Am Donnerstag, 20. Juni, lud das Bündnis Gemeinschaftsschule in Sachsen nach Dresden ein, um das Finale der großen Unterschriftensammlung für den Volksantrag zur Einführung einer Gemeinschaftsschule bekannt zu geben. 41.353 bestätigte Unterschriften wurden für den Volksantrag gesammelt, mit dem ein völlig erstarrtes Schulsystem in Sachsen endlich geöffnet werden soll.
„Nach fünf größeren Aktionstagen bzw. Aktionswochen und einem Sammelzeitraum von neun Monaten sind wir mit dem ersten Teil, unseren Gesetzentwurf in den Landtag zu bringen, fast am Ziel. Unser Dank gilt allen Sächsinnen und Sachsen, die längeres gemeinsames Lernen durch ihre Unterschrift auf dem Volksantrag unterstützt haben“, sagte Burkhard Naumann, Koordinator des Bündnisses, am Donnerstag. „Der Sächsische Landtag wird sich in 2019 mit unserem Gesetzentwurf befassen. Er hat die Chance, den Weg für die Gemeinschaftsschule freizumachen.“
Es wird der neu gewählte Landtag sein, der sich dann mit dem Volksantrag beschäftigen muss. Oder darf.
„Mit 41.353 bestätigten Unterschriften ist das erforderliche Quorum für einen Volksantrag erfüllt“, stellt Burkhard Naumann fest. „Um auf der sicheren Seite zu sein, kann ein Puffer bei der Übergabe an den Landtagspräsidenten nicht schaden. Deshalb darf die Zahl in den nächsten Tagen gern noch größer werden.“
Bis zum 17. Juli müssen alle bestätigten Listen im Sammelbüro des Bündnisses Gemeinschaftsschule vorliegen.
„Das ist die Deadline“, sagt Naumann. „Deshalb bitten wir nachdrücklich darum, alle noch im Umlauf befindlichen Listen bestätigen zu lassen und zeitnah in die Post zu geben“, erläutert Naumann den weiteren Ablauf. Nach dem 17. Juli wird das Bündnis circa drei bis vier Wochen Zeit haben, die Listen zu lochen, nach Gemeinden zu sortieren und zu nummerieren sowie die über 90 Ordner zu beschriften. Die Übergabe könnte dann Mitte August stattfinden.
Ziel des Bündnisses „Gemeinschaftsschule in Sachsen – Länger gemeinsam Lernen“ ist es, durch Unterschriftensammlung zum Volksantrag eine Änderung des Schulgesetzes sowie des Gesetzes über die Schulen in freier Trägerschaft herbeizuführen. Die Gemeinschaftsschule soll als zusätzliche Schulart in Sachsen ermöglicht werden. Für die Sammlung stützt sich das Bündnis auf eine Reihe von Unterschriftenbüros, von denen aus die offiziellen Bögen – nur diese werden anerkannt – verteilt und wieder eingesammelt werden.
SPD steht hinter dem Projekt Gemeinschaftsschule
Hinter dem Ziel, in Sachsen Gemeinschaftsschulen zu schaffen, steht auch die SPD, die beim Thema Schule beim Koalitionspartner CDU immer wieder auf Granit beißt.
„Mit dem Überschreiten der 40.000er-Marke ist ein wichtiges Etappenziel erreicht. Das freut mich sehr“, erklärte am Donnerstag Martin Dulig, Vorsitzender der SPD Sachsen, zum Abschluss der Stimmensammlung beim Volksantrag „Gemeinschaftsschule in Sachsen – Länger gemeinsam Lernen“. „Denn auch ich bin ein leidenschaftlicher Befürworter des längeren gemeinsamen Lernens. Die Entscheidung für eine Schullaufbahn im Alter von zehn Jahren treffen zu müssen, ist einfach viel zu früh. Deshalb will auch die SPD, dass Kinder länger gemeinsam lernen und deshalb machen wir uns für die Einführung von Gemeinschaftsschulen stark.“
Und dabei geht es nicht nur um eine spätere Entscheidung für eine gymnasiale Laufbahn, sondern auch um den Erhalt wichtiger Schulen in den ländlichen Räumen. Denn wenn Kinder dort länger gemeinsam in dieselbe Schule gehen, ist der Bestand der Schule schon allein aufgrund der Schülerzahlen leichter zu sichern.
