Man kann es auch so sehen wie der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages, Lothar Bienst: „Trotz der Herausforderungen, die wir aufgrund der schwierigen Personalsituation derzeit haben, ist dies ein sehr gutes Ergebnis für Sachsen. Aber eins ist klar: Der Bildungsmonitor gibt uns Hausaufgaben auf.“ Man hat auch in der CDU-Fraktion ein bisschen gemerkt, dass der neue „Bildungsmonitor“ der INSM keine Lorbeeren verteilt.
Und der 1. Platz, den Sachsen in diesem nunmehr zwölften Ranking der Bundesländer nach dem belegt, was die INSM als Bildungs-Indikatoren versteht, ist kein Sieg. Nicht einmal ein hart erkämpfter Erfolg. Denn das bundesdeutsche Bildungssystem steckt in allen 16 Bundesländern in der Bredouille. Überall sehen Eltern, Schüler und Lehrer die Folgen einer jahrelangen Sparwut, die tausende Schulgebäude in Bruchbuden verwandelt hat, überall zum Fehlen tausender Lehrer geführt hat und vor allem den Lehrerberuf regelrecht entwertet hat.
Die Hausaufgaben nehme man sehr ernst, sagt Bienst: „Zum Beispiel die vergleichbar hohe Zahl der Schüler ohne einen Abschluss. Hier müssen wir handeln.“
Aber zumindest hat er gemerkt, dass die Spitzenplätze bei den diversen Vergleichstests nicht aus einer guten Bildungspolitik rühren, sondern Lehrerinnen und Lehrern zu verdanken sind, die trotz widrigster Arbeitsbedingungen die Kinder zu besseren Leistungen führen. Bienst: „Besonders zu verdanken ist dieser Spitzenplatz unseren Lehrern! Sie sichern mit ihrem Engagement die Qualität unseres Bildungssystems. Ich bin mir sicher, dass auch die Seiteneinsteiger weiter dazu beitragen werden. Ihre Erfahrungen aus anderen Berufen sind eine neue Chance für unsere Schüler.“
Und dann merkt er auch noch, dass Sachsen augenscheinlich feststeckt. Es tut sich kaum noch etwas: „Insgesamt im Vergleich zum letzten Mal stehen wir dieses Jahr in der Teilkategorie ‚Dynamik‘ nur im Mittelfeld. Das heißt, wir dürfen nicht nachlassen und müssen unser bewährtes Schulsystem stetig weiterentwickeln.“
Oh, das klingt eher nach 1987, als nicht nur das „bewährte Schulsystem stetig weiterentwickelt“ wurde, sondern die ganze propere ostdeutsche Gesellschaft.
Tatsächlich endet Bienst mit der Illusion, der sich die regierende CDU in Sachsen noch immer hingibt: „Gut dagegen ist, dass wir bei der Teilkategorie ‚Bildungsgerechtigkeit‘ erneut auf Platz 1 gelandet sind! In Sachsen ist das Schulsystem deutlich gerechter als anderswo und die Bildungschancen weniger abhängig vom Elternhaus.“
Das aber bildet der INSM-Bildungsmonitor gar nicht ab. Er bildet nur ab, wie Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft in den diversen Testvergleichen – in diesem Fall der IQB-Studie – abgeschnitten haben. Tatsächlich erzählt er vom starken Scheitern von Kindern mit Migrationshintergrund. Die schulischen Erfolge von Kindern aus finanziell schwachen Elternhäusern wurden gar nicht untersucht.
Logisch, dass die CDU postwendend harsche Kritik aus jenen beiden Oppositions-Fraktionen erntete, die sich seit Jahren viel intensiver mit den sächsischen Bildungsproblemen beschäftigen als die Regierung.
