Es ist kein schönes Erbe, das Kultusminister Christian Piwarz (CDU) im Dezember übernommen hat. Viel zu spät. Viel zu lange hat seine Vorgängerin im Amt, Brunhild Kurth, die fatalen Folgen einer falschen Spar- und Einstellungspolitik gedeckt. Das Ergebnis: Zum Schuljahresstart 2018/2019 fehlen so viele Lehrerinnen und Lehrer wie nie zuvor.
„Das Gesamtergebnis kann uns nicht zufriedenstellen, war allerdings angesichts der Bewerberlage zu erwarten“, kommentierte Christian Piwarz am Donnerstag, 9. August, die Einstellungszahlen. Erst in den nächsten Jahren werde aufgrund des Lehrerpakets, welches im nächsten Jahr in Kraft treten wird, eine Verbesserung der Situation eintreten. Auf die 1.100 freien Stellen hatten sich 828 ausgebildete Lehrer und 1071 Seiteneinsteiger beworben.
Erfreulich sei allerdings, so der Minister, dass unter den Bewerbern immerhin 200 gewesen seien, die ihre Lehramtsausbildung in einem anderen Bundesland absolviert hätten. Darunter seien auch 71 verbeamtete Lehrer, die statuswahrend in den Freistaat wechseln konnten.
Mit Stand 7. August waren 870 der ausgeschriebenen 1.100 Stellen besetzt. Die meisten Einstellungen gab es für Grundschulen (302) und Gymnasien (275), gefolgt von Oberschulen (144), Berufsbildenden Schulen (75) und Förderschulen (74). Hinzu kommen 329 Seiteneinsteiger, die bereits seit Mai eine dreimonatige Einstiegsqualifizierung absolviert haben. Diese Seiteneinsteiger werden gleich zu Beginn des neuen Schuljahres an den Schulen tätig sein.
Den Warnschuss 2012 nicht gehört
Was dann auch die CDU im Landtag erstmals dazu veranlasste, den Schuljahresstart und die eigene Bildungspolitik einmal nicht schönzureden, sondern sich endlich einmal Asche aufs Haupt zu streuen. Denn dafür, dass seit 2011 die notwenigen Weichenstellungen nicht erfolgten, steht ganz allein die CDU in der Verantwortung.
Sie hat immer die Kultusminister und die Finanzminister gestellt und ab 2009, als klar war, dass es ein gewaltiges Lehrerproblem geben würde, nicht umgesteuert. Als der damalige Kultusminister Roland Wöller (CDU) Anfang 2012 von seinem Amt zurücktrat, hätte das eigentlich die ganze Regierungskoalition aufschrecken müssen. Aber der Schuss wurde einfach nicht gehört.
„Das wird ein schweres Schuljahr für alle! Lehrer, Schüler und Eltern müssen sich weiterhin auf Unterrichtsausfall einstellen. Das ist die bittere Realität“, stellte am Donnerstag der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages, Lothar Bienst, fest. „Wir müssen uns eingestehen, dass wir viel zu spät die Entwicklung erkannt und erst nach langen Diskussionen reagiert haben. Die geplante Verbeamtung wird erst ab nächstem Jahr wirksam greifen und den Exodus sächsischer Referendare langfristig beenden. Das stimmt für die Zukunft optimistisch.“
Ganz so einfach ist es wohl nicht. Die Warner vor dieser Misere saßen nur dummerweise die ganze Zeit in der Opposition. Und ihre Rufe wurden nicht erhört.
Natürlich melden sie sich auch jetzt wieder zu Wort. Und sie sind in keiner Weise überzeugt, dass die Hoffnung von Christian Piwarz auf sein eilig zusammengeschnürtes Lehrerpaket auch so in Erfüllung geht.
Kein Licht am Ende des Tunnels
„Die Hoffnungen von Kultusminister Christian Piwarz auf ‚Licht am Ende des Tunnels‘ klingen angesichts des gravierenden Lehrkräftemangels wie das Pfeifen im Walde. Der Rückgang der Quote von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern ist wohl eher darauf zurückzuführen, dass auch dieses Reservoir begrenzt und inzwischen nahezu erschöpft ist“, stellt Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, trocken fest.
Und dass, wie im Februar dieses Jahres geschehen, mehr als jede zweite neu eingestellte Lehrkraft nicht grundständig ausgebildet ist, werde kein „Ausreißer“ bleiben, sondern das Schulsystem auf lange Zeit prägen, ergänzt Zais.
