Freie Schulen sind die Aschenbrödel in der sächsischen Schulpolitik. Sie stören in einem Bildungssystem, das man gern komplett durchregulieren möchte. Oft haben sie genau den Zulauf, den die staatlichen Schulen nicht mehr haben, weil das Lernkonzept besser überzeugt oder schlicht auch das Lernklima besser ist. Also baut Sachsens Regierung den alternativen Angeboten einige Hindernisse in den Weg. Für die Grünen war das Anlass für eine Große Anfrage.
„Schulen in freier Trägerschaft sind – trotz nicht immer einfacher Bedingungen – ein Erfolgsmodell und fester, integraler Bestandteil des sächsischen Schulsystems. Die Novelle des Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft, die nach der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag initiierten Normenkontrollklage 2013 nötig wurde, hatte Verbesserungen der Finanzierung und die Verankerung eines Teilhabeanspruchs zur Folge.
Dennoch bleibt das viel beschworene ‚neue Miteinander‘ von Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft ausbaufähig“, fasst Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, die Ergebnisse der Großen Anfrage zur Entwicklung und zur Situation der Schulen in freier Trägerschaft im Freistaat Sachsen zusammen.
Im Mittelpunkt der Großen Anfrage stand die Frage, ob die neuen gesetzlichen Regelungen und die Praxis dem Grundsatz der Gleichberechtigung zwischen Schulen in öffentlicher und in freier Trägerschaft Rechnung tragen. Die Fraktion hatte die Anfrage im April eingereicht, Kultusminister Christian Piwarz (CDU) hatte sie Mitte Juni beantwortet.
Aber von Gleichbehandlung kann eigentlich noch immer keine Rede sein.
„Freie Schulen nehmen gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahr, profitieren aber nicht in gleichem Maße von staatlichen Förderprogrammen, Projekten und Maßnahmen“, kritisiert Petra Zais. „Die Ausbildung von Erzieherinnen und Altenpflegern etwa wäre ohne Schulen in freier Trägerschaft nicht aufrechtzuerhalten. Auch beim gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung und im Bereich der berufsbildenden Förderschulen engagieren sich freie Schulen überdurchschnittlich.“
Aber wenn es um konkrete Unterstützung für die freien Schulen geht, spielt Sachsens Regierung gern den Ebeneezer Scrooge und hält die Taschen zu. Spürbar versucht das Land, sich die Konkurrenz vom Leibe zuhalten.
„Dennoch wird etwa die Schulsozialarbeit ab dem Schuljahr 2018/2019 nur an Oberschulen in öffentlicher Trägerschaft zu 100 Prozent gefördert“, zählt Petra Zais die Nachteile auf, mit denen die Freien auskommen müssen. „Beim Schulhausbau machen Maßnahmen an Schulen in freier Trägerschaft gerade einmal 4,4 Prozent des Gesamtvolumens aus.
Die neuen Assistenzprogramme (Schulverwaltungsassistentinnen, Schulassistenz) richten sich ausschließlich an Schulen in öffentlicher Trägerschaft. Die Finanzierung von Bildungsgängen an beruflichen Förderschulen in freier Trägerschaft wurde zuletzt drastisch reduziert. Das ist fatal für die Träger, vor allem aber für die dort beschulten Schülerinnen und Schüler, die oftmals Unterstützung und eine besondere Beschulung benötigen.“
Was schon erstaunlich ist bei einer Regierung, die gern die Wohltaten des freien Marktes preist. Aber wenn es um die Wahlfreiheit in der Bildung geht, herrscht ein erstaunlich altbackenes Denken. Dann sieht man alternative Gründungen neben dem mittlerweile rigide zusammengesparten staatlichen Schulsystem als ungewollte Konkurrenz.
„Die Differenz zwischen den Ausgaben pro Schülerin bzw. Schüler an einer Schule in öffentlicher und freier Trägerschaft ist nach wie vor beträchtlich. Die mangelnde Berücksichtigung freier Schulen bei Förderprogrammen oder Projekten schlägt sich nicht immer in einem erhöhten Schülerausgabensatz nieder“, listet Zais auf. „Das Lohnniveau der Lehrkräfte an Schulen in freier Trägerschaft liegt deutlich unter dem des öffentlichen Dienstes. Ich fordere erneut: der sogenannte Absenkungsfaktor bei der Berechnung der Personalkosten an freien Schulen muss gestrichen werden.“
In gewisser Weise sieht man natürlich auch hier wieder Handlungsmuster, die man aus westlichen Bundesländern übernommen hat, wo viele freie Schulen deshalb funktionieren, weil gut verdienende Eltern auch ein recht hohes Schulgeld für die Kinder bezahlen können. So wirkt die Existenz der Freien auch als ein Entmischungs-Faktor – die Kinder aus besserbetuchten Elternhäusern bleiben unter sich.
Aber so waren und sind die meisten freien Schulmodelle in Sachsen nicht gedacht. Und sie würden so auch nicht funktionieren, weil schlicht die zahlungskräftige Elternschaft fehlt. Oft sind freie Schulen sogar Gründungen von Eltern, die damit den kompletten Verlust einer Schule in ländlichen Räumen verhindern wollen.
Die Genehmigungspraxis und der Umgang der Kultusverwaltung mit freien Schulen bzw. deren Trägern scheint denn auch nicht selten von Misstrauen geprägt. Das bleibt nicht folgenlos, wie Zais feststellt: Laut Antwort auf die Große Anfrage waren im Juni über 300 Verfahren an sächsischen Gerichten anhängig.
„Die Beratung durch das Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) – sowohl für Schulen in öffentlicher als auch für solche in freier Trägerschaft (Schulversuche, Genehmigung/Anerkennung von freien Schulen) − muss ausgebaut werden“, fordert Zais mit Blick auf die Ergebnisse der Großen Anfrage. „Wir brauchen zudem Schulgeldfreiheit, also eine Erstattungszahlung bei Schulgeldverzicht.“
Denn natürlich sorgt die Notwendigkeit für freie Träger, ein Schulgeld kassieren zu müssen, eben doch wieder für eine soziale Entmischung. Kinder aus weniger gut betuchten Familien haben dann keine Wahl, sondern landen zwangsläufig im staatlichen Schulsystem.
„Angehende Erzieherinnen und Erzieher sollen analog der Regelung für Altenpflegeschülerinnen und -pflegeschüler einen Ausbildungszuschuss erhalten. Ebenso muss der bedarfserhöhende Faktor für berufsbildende Förderschulen in freier Trägerschaft auf 1,5 angehoben werden“, sagt Petra Zais. Beide Forderungen will die Fraktion bei den Beratungen zum Doppelhaushalt 2019/2020 einbringen.
Die Abgeordnete fordert zudem die Streichung des Absenkungsfaktors (0,9) zur Berechnung der Personalausgaben. „Auch für Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger an Schulen in freier Trägerschaft muss es eine obligatorische Einstiegsqualifizierung geben. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen (hundertprozentige Förderung von Schulsozialarbeit an Oberschulen) sollten Schulen in freier Trägerschaft gleichberechtigt nutzen können.“
Und dann kommt sie auf die ja spürbare Erstarrung im staatlichen Bildungssystem zu sprechen, das von der Regierung gehandhabt wird wie ein Unternehmen mit Liefersoll.
„Es wäre ein Gewinn für alle, wenn die öffentlichen Schulen die Erfahrungswerte freier Schulen bei ihrer Schulentwicklung stärker einbeziehen würden“, zeigt sich Zais überzeugt.
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