Den Verein „Gemeinsam länger lernen in Sachsen” gibt es schon seit 2015. Auch wenn seine Arbeit bislang wirkte wie ein Kampf gegen Windmühlenflügel, blieben sie beharrlich dran. Immer dann, wenn es neue gute Argumente für ein längeres gemeinsames Lernen der Kinder in Sachsens Schulen gab, preschte mal die sächsische Kultusministerin vor und erklärte, mit ihr werde es das nicht geben. Mal beeilte sich ihr kurzzeitiger Nachfolger, in dasselbe Horn zu tuten. Argumente dagegen? Fehlanzeige. Aber jetzt bekommt der Verein stärkere Unterstützung.
Denn was er vorhat, ist eine Herkulesarbeit. Der Gesetzgeber hat in Sachsen die Hürden für einen Volksantrag richtig hochgelegt – für einen Verein fast unmöglich, das zu stemmen. 40.000 gültige Unterschriften braucht man, um einen Volksantrag in den Landag zu bekommen. Der Landtag kann sich das Anliegen dann zu eigen machen – oder ablehnen. Dann braucht es einen Volksentscheid. Noch einmal so eine ressourcenfressende Aktion.
Die Linke Sachsen will den Verein „Gemeinsam länger lernen in Sachsen” jetzt bei der Vorbereitung und Durchführung eines Volksantrages und eines Volksbegehrens unterstützen. Dies beschloss deren Landesvorstand auf seiner letzten Tagung am Freitag, 19. Januar, in Dresden.
Zur Begründung heißt es: „Im internationalen Vergleich weist das Schulwesen in Sachsen ein erhebliches Modernisierungsdefizit auf: Andere Staaten haben das gegliederte Schulwesen längst durch integrierte Systeme ersetzt.” Dabei setzen diese auf eine Ausdifferenzierung ab Sekundarstufe II, “wodurch sie in internationalen Vergleichsstudien weitaus besser abschneiden. Besonders in diesem Spannungsverhältnis ist das Versagen der CDU im unmittelbaren Lebensumfeld der Bürger*innen spürbar.”, heißt es.
Ziel der Initiative ist, „strukturelle Diskriminierung, die mit der frühzeitigen Aufteilung auf unterschiedliche Schularten verbunden ist” zu beseitigen. Nach Vorbild Thüringens soll die Umsetzung auf Basis eines Optionsmodells erfolgen. Den Schulen soll freigestellt werden, über die Einführung einer Gemeinschaftsschule zu entscheiden.
Und dabei geht es nicht nur darum, das frühe Aussieben der Kinder in der 4. Klasse zu beenden. Denn das Hauptproblem ist ja, dass die Kinder, die es nicht aufs Gymnasium “schaffen”, sich zu recht in der Oberschule diskriminiert fühlen. Es ist ein abwertendes Schulsystem, in dem sich die Kultusminister auch nie wirklich bemüht haben, in Oberschulen und Gymnasien gleichwertig anspruchsvolle Bildung zu ermöglichen.
Der Verein will “ein längeres gemeinsames Miteinander- und Voneinander-Lernen, mindestens bis Ende der 8. Klasse.”
Was eben auch ein Nachdenken über die Art der Schule einschließt
Denn alle Kinder haben eine hochwertige Ausbildung verdient. Die Unterscheidung nach der 8. Klasse darf nicht bedeuten “niedrigere oder höhere Schule”, sondern berufliche Orientierung: Wer wirklich einen akademischen Beruf will, geht aufs Gymnasium, wer nicht will, macht einen hochwertigen Realschulabschluss, der ein späteres Abitur nicht ausschließt. Und sogar spezialisieren kann man, etwa wenn man einen speziellen technischen Zweig anbietet für alle, die eher einen ingenieurtechnischen Beruf wählen wollen.
Wenn man das auseinanderdröselt, merkt man erst, wie verbissen, dumm und diskriminierend das sächsische Schulsystem heute ist. Und wie berechtigt die Forderung, das endlich wirklich zu ändern, nachdem auch die neue sächsische Schulreform sich als (gewollter) Rohrkrepierer erwiesen hat. Denn eine Frage beantwortet schon die Trennung nach der 4. Klasse nicht: haben die Heranwachsenden überhaupt mitreden können? Wer also trifft die Entscheidung über die Zukunft in diesem Alter?
CDU-Politik gegen die eigenen Wähler
Und während die Regierung wie vernarrt festhält an einem System, das Jahr für Jahr tausende Verlierer und Schulabbrecher produziert, hat eine Umfrage der Linken 2017 ergeben, dass selbst CDU-Wähler ein längeres gemeinsames Lernen der Kinder wollen.
Und so ganz aus dem Blauen kamen auch die Anfragen des CDU-Abgeordneten Andreas Heinz nicht, der die Regierung im Dezember angefragt hat, wie sich ein längeres gemeinsames Lernen bis zur 6. oder 8. Klasse in Sachsen umsetzen ließe. Die Antworten des Kultusministeriums waren regelrecht mau und ein Eingeständnis, dass man dort in den vergangen 27 Jahren nicht einmal nachgedacht hat über die Möglichkeit, die Kinder länger gemeinsam lernen zu lassen.
Was wohl auch der Grund dafür ist, dass die damalige Kultusministerin in der Debatte um die Schulreform nichts zu sagen hatte: Das Ministerium hatte null Vorstellung über mögliche Reformansätze. Und statt Ideen für eine Veränderung zu entwickeln, versteifte man sich auf ein elitäres Nein.
Also sind es doch wieder die Bürger, die ihren Willen deutlich machen müssen, das verkrustete Schulsystem endlich zu modernisieren. Und die Chancen stehen gut: jede bisherige Umfrage hat ergeben, dass die Mehrheit der Sachsen die Kinder länger gemeinsam lernen lassen will.
Die sächsische Linkspartei jedenfalls wird den durch ein breites Bündnis getragenen Vorstoß im Rahmen der Volksgesetzgebung unterstützen, um die anhaltende sächsische Lethargie in Sachen direkter Demokratie durchbrechen zu können. Zur Umsetzung dieses Ziels will die Linkspartei den Verein finanziell, personell und organisatorisch in der Öffentlichkeitsarbeit und bei Unterschriftenaktionen unterstützen.
Nun darf man gespannt sein, welche Parteien sich hierbei anschließen werden.
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