Es wird voll in Leipzigs Grundschulen. Rappelvoll. Deswegen hat Leipzig ja jetzt ein 150-Millionen-Euro-Schnellbauprogram aufgelegt. Aber noch viel größer ist ein ganz anderes Problem: Es mangelt an Grundschullehrerinnen und -lehrern. Die falschen Planungen der Landesregierung in den vergangenen zehn Jahren zeitigen Folgen. Und Adam Bednarsky ist hochgradig besorgt.
Er ist Stadtrat der Linken und Vorsitzender des Linke-Kreisverbandes. Und was er derzeit aus den Leipziger Grundschulen hört, zeigt ein Bild, das man so eigentlich nicht erwartet in einem Land, das auf seine Bildungspolitik stolz sein will.
„Leipzig blickt gebannt auf das nächste Schuljahr 2018/19. Im neuen Schuljahr werden viele GrundschülerInnen ihre derzeitigen Klassenlehrerinnen und -lehrer nicht behalten können. Zur qualitativen Absicherung der Beschulung der neuen ersten Jahrgangsstufe werden die KlassenleiterInnen aus den aktuellen zweiten und dritten Klassen abgezogen“, stellt Bednarsky fest. Doch wer vor den neuen dritten Klassen stehen wird, sei aktuell vielerorts völlig unklar.
„Im Gegensatz zur ersten Klassenstufe können in den Klassenstufen drei und vier auch sogenannte SeiteneinsteigerInnen eingesetzt werden. Das sind Menschen ohne abgeschlossenes Lehramtsstudium, die dieses berufsbegleitend nachholen“, erklärt Bednarsky. „Zudem werden LehrerInnen in Grundschulen eingesetzt, die nicht für diese Schulart ausgebildet sind. Auch im Bereich der Grundschulen sind zirka zwei Drittel der Neueinstellungen SeiteneinsteigerInnen.
Der Personenkreis, der für eine Einstellung als SeiteneinsteigerIn infrage kommt, wird durch das Kultusministerium ständig erweitert. Die Belastung der GrundschullehrerInnen steigt enorm. Sie müssen neben den SeiteneinsteigerInnen auch den Gymnasiallehrerinnen und -lehrern im Schulalltag der Grundschulen und in der Unterrichtspraxis zur Seite stehen.“
Einmal durch das Landesamt für Schule und Bildung eingestellt, haben die neuen Seiteneinsteiger-Lehrkräfte nicht viel Zeit zum Probieren. Wenn es nicht funktioniert, kann in der Regel keine (personelle) Abhilfe geschaffen werden.
„Aber auch unsere Kinder haben keine Zeit, wenn sie nicht angemessen beschult werden, dies auszugleichen. Es klingt zynisch und ist politisch völlig unverantwortlich: Wir treiben hier ein Vabanquespiel – das eine Kind hat Glück – sprich eine fähige Grundschullehrkraft, das andere nicht“, sagt Bednarsky. „Pech gehabt! Auch die dritte und vierte Klasse sind wichtig, schließlich entscheidet sich in Sachsen genau dort der weitere Schulweg in die Oberschule oder das Gymnasium.“
Und dann wird er deutlich in seiner Kritik an den CDU-Kultusministern, die diese dramatische Personallage im Verein mit dem allmächtigen Finanzminister erst haben entstehen lassen. Immerhin trat ja 2011 Roland Wöller von seinem Posten als Kultusminister zurück, weil er dieses Problem gegen die Widerstände in seiner eigenen Partei nicht gelöst bekam. Seitdem ist Sachsen nur noch im Notfallmodus.
Bednarsky: „Die CDU-Landesregierung hat jahrelang – trotz zahlreicher Proteste wie beispielsweise aus den Reihen der LehrerInnen-Gewerkschaft GEW – die Bildung in Sachsen vernachlässigt. Jetzt bekommen eine Vielzahl Leipziger Grundschulkinder abermals die Quittung präsentiert. Die geplante Verbeamtung wird den aktuellen GrundschülerInnen nicht helfen, sie bringt nunmehr neue Probleme mit sich. Sie bringt den Lehrkräften keine Entlastung, trägt also zur Attraktivität der Lehrertätigkeit nichts bei. Das sorgt für eine Zwei-Klassen-Lehrerschaft in der Schule.“
Ohnehin profitieren von der Verbeamtung nur die Lehrkräfte, die jünger als 42 Jahre sind. Von insgesamt 30.000 Lehrkräften sind das lediglich 7.000. Eine Zahl, die ja auch deshalb so gering ist, weil die notwendigen Neueinstellungen seit über zehn Jahren nicht erfolgt sind. Sachsen hat zwar genug Lehrer ausgebildet, aber halbe Jahrgänge regelrecht dazu genötigt, in anderen Bundesländern ihr Glück zu versuchen.
„Die Altersgrenze von 42 Jahren benachteiligt den größeren Teil der Lehrerschaft, also gerade die, die in den vergangenen Jahren die Arbeit in den Schulen getan haben. Und von diesen können wir nur hoffen, dass die Lehrkräfte in den Leipziger Grundschulen die Nerven behalten und trotz überfüllter Klassen und widriger Umstände weiterhin einen tollen Job machen. Sie sind neben den GrundschülerInnen die Hauptleidtragenden dieses Trauerspiels“, meint Bednarsky.
„Ich kann nur an alle Eltern appellieren, schreiben Sie einen Elternbrief an den Sächsischen Staatsminister für Kultus, Christian Piwarz, und an den Elternrat Ihrer Schule. Schildern Sie die aktuelle Situation in der Klasse Ihres Kindes und streiten wir gemeinsam, dass zukünftige Schülergenerationen nicht in einem ähnlichen Bildungschaos á la Sachsen lernen müssen.“
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“und streiten wir gemeinsam, dass zukünftige Schülergenerationen nicht in einem ähnlichen Bildungschaos á la Sachsen lernen müssen.“
Leider nicht nur ein sächsisches Problem. In Berlin fehlen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch gut 1.800 Lehrer*innen für das nächste Schuljahr und auch in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Meck-Pomm sieht es nicht viel besser aus.
In Sachsen täte man gut daran, die volle Lehramtsausbildung in Chemnitz zu reaktivieren, sodass man auch für Chemnitz und Umgebung den Mangel wieder mindert.