Es klingt nur gut, wenn man politische Ankündigungen gut findet, wie sie in Sachsen üblich sind. Und aus der Bildungspolitik kennt man solche Ankündigungen schon zur Genüge. Sie versprachen schnelle Verbesserungen im Hauruckverfahren. Aber tatsächlich sollte stets alles beim Alten bleiben. Deswegen sind die Reaktionen auf die Ankündigungen von Kultusminister Frank Haubitz sehr gemischt.

Sachsens neuer Kultusminister Frank Haubitz hat am Mittwoch, 15. November, mehrere Vorschläge unterbreitet, um die Attraktivität des Lehrerberufs zu steigern und den Alltag an Sachsens Schulen weiter zu verbessern. Mehr Eigenverantwortung, Budgetierung und auch die Verbeamtung von Lehrern zählten dazu.

CDU: Erst mal schauen, was das kostet

Selbst der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Frank Kupfer, reagierte zumindest sehr vorsichtig auf die Ankündigungen.

„Uns ist die Situation an Sachsens Schulen und die Personalsituation schon lange bewusst. Mit dem Lehrermaßnahmenpaket hat die Koalition vor einem Jahr rund 214 Millionen Euro in die Attraktivität des Berufs investiert. Der neue Kultusminister Frank Haubitz hat heute seine ersten Vorschläge auf den Tisch gelegt“, sagt er. Und macht dann schnell deutlich, dass der Maßstab der CDU auch jetzt noch nur einer ist: das Geld. Was kostet der Spaß? Und wollen wir uns den überhaupt leisten können?

„Wir werden über die Fakten reden“, kündigt also Frank Kupfer nun seinerseits an. „Wie hat das Lehrermaßnahmenpaket gewirkt, wo vielleicht nicht. Wie viel verdient ein Lehrer wirklich im Vergleich als Angestellter und Beamter? Was kostet die Bürger eine Verbeamtung unserer Lehrer in der Zukunft – und was kostet die Altersabsicherung die nächste Generation? Gibt es vielleicht Alternativen, wie zum Beispiel ein eigenständiger sächsischer Tarifvertrag? Gleichzeitig erwarten wir von Herrn Haubitz, dass die Schulverwaltung lösungs- und dienstleistungsorientiert arbeitet. Über all das werden wir diskutieren. Am 6. Dezember gibt es dazu eine Sondersitzung der Fraktion. Wir machen es uns nicht einfach und werden eine Entscheidung aufgrund von Fakten treffen. Die CDU-Fraktion und der Kultusminister haben ein gemeinsames Ziel: Wir wollen sicherstellen, dass auch in Zukunft vor jeder Klasse ein gut ausgebildeter und motivierter Lehrer steht.“

Das klingt nicht wirklich nach Unterstützung. Haubitz macht es seinen Kritikern leicht, weil er wieder – wie seine Amtsvorgängerin – glaubt, das Problem sofort mit mehr Geld lösen zu können.

Womit er eigentlich selbst beweist, wie schlecht das sächsische Bildungssystem schon ist. Sollte einer „schnellen Lösung“ nicht erst einmal eine Klärung vorausgehen, wie das Bildungssystem künftig aussehen soll? Viel Geld in einem schlechten System ist schlichtweg rausgeschmissenes Geld.

Nur zur Erinnerung: Drei Viertel der sächsischen Bürger wünschen sich Schulen, die längeres gemeinsames Lernen mindestens bis zur sechsten Klasse ermöglichen.

Linke: Der Lehrerberuf selbst muss wieder attraktiv werden

Der simple Hebel „mehr Geld“ stempelt die Lehrer zu etwas, was vielleicht Personalchefs gut finden: Leute, die nur an Erfolg und Gehalt denken. Dass Bildung so aber wirklich funktioniert, bezweifelt Cornelia Falken, die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion: „Mehr als drei Viertel der Lehrer*innen an den öffentlichen Schulen Sachsens würden von einer Verbeamtung nicht profitieren. Gerade Lehrkräfte an den Schultypen mit dem größten Personalmangel würden in die Röhre gucken. Nach vielen schlechten Erfahrungen der Vergangenheit ist es für das Klima in den Lehrerkollegien besonders wichtig, dass nicht schon wieder leere Versprechen gemacht werden. Der Kultusminister sollte daher erst ganz genau nachrechnen lassen, bevor er seine Vorschläge in der Welt verbreitet. Weitere Versprechungen, die nicht eingehalten werden, würden nur wieder für Unmut sorgen. Nach dem Sächsischen Beamtengesetz dürfen weder Teilzeitbeschäftigte noch Seiteneinsteiger*innen noch Lehrkräfte, die an anderen Schularten unterrichten als die, für die sie ausgebildet worden sind, verbeamtet werden.“

Und die Sachverständigen hielten den Beamtungsvorschlag auch immer nur für ein bedingt geeignetes Mittel, den Lehrerberuf (wieder) attraktiv zu machen.

