Es sieht ganz so aus, als würde Cornelia Falken Recht behalten, was den neuen sächsischen Kultusminister betrifft: Frank Haubitz scheint nicht das Format zu haben, den falschen Kurs im sächsischen Bildungssystem zu korrigieren. Selbst die Töne aus der SPD, dem kleinen Koalitionspartner der CDU, werden wieder kritischer. So wie am 26. Oktober in der „Freien Presse“.

Die stellte der Staatsregierung ein „Mäßiges Zeugnis für Maßnahmen gegen Lehrermangel“ aus. Das Maßnahmenpaket wurde vor einem Jahr unter Haubitz’ Vorgängerin im Amt, Brunhild Kurth, zusammengebastelt. Und das auch erst auf Druck von Junior-Partner SPD.

Das muss man so langsam immer öfter betonen, weil augenscheinlich viele Sachsen glauben, die SPD hätte mit ihren tapferen 10 Prozent im Wahlergebnis die Kraft, die übermächtige CDU auf ihren Kurs zu zwingen. Dafür, dass sie vom Wähler so wenig Rückhalt bekommt, hat die Partei relativ viel bewirkt und überhaupt erst einmal wieder so etwas wie Gestaltung in die sächsische Politik gebracht.

Viel zu wenig. Auch die SPD prallt immer wieder auf den eigentlich Regierenden in Sachsen, den allmächtigen Finanzminister Georg Unland, der nicht müde wird, das Land arm zu singen und die Milliarden in immer gigantischeren Fonds und Rücklagen zu bunkern.

Die „Freie Presse“ schreibt nun zum Unbehagen der SPD an der Umsetzung des Maßnahmepakets: „Bildungspolitikerin Sabine Friedel vom Koalitionspartner SPD stellte derweil fest, dass das Maßnahmenpaket ‚an vielen kleinen Punkten hinter den Erwartungen zurückbleibt, da es bislang an der zielstrebigen Umsetzung mangelte‘. Sie machte zudem auf eine anhaltende Benachteiligung von Lehrern mit DDR-Ausbildung aufmerksam. So erhalte eine 60-jährige Oberschullehrerin für Deutsch und Musik trotz eines dreijährigen berufsbegleitenden Studiums und 20-jähriger Unterrichtstätigkeit weniger Geld als etwa eine 24-jährige Seiteneinsteigerin, die mit ihrem viereinhalbjährigen Germanistikstudium Deutsch unterrichten darf.“

Mangel an zielstrebiger Umsetzung?

Das ist eine Kritik an der zurückgetretenen Kultusministerin und am bremsenden Finanzminister. Dieser Versuch, bei der Lehrergewinnung endlich wieder in Vorhand zu kommen, war von beiden nicht geliebt. Das Ergebnis ist entsprechend mager, der Schuljahresstart ein riesiges Debakel. Und Frank Haubitz als Neuer im Amt scheint nicht der Mann zu sein, der tatsächlich das Ruder herumreißen will. Dazu ist er viel zu sehr Vertreter der alten Schule.

Was Cornelia Falken, die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, schon am 19. Oktober mit gelindem Entsetzen feststellte. „Frank Haubitz ist nicht die erhoffte innovative Lösung. Zwar verfügt er über langjährige Erfahrung als Lehrer, als Schulleiter eines Gymnasiums und als Vorsitzender des Philologenverbandes. Mit organisatorischen Nachbesserungen bei der Unterrichtsversorgung ist aber noch lange nicht für gute Bildung gesorgt“, sagte sie. „Haubitz’ bildungspolitische Ansichten sind ausgesprochen konservativ, er gibt sich als überzeugter Verfechter der bisherigen CDU-Bildungspolitik. Ein Volksbegehren für ein längeres gemeinsames Lernen lehnt er ausdrücklich ab, obwohl die klare Mehrheit der Bevölkerung einen solchen Entscheid fordert. Mit Haubitz zementiert die CDU also das gegliederte Schulwesen.“

Und auch in der SPD waren die Bauchschmerzen über diese neuerlich nicht zukunftsweisende Personalwahl des scheidenden Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich hörbar.

