Manchmal braucht es nur eine bunte Grafik, um zu sehen, warum Sachsen jetzt so ein gewaltiges Problem mit dem Lehrermangel hat. Die Grafik hat sich die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag malen lassen für ihr Fraktions-Info-Blatt „Unser Sachsen“, in dem sie aufarbeitet, was in Sachsens Bildungspolitik falsch gelaufen ist – und was sich schon geändert hat. Der Lehrermangel wurde schon seit 2001 herbeiorganisiert.

Anders kann man es nicht benennen, was die sächsische Kürzungspolitik beim Landespersonal an fatalen Folgen in den Schulen ausgelöst hat. Dass man vor 15 Jahren noch mit sinkenden Geburtenraten zu tun hatte, ist bekannt. Seit 1989 waren die Schülerzahlen in Leipzig immer weiter gefallen. Dem begegnete man mit Entlassungen genauso wie – zum Ende des Jahrzehnts – mit ausgreifenden Teilzeitmodellen. Die Lehrerinnen und Lehrer im Land unterstützen dieses notwendige Sparprogramm, trugen es auch noch weit in die Nuller-Jahre mit.

Aber spätestens 2010 hätte es beendet werden müssen. Gerade die Fraktionen von SPD, Linken und Grünen rechneten es den jeweiligen Kultusministern immer wieder vor. Gerade in den Großstädten stiegen die Kinderzahlen wieder. Und gleichzeitig kamen viele der Lehrerinnen und Lehrer, die man 1990 übernommen hatte, ins Rentenalter. Wer nur einigermaßen genau hinschaute, merkte, dass Sachsen mehr Lehrer einstellen musste, wenn es allein die kommenden Altersabgänge auffangen wollte.

Etwas was der damalige Kultusminister Roland Wöller (CDU) sehr wohl einsah. Doch mit seinem Wunsch, die Arbeit im Amt zu korrigieren, prallte er am allmächtigen Finanzminister genauso ab wie seine Nachfolgerin Brunhild Kurth. Im März 2012 trat er zurück. Eigentlich ein Moment, in dem der Ministerpräsident schon hätte aufmerken müssen: Da lief was falsch in seinem Land.

Wenig später bezifferte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Falken, die Lücke im sächsischen Lehrerbestand schon auf 1.000 Stellen, möglicherweise 1.600. Eine Zahl, die sie nach dutzenden Landtagsanfragen nannte, ohne das Dickicht der kultusministeriellen Planungen wirklich durchdringen zu können.

„Man schickte sie fort“, hat jetzt die SPD-Fraktion die Praxis der sächsischen Kultusbürokratie beschrieben, wie die mit den jungen Lehramtsabsolventen all die Jahre umging. Denn tatsächlich bildete der Freistaat immer genug Lehrer aus. Spätestens ab 2010 hätten jedes Jahr 1.000 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden müssen, um die Altersabgänge zu kompensieren und den nötigen Zuwachs mit den wieder steigenden Schülerzahlen zu sichern.

Aber die Bildungsagentur gab sich wählerisch. „Sachsen hat seine ausgebildeten Lehrkräfte ziehen lassen – mehr noch: Sie wurden fortgeschickt“, schreibt die SPD-Fraktion. „Nur für jeden dritten Absolventen gab es überhaupt einen Platz im Referendariat. Deshalb sind viele Absolventen in andere Bundesländer gegangen, um dort ihre Ausbildung zu Ende zu bringen. Und blieben dann da. Erst 2013 wurden die Plätze im Vorbereitungsdienst wieder aufgestockt.“

Das ist das, was die Grafik mit den roten Balken und den deutlich kürzeren grünen Balken zeigt.

Das Ergebnis: Sachsen hat binnen zehn Jahren über 5.000 junge Pädagogen in die Wüste geschickt. Und das, obwohl man seit 2010 wusste, dass man in einen gewaltigen Lehrerbedarf hineinsteuert.

Ein zweites Ergebnis zeigt die Grafik übrigens auch: Ab 2012 brach die Zahl der Lehramtsabsolventen regelrecht ab – klares Zeichen dafür, dass die sächsische Bildungspolitik den jungen Leuten das Lehramtsstudium regelrecht vergällt hatte. Dabei hätte schon damals deutlich über Bedarf eingestellt werden müssen, um all jene Engpässe zu verhindern, die seit 2013 die Amtszeit von Brunhild Kurth überschattet haben.

Aber gerade in dieser Praxis wird deutlich, welche verheerenden Folgen die Austeritätspolitik des sächsischen Finanzministers hat, der den gesamten sächsischen Staatsapparat immer so behandelt hat, als könnte man die Personalbesetzung auf das absolute Minimum drücken, so dass rechnerisch gerade so alle Aufgaben erfüllt sind. Nur dürfen Lehrer (Polizisten, Richter usw.) niemals krank werden, keine Lehrgänge besuchen, keine Kinder kriegen, keine Sondereinsätze fahren – für all diese Dinge gibt es keinen Puffer mehr.

Jeder vernünftige Politiker plant so einen Puffer aber mit ein. Denn gerade ältere Lehrer haben nun einmal öfter auch gesundheitliche Probleme, die Grippe schlägt zu und Familienplanung darf ein Arbeitgeber gar nicht verbieten. Man braucht also zwingend einen Personalpuffer von 4 bis 5 Prozent, lieber etwas mehr als zu wenig. Den Sachsen seit 2012 nicht mehr hat. Seit 2013 gibt es zwar wieder genug Referendariate – aber das sorgt noch nicht wieder für das Schließen der Lücke, die die Personaleinsparungen gerissen haben.

Ergebnis: Es ist ganz ähnlich wie bei den Polizisten.

„Ab 2020, 2021 werden wir das Problem eventuell in den Griff bekommen“, sagt Holger Mann, der hochschulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion.

Wenigstens das habe man erreicht im zähen Ringen mit einem schwer zu beratenden Koalitionspartner. Und den Wechsel von Brunhild Kurth zum neuen Kultusminister Frank Haubitz sieht er durchaus positiv. Denn Haubitz ist zwar ein Praktiker und kommt ebenfalls direkt aus dem Schuldienst – aber er kennt die entstandenen Probleme aus eigenem Erleben und scheint sie auch lösen zu wollen. Für die eher an langsamen Trott gewöhnte CDU vielleicht etwas zu schnell. Aber tatsächlich ist längst viel zu viel Zeit vertan worden.

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