„Dazu bleibt offen, wie viele den schweren Weg tatsächlich durchhalten. Ebenso wenig wird die Zahl der unbesetzten Stellen in absehbarer Zeit rapide sinken. Denn die Hoffnung, mit den Stundenkürzungen in Sport Lehrerinnen und Lehrer für andere Fächer zu gewinnen, wird sich als trügerisch erweisen. An dieser Stelle hat der Kultusminister nahtlos an die Fehlleistungen seiner Vorgängerinnen und Vorgänger angeknüpft“, sagt Zais. „Die Frage, ob eine allgemeine Zulage für nicht verbeamtungsfähige oder -willige Lehrerinnen und Lehrer möglich ist, muss dringend geklärt werden. Durchhalteparolen reichen längst nicht mehr aus. Für uns steht fest: Es muss einen Nachteilsausgleich gegenüber verbeamteten Lehrkräften geben. Zu dessen Ausgestaltung haben die Gewerkschaften Vorschläge unterbreitet. Diese gilt es nun zu prüfen und entsprechend umzusetzen.“
Und an Beratung zur Verbeamtung mangelt es aus ihrer Sicht erheblich: „Bereits vor Monaten haben wir angemahnt, eine umfassende Beratung für die Lehrerinnen und Lehrer bereitzustellen, für die eine Verbeamtung infrage kommt. Das ist noch immer nicht gewährleistet. Die bloße Information, dass der Beamtenstatus möglich ist, können potentielle Interessierte genauso gut der Presse entnehmen. Hier müssen Kultusministerium und Landesamt dringend tätig werden.“
Abwärtstrend in der Unterrichtsversorgung verschärft sich
Und erst recht skeptisch, ob Christian Piwarz mit seinem „Rettungsprogramm“ tatsächlich die Talfahrt beenden kann, ist die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Falken.
„Die Schwierigkeiten, den regulären Schulunterricht abzusichern, nehmen zu. Der Kultusminister versucht, eine Trendwende hinzubekommen; doch die Probleme scheinen ihm über den Kopf zu wachsen. Die Schulinfrastruktur ist marode und der Personalmangel gravierend“, zählt sie auf.
„Dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler um 4.600 zugenommen hat, ist an sich erfreulich. Doch mehr Schülerinnen und Schüler bedeuten auch mehr Schulen und mehr Lehrkräfte. An beidem fehlt es. Hier rächen sich die ‚Hypotheken der Vergangenheit‘: die rigorose Schulschließungspolitik und das übermäßige Sparen im Personalbereich.“
Sie hätte auch schreiben können: „Ich habe es euch immer wieder gesagt!“ Kaum jemand hat sich seit Jahren so intensiv mit den Zahlen zum sächsischen Schulwesen beschäftigt. Schon in Zeiten, als die diversen Finanzminister die Lehrerinnen und Lehrer noch immer in Teilzeit halten wollten und die absehbaren Altersabgänge einfach ignorierten.
Was sich dann unter Roland Wöller schon drohend abzeichnete und im Zusammenspiel mit dem sturen Finanzminister Georg Unland einfach nicht lösbar war, hat sich unter Brunhild Kurth nur immer weiter aufgeschaukelt und zeigt nun Folgen, die mit einem verantwortlich gestalteten Bildungswesen nichts mehr zu tun haben.
Cornelia Falken: „178.000 Überstunden haben die Lehrkräfte laut Kultusminister angehäuft. Und dennoch kann der Unterricht nicht abgesichert werden. Von den zum Schuljahresbeginn zu vergebenden 1.100 Stellen konnten wieder nicht alle besetzt werden, sondern lediglich 870. In der Konsequenz kündigt der Kultusminister an, den Grundbereich (regulärer Unterricht) nicht absichern zu können und den Ergänzungsbereich mancherorts auf null reduzieren zu müssen.
Sowohl die regionalen Unterschiede als auch die zwischen den Schulformen sind beträchtlich. Regional haben insbesondere die Region Bautzen und die Region Chemnitz mit dem Lehrermangel zu kämpfen. Das Gefälle bei den Schulformen ist erheblich. Während die Gymnasien vergleichsweise gut dastehen, geht es den Förderschulen besonders schlecht. Und selbst die Grundschulen geraten zunehmend in Schwierigkeiten bei der Unterrichtsabsicherung. Dabei kommt es doch auf den Anfang an, sagen die Bildungsexperten.“
Und einer kann sich für die Misere ebenfalls nicht aus der Verantwortung stehlen, auch wenn er im Herbst 2017 das Handtuch geworfen hat: Stanislaw Tillich, der in seiner ganzen Regierungszeit nicht den Mumm hatte, seine Richtlinienkompetenz zur Problemlösung zu nutzen. Am Ende ging er auch deshalb, weil sich alle Probleme, die er nur ausgesessen hat, letztlich zu einem unentwirrbaren Knoten verfitzt haben.
Und leider fehlt auch von Michael Kretschmer, seinem Nachfolger, die resolute Problemaufarbeitung. Wer aber die Probleme nicht beim Namen nennt und den Lösungsbedarf beziffert, wird auch in den nächsten Jahren keine Erfolge vorweisen können. Man vergisst ja in Sachsen beinah, dass Regierungspolitik eigentlich mit Verwalten wenig zu tun hat, aber viel mit Problemlösen zu tun haben sollte.
Aber das Dilemma kennt man ja auch aus Berlin.
„Tatsächlich sind die Zeiten vorbei, in denen sich Schüler über Unterrichtsausfall freuten“, sagt Cornelia Falken. „Denn sie befürchten Nachteile für ihre berufliche Zukunft. Die Ausfälle in der laufenden Stoffvermittlung können nicht später nachgeholt werden, da dann wieder neuer Stoff auf dem Plan steht.“
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