Für FreikäuferLEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 70, seit 23. August im HandelDr. Gerold Bausch will Schluss machen mit der Unwissenheit über die (eigenen) Daten. Deshalb bietet der Professor für eingebettete Systeme und Signalverarbeitung, eine Stiftungsprofessur, finanziert von der Leipziger Stiftung für Innovation und Technologietransfer, vom 16.–20. September eine Data Week für Studenten der HTWK an. Sein Ziel: Sensibilisieren für den Umgang mit Daten und deren Chancen aufzeigen. Und eins ist ganz wichtig: Keine Angst!
Herr Dr. Bausch, Sie bieten eine Data Week für Studierende zur Sensibilisierung für das Thema an. Haben wir die Kontrolle über unsere Daten verloren?
Allgemein ist das schwierig zu beantworten. Es kommt darauf an, was der Einzelne mit seinen Daten tut und was nicht. Wir haben alle die Wahl, ob wir beispielsweise Dienste wie Facebook, Instagram und WhatsApp nutzen wollen oder nicht. Den Nutzern muss klar sein, dass die dahinterstehenden Unternehmen mit unseren Daten Geld verdienen, denn für die Nutzung der Apps zahlen wir keinen Cent.
Vielen Nutzern ist dabei gar nicht bewusst, welche Informationen sich aus diesen Daten ableiten lassen und was man damit alles machen kann – sowohl im positiven als auch negativen Sinn. Natürlich freue ich mich, wenn ich mich global mit Freunden und Gleichgesinnten vernetzen und Ideen austauschen kann oder alte Schulfreunde wiederfinde.
Aber die Beeinflussung der Wahl von Donald Trump zum Präsident der Vereinigten Staaten und die Abstimmung zum Brexit in Großbritannien durch Social Media haben gezeigt, in welchem Ausmaß man mit diesen Informationen auch demokratische Prozesse beeinflussen kann. Und darum geht es unter anderem ja auch in unserer Data Week: Wir wollen den Teilnehmern nicht nur zeigen, mit welchen Werkzeugen man aus Daten Informationen ableiten kann, sondern auch, wie man damit verantwortungsvoll umgehen sollte. Und wie immer lassen sich diese Werkzeuge für gute als auch schlechte Zwecke einsetzen.
Dennoch bin ich überzeugt, dass die nützlichen Sachen überwiegen, nur darüber wird nicht häufig gesprochen beziehungsweise werden diese Sachen als selbstverständlich erachtet.
Na dann machen Sie das doch jetzt.
Da gibt es viele. Über die sozialen Medien finden sich Freunde wieder, die sich vor Jahren aus den Augen verloren haben und Business-Netzwerke verbinden zukünftige Mitarbeiter mit Unternehmen. Wenn man mehr über die Nutzer bzw. Kunden erfährt, kann man allgemein bessere Dienstleistungen und Waren anbieten, die zielgerichteter auf Kundenwünsche zugeschnitten sind oder auf neue Angebote hinweisen, die einen wirklich interessieren.
Darüber hinaus werden durch die Verwendung von Daten zudem erst neue Produkte und Geschäftsmodelle möglich, die bisher nicht effizient und damit für den Kunden kostengünstig möglich waren – wie beispielsweise Car- oder Bike-Sharing. Auch der öffentliche Nahverkehr lässt sich damit so erweitern, dass möglichst viele Menschen davon profitieren.
Ein weiterer Vorteil ist die Wissenschaft. Mit Hilfe der Daten können wir ganz anders arbeiten. Klassischerweise wird in der Wissenschaft eine Hypothese aufgestellt, anschließend werden zielgerichtet Daten gesammelt und Erkenntnisse gewonnen. Das dauert. Was aber, wenn ich die falschen Daten erhoben oder die falschen Fragen gestellt habe? Mit Big Data haben wir bereits eine Unmenge an Daten und die Wissenschaft kann nach Verhaltensmustern oder Zusammenhängen forschen, die man vorher gar nicht vermutet hatte.
Die Liste ließe sich um etliche weitere positive Aspekte erweitern. Während der Data Week will ich den Teilnehmern keine Angst machen, sondern vielmehr sensibilisieren im Umgang mit den Werkzeugen und Chancen aufzeigen. Das ist letztendlich nichts anderes, als jemandem das Lesen beizubringen. Diese Person ist dann in der Lage, selbstständig nach Informationen zu suchen als nur das zu glauben, was andere ihr sagen.
Kann ich aber heutzutage überhaupt verhindern, dass jemand meine Daten ohne mein aktives Zutun bekommt?
Jein! Irgendwo hinterlassen wir immer Spuren, wenn wir digitale Medien nutzen. Aber es gibt mittlerweile viele Einstellmöglichkeiten, um die Privatsphäre zu schützen. Aber nehmen wir das Beispiel Fitnessuhr. Der Hersteller bekommt beim Kauf einmal von ihnen Geld. Und die Firma verdient dann damit Geld, dass sie die Daten nutzen, um Ihnen andere Dienste anzubieten, weil sie wissen, wie Sie die Uhr nutzen.
Die Firma sieht Trends, fördert die Bildung von Communities. Gleichzeitig verkauft sie ihre Daten an Marketingfirmen, die dann weitere Trends sieht und ihnen zielgerichtet Zusatzprodukte anbietet. Dass diese Informationen weitergereicht werden, wenn man die Privatsphäreneinstellungen nicht entsprechend anpasst, steht auch in den AGBs, aber die muss man vorher natürlich lesen oder man kauft keinen Fitnesstracker.
