Irgendwie ist Sachsen das Wissen darum abhanden gekommen, was es mit seinem Bildungssystem eigentlich erreichen will – tolle Ergebnisse in Rankings? Oder doch lieber echte Lernerfolge für die Kinder? Geht es um reines Reinstopfen von Wissen oder um junge Menschen mit besten Fähigkeiten zur Entdeckung der Welt? Nicht einmal bei all den Notfallpaketen der letzten Jahre war das Thema. Und auch die gewonnenen Seiteneinsteiger stopft man eher planlos ins System. So sieht es jedenfalls Petra Zais.
Denn Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger kommen in Sachsen vermehrt an Schulen zum Einsatz, die einen hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund aufweisen. Das geht aus der Antwort von Kultusminister Christian Piwarz (CDU) auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Petra Zais, der bildungspolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, hervor.
„In allen Schularten und Regionen kommen inzwischen Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger zum Einsatz. Das ist nicht grundsätzlich problematisch. Jedoch muss ihr Einsatz von qualifizierten Lehrkräften umfassend begleitet werden“, fordert Petra Zais. „Sind die Schulen ohnehin mit Problemlagen konfrontiert, kann das sowohl für die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger als auch für die Schulen und das Kollegium insgesamt zur Belastung werden.“
Christian Piwarz freilich konnte ihre Anfrage nicht vollständig beantworten. Es gibt nur bedingt belastbare Daten über den Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in den Schulen, keine Daten zu Kindern aus SGB-II-Familien. Also gerade jenen Kindern, die eigentlich besondere Förderung brauchen.
„Wir wissen in Sachsen zu wenig über die unterschiedlichen Rahmenbedingungen von Schulen und die soziale und kulturelle Zusammensetzung der Schülerschaft. Damit fehlt es an klaren Indikatoren für eine bedarfsgerechte Ressourcensteuerung“, erläutert die Abgeordnete.
„Anders als etwa in Berlin wird im Freistaat weder der Anteil der Schülerinnen und Schüler erfasst, die Anspruch auf Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket haben, noch die Zahl der Fehlstunden von Schülerinnen und Schülern. Erfasst wird lediglich – und auch das nur auf freiwilliger Basis – das Merkmal ‚Schüler mit Migrationshintergrund‘. Ein hoher Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund macht für sich genommen sicher noch keine ‚Problemlage‘ aus – erfordert aber Maßnahmen, zum Beispiel die erhöhte Zuweisung von Sprachlehrkräften.“
Im Ergebnis kann Piwarz zwar auflisten, dass die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger zwar vorrangig in Grundschulen und Oberschulen eingesetzt werden und nur eher selten an Gymnasien zu finden sind. Aber selbst diese Verteilung lässt ahnen, dass diese nicht grundständig ausgebildeten Pädagogen vor allem da Löcher stopfen, wo eigentlich mehr pädagogische Begleitung wichtig ist.
So hat die Stadt Chemnitz generell einen hohen Anteil an Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern: an Förderschulen 22 %, an Grundschulen 20 % (höchster Wert noch vor der Stadt Leipzig mit 19 %), an Oberschulen 21 % (Stadt Leipzig 22 %), an Gymnasien 3 %. An den Schulen, die einen doppelt so hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund aufweisen als der Durchschnitt der Schulen der betreffenden Schulart, sind tendenziell auch überdurchschnittlich viele Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger beschäftigt: an Förderschulen 26 % (höchster Wert noch vor Stadt Dresden mit 25 %), an Grundschulen 23 %, an Oberschulen 22 %, an Gymnasien 6 %.
Zum Vergleich: An den Schulen, die einen weniger als halb so hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund aufweisen als der Durchschnitt der Schulen der betreffenden Schulart, sind tendenziell weniger Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger beschäftigt: an Förderschulen 21 %, an Grundschulen 14 %, an Oberschulen 13 %, an Gymnasien 0 %.
„Die Landkreise und Kreisfreien Städte können bei Schulen mit erhöhten Bedarfen nur bedingt nachsteuern, etwa durch die Verteilung von Mitteln für die Schulsozialarbeit. Ich erwarte von Kultusminister Christian Piwarz, dass die unterschiedlichen Ausgangslagen von Schulen auch bei der Personalplanung berücksichtigt werden“, erklärt Zais. „Die gerechte Verteilung von ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern war ein gewichtiges Argument für die Verbeamtung – deshalb erwarte ich, dass von diesem Steuerungsinstrument jetzt auch Gebrauch gemacht wird.“
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