Auch Kultusministerin Brunhild Kurth hatte ja den „Spitzenplatz“ wieder bejubelt: „Die Studie belegt, dass Sachsen nicht nur über eines der leistungsfähigsten, sondern auch sozial gerechtesten Schulsysteme in Deutschland verfügt. In Zeiten eines tiefgreifenden Generationswechsels in den Lehrerzimmern ist dieser Erfolg nicht selbstverständlich und nicht zuletzt auch der sehr guten Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer zu verdanken.“
Da hat wohl die INSM mitten im Wahlkampf einfach wieder Futter für eine konservative Bildungspolitik geliefert, findet Cornelia Falken, Sprecherin der Linksfraktion für Bildungspolitik: „Pünktlich zum Wahlkampfendspurt publiziert die von der Wirtschaft finanzierte Initiative ihr Bildungsranking. Weil Sachsen erneut vorn liegt, sonnen sich die Regierungspolitiker im Glanz der Ergebnisse – ein Schelm, wer Arges dabei denkt! Schulleiterinnen und Schulleiter, Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler kämpfen derweil um die Ressourcen für einen halbwegs gesicherten Start ins Schuljahr. Wer Bildung ausschließlich in Form von Rankings beurteilen mag, soll sich ruhig zurücklehnen und so weitermachen wie bisher. Wir halten das für falsch.“
Und dann kommt sie auf das Schönwetter-Argument von Bienst und Kurth zu sprechen: „Die soziale Benachteiligung etwa, die in Sachsen so gering sein soll, hat viele Gesichter. Der Bildungserfolg hängt stark davon ab, in welcher Region ein Kind aufwächst. In Stadt- und Landesteilen, die sozialökonomisch benachteiligt sind, gibt es weniger Abiturientinnen und Abiturienten, dafür aber mehr ‚bildungsarme‘ Schulabgänger ohne Abschluss. Ranglisten bilden hingegen stets nur einen Durchschnitt ab. Wer sich einen Blick für die Realität an den Schulen bewahrt hat, sieht den Handlungsbedarf. So wie die Bevölkerung, die mehrheitlich ein anderes Schulsystem will: 64 Prozent halten es für falsch, dass die Schüler nach Klasse 4 auf die Schulformen Oberschule und Gymnasium verteilt werden. Zwei Drittel unterstützen den Vorschlag, die Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam an einer Schule lernen zu lassen, die alle Abschlüsse anbietet. Drei Viertel befürworten einen Volksentscheid zu dieser Frage.“
Ihr Fazit: „Alle Lobeshymnen ändern nichts an dieser Kritik. Wir werden dafür sorgen, dass weiter grundsätzlich über das sächsische Schulwesen debattiert wird.“
Und auch Petra Zais, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, sieht eine Menge Stoff, aufs Höchste alarmiert zu sein.
„Bedenklich ist, dass die Studie keinem der Länder ernsthafte Verbesserungen gegenüber dem Vorjahr attestiert. Das gilt auch für Sachsen. Stillstand ist angesichts der Herausforderungen des Bildungssystems Gift. Hauptkritikpunkt bleibt die hohe Zahl der sächsischen Schülerinnen und Schüler, die ohne Abschluss die Schule verlassen. Die Antwort auf die Frage, wie schulische Integration und Inklusion erfolgreich gestaltet werden können, bleibt das Kultusministerium auch in diesem Jahr schuldig. Insofern dürfen die guten Ergebnisse insgesamt nicht zur Vernachlässigung der bestehenden Defizite führen“, sagt sie.
Und auch sie sieht, dass dieses Zahlenwerk eben überhaupt keine Bildungsqualität „misst“. Dazu fehlen sämtliche vergleichbaren Parameter. Es misst nur irgendwie die Wirtschaftlichkeit des Systems, mit Input und Output. Dass dabei das Personal verschlissen wird, ohne wirklich pädagogische Freiräume zu haben, macht das ganze System auch zum menschlichen Drama.
„Mit Blick auf die Altersstruktur bei den Berufsschullehrern müssten auch bei der sächsischen Wirtschaft alle Alarmglocken schellen. Wenn hier bei der Aufstockung der Lehramtsausbildung gerade an der TU-Chemnitz nicht endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden, droht ein Fiasko in der Berufsausbildung“, nennt Zais einen der gravierenden Punkte. Und ihr Fazit: „Insgesamt fokussiert der Bildungsmonitor erneut zu einseitig auf die Frage der Arbeitsmarktverwertbarkeit von jungen Menschen. Mindestens ebenso wichtig ist es angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen, die politische Bildung in den Schulen zu stärken.“
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