Wenige Menschen würden ihre Daten so sorglos auf der Straße an Promoter von Tierrettungsorganisationen oder Fernsehanbieter weitergeben, aber im Netz funktioniert das. Warum?
Ich denke, viele wissen gar nicht, was mit ihren Daten passiert. Deswegen wollen wir über die Data Week sensibilisieren, wie einfach man an Daten kommen kann und vor allem, welche Informationen man aus wenigen Datenpunkten ableiten kann. Sie als Nutzer merken ja gar nicht, was alles mitgezeichnet wird, wenn sie surfen.
Wenn ich auf einer Website war, habe ich auf einer anderen Website eine Werbung dazu. Die meisten Browser besitzen aber einen Modus, mit dem ich anonymen surfen kann. Diesen kann man standardmäßig einschalten. Dann werden auch keine Informationen weitergegeben. Der Datensammelwut vieler Unternehmen kann man kann also einen Riegel vorschieben.
Wie einfach kommt man denn an Daten?
Jede Internet-Seite, die Sie besuchen, hinterlässt Fußabdrücke und die nächste Website weiß dann, wo sie vorher schon gewesen sind. Deswegen sehen Sie von diesen Seiten dann auch Werbung auf anderen Seiten. Mit ein bisschen Statistik reichen wenige Datensätze, um herauszufinden, welche Gewohnheiten der Mensch hinter diesem Browser-Verlauf besitzt. Verschiedene Datenquellen lassen sich auch miteinander verknüpfen.
Und auch wenn man nur wenige Informationen über eine Person besitzt, kann man relativ einfach vorhersagen, was diese Person im Netz als nächstes suchen wird, welcher Einkommensgruppe man angehört und welche aktuellen Sorgen einen plagen, wenn man beispielsweise nach Medikamenten oder Krankheitsverläufen sucht.
Im September findet die Data Week für alle interessierten Studierenden der HTWK statt. Was passiert da?
Wir wollen den Teilnehmern einen guten Mix aus dem Umgang mit Werkzeugen zur Datenanalyse, statistischen Methoden und weitergehendem Wissen vermitteln, damit sie zukünftig eigenständig Informationen aus Daten ableiten können. Und auch der verantwortungsvolle Umgang mit den Werkzeugen soll vermittelt werden.
Der Umgang mit Daten wird in vielen Berufen zunehmend wichtiger. Das bietet die Möglichkeit, objektivere Entscheidungen zu treffen. Wir werden kaum noch Entscheidungen aus dem Bauch heraus treffen, sondern aufgrund von Daten. Damit muss man umgehen lernen, egal ob man Ingenieur oder BWLer ist.
Darüber hinaus wollen wir zeigen, welche Daten man nutzen kann, um dann Aussagen, die von Experten in die Welt gesetzt worden sind, zu überprüfen. Und vor allem: Wie kann ich Daten grafisch so darstellen, um die Informationen richtig zu interpretieren. Das Ganze ist selbstverständlich sehr praktisch angelegt.
Die Teilnehmer werden selbständig Python-Programme schreiben und Daten verarbeiten und dadurch einen Einblick in die Vielfalt bekommen, die mit diesen Werkzeugen möglich sind. Denn wenn man weiß, was man mit Daten alles machen kann, gehen die Teilnehmer in Zukunft hoffentlich etwas sorgsamer mit ihren eigenen Daten um.
Es gibt auch praktische Übungen zu Data Mining. Was ist das?
Das ist letztlich das Zusammentragen von Daten. Es gibt viele Daten, die frei verfügbar sind – Mietpreise, Umweltdaten beispielsweise zur Feinstaubbelastung. Das Data-Mining funktioniert aber automatisch, wenn ich mir einen Bot, also ein Stück Software baue, der beispielsweise von Twitter relevante Daten zu einem Thema runterlädt.
Ich plane, bei der Data Week einen Bot zu zeigen, mit dem man Tweets von Donald Trump herunterladen und damit sein Twitter-Verhalten analysieren kann. Dann kann man herausfinden: Mit welchem Endgerät tweetet er, hat er überhaupt noch Zeit zum Arbeiten? Die Daten kann ich dann visualisieren, analysieren und deuten.
Wir haben uns Spiegel-Mining als Beispiel genommen: David Kriesel hat die Artikel von „Der Spiegel“ analysiert. Dadurch fand er heraus, wann welches Ressort anfängt zu arbeiten, an welchen Tagen welche Redakteure arbeiten, welche Redakteure gerade im Urlaub sind, welche Redakteure zeitgleich im Urlaub sind. Wenn das sehr häufig der Fall ist, lässt sich vermuten, dass diese Redakteure wahrscheinlich ein Paar sind. Das würde natürlich auch bei privaten Nutzern gehen, die ihren Facebook- oder Instagram-Account vollkommen ohne Privatsphäreneinstellung betreiben.
Wie ist die bisherige Resonanz bei der Anmeldung?
Wir sind gespannt, wie es ankommt. Die Anmeldezahlen sind gut, auch Nichtstudierende haben bereits Interesse angemeldet. Aber erstmal wollen wir die Data Week nur für Studierende anbieten und sie sensibilisieren. Es soll aber keine Eintagsfliege bleiben. Perspektivisch werden wir das Format sicher noch für weitere Interessenten öffnen. Am besten wäre es, wir könnten Menschen noch viel früher auf dieses mächtige Werkzeug aufmerksam machen und für die damit verbundenen Chancen und Risiken sensibilisieren.
Alles Weitere zur Data Week vom 16.–20. September auf www.htwk-leipzig.de
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