprechenden Änderungsantrag erarbeiten.“

***

Besonders stark unterstützt hatte den Volksantrag die Linkspartei, die jetzt mit dem Verhandlungsergebnis nur vorsichtig zufrieden ist.

Zu den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag hinsichtlich des Volksantrages „Gemeinschaftsschule in Sachsen – länger gemeinsam lernen“ erklärt Luise Neuhaus-Wartenberg, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag: „Bald können Eltern, Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler endlich auch in Sachsen auf die Trennung nach der 4. Klasse verzichten. Gemeinschaftsschulen und längeres gemeinsames Lernen werden grundsätzlich möglich.

Das ist ein klarer Erfolg für unser Bündnis und auch für uns Linke, die wir knapp die Hälfte der Unterschriften gesammelt haben. Ohne Volksantrag hätte es in den Koalitionsverhandlungen kaum Druck für unser Anliegen gegeben. Logisch! Die zweite gute Nachricht ist, dass nach 15 Jahren wieder ein Volksantrag den Landtag erreicht hat.

Jenseits davon, dass das ein Zeichen der Hoffnung für die Demokratie ist, ist es eine Ermutigung für andere, der von der CDU eingeschläferten Volksgesetzgebung wieder Leben einzuhauchen.“

Dann kommt jedoch ihr großes Aber: „Die CDU kippt allerdings wieder einen großen Eimer Wasser in den Wein. Denn sie besteht dem Vernehmen nach auf eigenen Änderungen am Volksantrag, ohne die es keine Zustimmung geben soll. Das hinterlässt einen Eindruck von Misstrauen gegenüber den Initiatorinnen und Initiatoren des Volksantrages und allen Wählerinnen und Wählern, die ihn mittragen. Dass die Koalitionäre einen eigenen Vorschlag unterbreiten werden, ist nur ein geringer Trost.

Die CDU errichtet damit höhere Hürden für die praktische Gründung von Gemeinschaftsschulen. Das Anliegen des Volksantrages war ein anderes, nämlich den Akteuren vor Ort bei gemeinschaftlichem Handeln unkompliziert die Option Gemeinschaftsschule zu eröffnen. Ich erwarte, dass die CDU die anstehende Debatte sachlich führt und den Wunsch vieler Menschen respektiert, eine Gemeinschaftsschule wählen zu können.

Das ist der klare Wunsch der Bevölkerungsmehrheit, auch der CDU-Anhänger. Wir werden den Änderungsantrag der Koalition zum Volksantrag genau prüfen und dann über die nächsten Schritte entscheiden.“

Und was sagt das Bündnis Gemeinschaftsschule selbst?

Es sieht den Volksantrag des Bündnisses „Gemeinschaftsschule in Sachsen – Länger gemeinsam Lernen“ jetzt erst recht als wichtigen Impuls für die Koalitionsverhandlungen. Die Gemeinschaftsschule von Klasse 1 bis 12 kommt.

„Dies ist ein wichtiger Schritt für die Bildungslandschaft in Sachsen, über den wir uns freuen. Mehr als 50.000 Bürgerinnen und Bürger haben klar bekundet, dass sie sich längeres gemeinsames Lernen wünschen. Der Dank gilt insbesondere denen, die unermüdlich gesammelt haben. Für uns als Bündnis ist dies Ansporn für die weitere Arbeit“, so Doreen Taubert, Vertrauensperson des Volksantrages.

Allerdings haben sich die Koalitionspartner auf Änderungen am Gesetzestext des Volksantrages verständigt.

„Dass die CDU den Volksantrag nicht eins zu eins mittragen will, kommt für uns nach deren Landesparteitag nicht überraschend. Unser Gesetzentwurf ist von Fachleuten verfasst und wohl durchdacht, deshalb müssen etwaige Änderungen gut begründet sein“, ergänzt Burkhard Naumann, Koordinator des Bündnisses und stellvertretende Vertrauensperson des Volksantrages.

„Wir stehen für Gespräche gern bereit. Klar ist: Das Grundanliegen des längeren gemeinsamen Lernens darf nicht ausgehöhlt werden. Die Gemeinschaftsschule von Klasse 1 bis 12 soll ohne Hürden eingeführt werden. An den Beratungen und der Debatte im Landtag werden wir uns gern beteiligen. Wir gehen davon aus, bald mit der Koalition ins Gespräch zu kommen, um mögliche Änderungen im Detail prüfen zu können.“

Linke, Grüne und SPD unterstützen das Bündnis und beteiligten sich neben Gewerkschaften, Sozialverbänden, Vereinen, Studierenden-, Eltern- und Schülervertretungen an der Unterschriftensammlung.

Das Wahlergebnis ist keine Entscheidung über den Volksantrag zum längeren gemeinsamen Lernen

Das Wahlergebnis ist keine Entscheidung über den Volksantrag zum längeren gemeinsamen Lernen

 

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 1. Oktober 2019): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 450 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar