Sachsen kam spät zu Potte, was das Thema Lehrermangel betrifft. Eigentlich erst 2016. Da hieß die zuständige Kultusministerin noch Brunhild Kurth und nach fünf Jahren des Versuchs, das Problem mit den fehlenden Lehrer/-innen irgendwie mit Notfallkoffern zu lösen, beschloss Sachsens Regierung endlich ein „Lehrermaßnahmenpaket“, für das einmal richtig Geld in die Hand genommen wurde. Über 200 Millionen Euro. Ein Bestandteil dieses Pakets war die sogenannte Bindungszulage.

Die können ältere Lehrkräfte in Anspruch nehmen, wenn sie nicht mit 63 in den regulären Ruhestand gehen, sondern noch ein bisschen Zeit im aktiven Schuldienst dranhängen. Für Sachsens Kultusministerium war das ein echter Paradigmenwechsel. Man sah vorher nicht so recht ein, warum man auch ältere Lehrer noch im Schuldienst halten sollte. Selbst wenn diese selbst es wollten. Nicht jeder alte Lehrer ist ein Starrkopf oder nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Im Gegenteil – viele haben einen echten Fundus antrainiert, wie man jungen Leuten wirklich auch die schwersten Lerninhalte beibringt.

Als dann 2016 wirklich Sachsen in Not war und das Kultusministerium auch das Anwerben von Seiteneinsteigern forcierte, hatte man endlich auch ein Einsehen für die Lehrerinnen und Lehrer, die bereit waren, noch etwas länger zu unterrichten.

2017 konnte dann der Kurzzeit-Kultusminister Frank Haubitz verkünden, dass dieser Programmbaustein durchaus erfolgreich war: „Die Mehrheit der Lehrkräfte im sächsischen Schuldienst will vor dem Eintritt der Regelaltersgrenze ab 63 Jahren in Rente gehen. Doch die Erfahrung dieser Lehrerinnen und Lehrer wird dringend gebraucht. Wer trotzdem länger unterrichtet, erhält deshalb nach Vollendung des 63. Lebensjahres eine Bindungszulage in Höhe von etwa 700 bis 800 Euro brutto mehr im Monat. Bisher nahmen 546 Lehrer diese Möglichkeit in Anspruch.“

Das Lehrermaßnahmenpaket blieb auch nach Haubitz’ schnellem Ausscheiden in Kraft.

Petra Zais, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, wollte nun freilich doch gern wissen, ob dieser Paketbestandteil noch funktioniert. Sie wollte es schon etwas genauer wissen. Denn nur wenn man auch Gründe kennt, kann man auch als Politiker einschätzen, warum Lehrer/-innen die Option nutzen oder auch nicht. Vielleicht könnte man sie ja noch attraktiver machen?

„Wie viele der unter 1. genannten Anträge wurden aus welchen Gründen abgelehnt?“, fragte Zais. Aber gerade darauf hat auch das Schulministerium keine Antwort: „Eine statistische Erfassung der Anträge erfolgt nicht.“

Also bleiben nur die nackten Zahlen. Aber die sagen eine Menge über den Erfolg des Programms aus, denn die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer, die eine Bindungszulage beantragt haben, hat sich seit der Auswertung durch Frank Haubitz noch weiter erhöht. Aktuell gewährt das Kultusministerium in 1.422 Fällen eine Bindungszulage. 1.422 Lehrerinnen und Lehrer haben sich also bereitgefunden, übers 63. Lebensjahr hinaus weiter zu unterrichten.

Davon allein 414 am Bildungsstandort Leipzig (die Landkreise mit eingeschlossen). In Dresden sind es 397 und in Chemnitz 268. Das sind gleich mehrere Schulen, die auf diese Weise mit Lehrern bestückt werden könnten. Wobei die im Beruf bleibenden Pädagogen natürlich vor allem die Engpässe in den vorhandenen Schulen mindern.

Dabei haben sich mit 413 Pädagogen sogar besonders viele an Oberschulen bereiterklärt, noch weiterzumachen, dort also, wo der Lehrermangel am spürbarsten ist. Aber auch in Förderschulen hängen 165 ausgebildete Pädagogen noch ein paar Jahre dran. Und sogar in den Grundschulen fanden sich 415 Lehrerinnen und Lehrer, die sich die Bändigung der kleinen Rangen noch ein paar Jahre zutrauen.

So gesehen ein recht erfolgreicher Paketbestandteil, der die Not des Kultusministeriums bei der Lehrersuche an entscheidender Stelle deutlich gemindert hat.

Sächsische Lenkungspraxis produziert noch immer abgewiesene Lehrkräfte und frustrierte Lehrer/-innen

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