Heute verschwinden ja nicht nur die Schulen, sondern auch die Kinder aus den ländlichen Regionen. Sachsens Schulpolitik hat eine gehörige Aktie an der Entleerung der ländlichen Räume.
„Gemeinschaftsschulen geben den Kindern Zeit für ihre Entwicklung und ermöglichen wohnortnahe Schulen“, sagt Dulig. „Freundschaften und soziale Beziehungen werden erhalten, der soziale Zusammenhalt gestärkt. Sie fördern den binnendifferenzierten Unterricht und eine moderne Schulkultur. Schaut man einmal, welche Schulen in Deutschland mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet werden, dann sind das vor allem Gemeinschaftsschulen. Das gilt auch für die diesjährige sächsische Schulpreisgewinnerin, die Kurfürst-Moritz-Schule. Sie war eine von neun Gemeinschaftsschulen, die in Sachsen mit dem Modellversuch in der ersten CDU/SPD-Koalition 2004 bis 2009 eingerichtet wurde. In dieser Zeit hat das heute prämierte Konzept seine Wurzeln. Das zeigt: Die Gemeinschaftsschule hat Erfolg, dem längeren gemeinsamen Lernen gehört die Zukunft.“
Und über die nächste Landtagswahl im September hinaus gibt er den Ausblick: „Der neu gewählte Landtag wird sich mit dem Volksantrag beschäftigen. Die sächsische SPD sagt ganz klar: Dieser kluge Gesetzentwurf hat unsere volle Unterstützung.“
Linkspartei sieht gesellschaftliche Mehrheit für die Gemeinschaftsschule
Neben Bündnis 90/Die Grünen steht auch die Linkspartei hinter dem Ziel Gemeinschaftsschule.
„Ich freue mich sehr darüber, dass die nötigen Unterschriften für den Volksantrag nun beisammen sind, und hoffe, dass die Zahl von 41.353 bestätigten Zeichnungen bis zum Einsendeschluss am 17. Juli noch kräftig wächst“, erklärte am Donnerstag Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion im Sächsischen Landtag. „Zum ersten Mal nach 15 Jahren gibt es in Sachsen eine erfolgreiche Gesetzgebungsinitiative aus der Bevölkerung – das ist ein historischer Erfolg. Ich danke allen, die dazu beigetragen haben. Und ich bin stolz auf meine Genossinnen und Genossen, die eine tragende Säule der Unterschriftensammlung waren und sind.“
Aber damit ist erst einmal nur die erste Hürde genommen. Danach ist erst einmal wieder der Landtag dran.
„Der Landtag wird sich noch 2019 mit dem Thema längeres gemeinsames Lernen befassen“, so Gebhardt. „Diese Forderung liegt uns seit jeher am Herzen – die Gemeinschaftsschule muss als zusätzliche Schulart möglich werden, damit echte Wahlfreiheit herrscht. Ich erwarte, dass die CDU die anstehende Debatte sachlich führt und den Wunsch vieler Menschen im Freistaat respektiert, auch eine Gemeinschaftsschule wählen zu können. Das ist der klare Wunsch der Bevölkerungsmehrheit, auch der CDU-Anhänger. Die Umsetzung des Volksantrages wäre ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum längeren gemeinsamen Lernen in Sachsen. Es ist höchste Zeit, dass sich die gesellschaftliche Mehrheit für die Gemeinschaftsschule auch im Landtag zeigt.“
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