„Man wird auch sehen, wie er mit seinem Verbeamtungsvorschlag am Finanzminister vorbeikommt“, sagt deshalb Cornelia Falken, die selbst weiß, wie es ist, vor einer Klasse zu stehen. „Für uns steht ohnehin die Verbesserung der Attraktivität des Lehrerberufs im Mittelpunkt, dabei geht es neben angemessener und gerechter Vergütung auch um entsprechende Rahmenbedingungen. Das hat für uns Vorrang vor solchen Gedankenspielen. Selbstverständlich begrüßen wir alle Maßnahmen zur Entlastung von Lehrkräften.“

Grüne: Zweifel an der  Wirksamkeit der Verbeamtung

„Die Forderung nach einer Verbeamtung der Lehrkräfte ist nicht neu. Ob damit das Ziel, mehr Lehrerinnen und Lehrer für Sachsen zu gewinnen oder zu halten erreicht werden kann, bleibt abzuwarten“, zweifelt auch Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. „Auch gibt es bisher keine finanziellen Zusagen des Finanzministers. Den Vorschlag, eine Verbeamtung zeitlich zu befristen, haben wir schon in den Haushaltsverhandlungen zum letzten Doppelhaushalt gemacht. Dort hatten wir ein Rückkehrprogramm von in anderen Bundesländern verbeamteten Lehrerinnen und Lehrern im Umfang von 200 Stellen gefordert. Das wurde damals von CDU und SPD abgelehnt.“

Die Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern ist aus ihrer Sicht eine Möglichkeit, „die wir angesichts der dramatischen Situation nicht ausschließen sollten. Unverzichtbar wäre in diesem Zusammenhang ein Nachteilsausgleich für eine noch zu definierende Gruppe von Lehrerinnen und Lehrern, die nicht mehr verbeamtet werden können. Zu prüfen wäre die Altersgrenze und gegebenenfalls eine Änderung des Sächsischen Beamtengesetzes.“

Denn selbst die Lehrerbedarfsanalyse des SMK ergab 2016, dass drei Viertel aller Lehrerinnen und Lehrer nach den derzeit gültigen Gesetzen nicht verbeamtet werden können.

„Das bunte Sammelsurium der weiteren Vorschläge muss kritisch unter die Lupe genommen werden“, sagt Zais. „Größere Eigenverantwortung und eigene Budgetierung machen Schulen flexibler. Allerdings darf den Schulen nicht die alleinige Verantwortung für die Gewinnung zusätzlichen Lehrerarbeitsvermögens zugeschoben werden. Eine Verringerung der Zahl dienstlicher Beratungen mag kurzfristig Entlastung bringen, produziert aber mittel- und langfristig erhebliche Probleme. Wo, wenn nicht in Beratungen und Konferenzen wird die Grundlage für eine abgestimmte und zielorientierte Arbeit aller Lehrkräfte gelegt? Potential steckt hier eher in Effektivität der Sitzungen.“

Wie viel Überlegung wirklich schon hinter den Vorschlägen von Frank Haubitz steckt, ist offen. Nach einem durchdachten Konzept, das sächsische Bildungssystem wirklich nachhaltig auf feste Füße zu stellen und den Lehrerberuf wieder attraktiv zu machen, sieht es noch nicht aus.

SPD: Sächsischer Tarifvertrag statt Verbeamtung

Relativ zuversichtlich zeigt sich bislang nur Sabine Friedel, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: „Endlich gibt es wieder fachliche Impulse aus dem Kultusministerium! Wir begrüßen die Vorschläge. Kultusminister Haubitz hat viele unserer seit langem vorgebrachten Ideen aufgegriffen. Und neue hinzu gebracht.“

Und dann kommt auch ihr deutliches Aber: „An einem Punkt sind wir klar auseinander: bei der Verbeamtung. Wir fordern seit langem – auch mit Blick auf die vielen älteren Lehrkräfte – einen sächsischen Tarifvertrag. Aber in vielen anderen Punkten stimmen wir überein. Wir freuen uns auf unser erstes Gespräch mit dem Minister am nächsten Montag und hoffen, dass es uns gemeinsam gelingt, jetzt einen klaren Kurswechsel herbeizuführen.“

Fazit: Es sieht erst einmal alles wieder nur nach einer Hauruck-Aktion aus, um schnell irgendwie aus dem über zehn Jahre angestauten Schlamassel herauszukommen. Aber das Vertrauen fehlt, dass darin schon eine wirklich zukunftsfähige Lösung steckt.

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