„Herr Haubitz muss nun zeigen, dass er neue Wege gehen wird, dass er es ernst meint mit der sächsischen Bildungspolitik. Wir erwarten von ihm, dass er im Gegensatz zu seiner Vorgängerin klare Kante gegen den Finanzminister und dessen rigide Kürzungspolitik zeigt“, sagte Daniela Kolbe, Generalsekretärin der sächsischen SPD, am 23. Oktober. „Wir erwarten, dass er die Fehler, die 2011 gemacht wurden, nämlich die schwarz-gelben Kürzungen im Bildungsbereich durchzusetzen, nicht wiederholt. Er kann allein nicht alles wieder gutmachen, er kann jetzt auch nicht ausreichend Lehrpersonal einfach so aus den Ärmeln schütteln.“

Aber hat Haubitz das Kreuz dazu?

Der Zweifel war bei Kolbe unüberhörbar: „Trotzdem erwarten wir von ihm Initiative und konkrete Vorschläge, wie er die Probleme bei Lehrermangel und schlecht ausgestatteten Schulen angehen möchte. Ob Frank Haubitz es tatsächlich ernst meint, hängt auch von seiner Bereitschaft ab, neue Pfade einzuschlagen. Es dürfen keine pädagogischen Konzepte und Strukturmaßnahmen von Vornherein ausgeschlossen werden, da wir um die besten Lösungen für unsere Schüler ringen. Den richtigen neuen Weg gilt es am besten im Dialog mit Eltern, Schülern und Kommunen zu finden. Wir erwarten eine ehrliche Bereitschaft, die Probleme anzugehen und nicht nur das Anbieten von Scheinlösungen – es bleibt spannend.“

Damit befindet sich die SPD zwischen Baum und Borke. Einerseits will sie deutliche Änderungen in der Bildungspolitik, andererseits steht sie als Regierungspartei unterm Beschuss der Opposition. Gerade die Linkspartei nimmt jeden Vorstoß der SPD kritisch unter die Lupe. Was natürlich auch einen simplen Grund hat: Die SPD bewegt sich noch, während die CDU regelrecht in Lethargie verfallen zu sein scheint.

Und so nimmt sich Cornelia Falken auch nach dem Lesen des Beitrags in der „Freien Presse“ lieber wieder die SPD vor.

„Im Mai 2017, ganze vier Wochen nach der Verabschiedung des Schulgesetzes durch CDU und SPD, hatte der SPD-Vorsitzende Martin Dulig eine ‚Bildungsoffensive‘ angekündigt. Man halte an der Gemeinschaftsschule fest und fordere längeres gemeinsames Lernen sowie eine andere Schul- und Lernkultur, hieß es. Schon damals hatte ich Martin Dulig darauf hingewiesen, dass er das alles nicht mit der CDU umsetzen kann“, erinnert sich die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion.

Und der frisch ins Amt gekommene Frank Haubitz scheint alle ihre Befürchtungen zu bestätigen.

„Die prompte Absage des neuen Kultusministers Haubitz, der die Gemeinschaftsschule als ‚Schulhausbauprogramm‘ abqualifiziert, bestärkt mich in dieser Auffassung“, sagt sie. „So droht auch das rhetorische Aufbäumen der SPD in der Bildungspolitik ein Sturm im Wasserglas zu bleiben. Sie ist gezwungen, im Landtag gegen ihre eigenen Forderungen zu stimmen. So lehnten die Sozialdemokraten erst im April einen Antrag der Linken ab (Drucksache 6/5107), das Lehramtsstudium an der TU Chemnitz zu verstärken. Genauso erging es dem Vorschlag, die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer in derselben Entgeltgruppe zu bezahlen wie die Lehrkräfte an Oberschulen und Gymnasien.“

Und dann benennt Falken den Zwiespalt, in dem die SPD steckt: „Wir teilen zwar die Kritik an der mangelhaften Umsetzung des Maßnahmenpaketes, ebenso wie die Forderung nach dem Abschluss eines Landestarifvertrages. Doch auch hier gilt: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Die SPD muss begreifen, dass sie in der Regierung keine Opposition spielen kann. Eine andere, langfristig orientierte Bildungspolitik ist mit der CDU nicht zu machen.“

Was wohl stimmt. Aber dazu braucht es demokratische Mehrheiten im Landtag für eine moderne Bildungspolitik. Die SPD allein wird das wirklich nicht schaffen.

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