In Leipzig wird ja hin und wieder mit großem Zimborium und Brimborium das sogenannte Corporate Design diverser Unternehmen und Institutionen neu aufgemischt. Zuletzt am Universitätsklinikum, jetzt auch bei der Universität selbst. Den Fototermin zum Aufzug der neu designten Flaggen war am Feitag, 15. Juni. Eigentlich fehlte nur noch ein Bär.
Denn das hanseatische/Berliner Rot verblüffte natürlich. Wo kommt das her?
„Wir verwenden es eigentlich schon länger“, sagte Uni-Rektorin Prof. Dr. Beate Schücking, Rektorin der Universität, die mit Dr. Madlen Mammen, Leiterin der Stabsstelle Universitätskommunikation, die Fahne mit dem neuen Logo am Neuen Augusteum auf dem zentralen Campus in der Leipziger Innenstadt hisste.
„Ich freue mich, dass wir ein erstes, weithin sichtbares Zeichen setzen können“, erklärte sie. „Zur Tradition, die sich im Siegel widerspiegelt, gesellen sich in unserem künftigen Erscheinungsbild Vielfalt, Offenheit und Modernität. Es entspricht also Werten, für die unsere Universität steht.“
Das historische Siegel wird im neuen Logo in einer vereinfachten Form als Schmuckelement eingesetzt. Zu sehen sind darauf Laurentius und Johannes der Täufer, die Schutzheiligen des Bistums Merseburg, dessen Bischof früher zugleich Kanzler der Universität Leipzig war.
„Unser Design wird lebendiger und offener – und das dunkle Rot, das ohnehin schon häufig verwendet wurde und auch an den Gebäuden am Campus Augustusplatz zu finden ist, wird prominenter genutzt“, erläuterte heute Madlen Mammen, unter deren Regie die Einführung des überarbeiteten Corporate Designs läuft. Aber allein hat sie sich das nicht ausgedacht. Beauftragt mit der Neugestaltung des Corporate Design, also des einheitlichen Außenauftritts der Universität Leipzig, war die Berliner Agentur Aperto. „Hochschulerfahren“, fügt Madlen Mammen noch hinzu.
Bisher war ein zurückhaltender Grauton die dominante Farbe im Auftritt der Universität. Das signalisierte eine gewisse Nüchternheit, auch ein stilles Selbstbewusstsein. So, wie sich eine Universität mit 600-jähriger Geschichte präsentiert, wenn sie den Eindruck vermitteln möchte, dass sie in der Region und in vielen Fachrichtungen das Maß der Dinge ist.
Und dann sieht man rot-weiße Fahnen im Wind flattern.
Hat Aperto sich da also einen Scherz erlaubt, und der Leipziger Alma Mater einfach mal die Berliner Landesfarben untergejubelt? Aber die sind eine Spur dunkler. Und ein Berliner Bär ist tatsächlich nicht ins Wappen geschummelt worden. Rot-Weiß erinnert aber auch an die Grundfarben der Hanse und damit vieler Hansestädte. Aber Leipzig war nie eine Hansestadt. Man hätte also doch eher die Leipziger Farben Blau-Gelb erwartet.
Aber was das offizielle Foto nicht sichtbar macht, ist ein kleines Eckchen Blau.
Wie ein Stückchen blauer Himmel, vielleicht das, was Beate Schücking mit Offenheit meint. Ein kleiner Lichtblick.
Und dann fällt natürlich auf, dass man auf das Grün der sächsischen Landesfahne komplett verzichtet hat. Im Grunde ist das neue Design auch eine Botschaft: Die Universität Leipzig empfindet sich nicht mehr als DIE sächsische Landesuniversität. Dazu wurde sie gerade in den letzen Jahren zu sehr als Dienstmagd und Leistungserbringerin betrachtet, die sich den straffen Marktvorgaben der sächsischen Regierung zu fügen hat. Die ihrerseits Hochschulen immer mehr nur noch als Nachschublieferant für die hochtourige Wirtschaft betrachtet, mit ihren Kürzungsplänen aber vor allem die scheinbar nicht so nützlichen geisteswissenschaftlichen Fächer in Gefahr gebracht hat.
Das erinnert daran, dass sich der Charakter der deutschen Hochschulen und Universitäten in den vergangenen Jahren drastisch verändert hat. Stichwort: Bologna-Reform. Die hat viele einst breit angelegte Studienfächer zu einer schmalbrüstigen Fortsetzung des schulischen Fächerdenkens gemacht. Für „Vielfalt, Offenheit und Modernität“ haben die meisten Dozenten und Studierenden gar keine Zeit und keine Freiräume mehr. Sie sind eingebunden in enge Punkte- und Klausurkonzepte. Immer mehr wird das Studium zu einem Pauken schematisierten Wissens.
Und das Wesentliche geht dabei vor die Hunde: die Fähigkeit, grenzüberschreitend zu denken.
Dafür sind die Hochschuletats gerade in Sachsen so knapp, dass die Hochschulen schon allein aus simplen Überlebensgründen dazu gezwungen sind, enorme Energie in die Einwerbung von Drittmitteln zu stecken und immerfort in neuen „Exzellenzinitiativen“ und Wettbewerben um attraktive Forschungszentren mit anderen (meist wesentlich finanzkräftigeren) Hochschulen in Wettbewerb zu treten.
Da hilft dann die stille Zurückhaltung einer Universität mit großer Geschichte nicht mehr. Immer wieder erlebt, gerade im Wettstreit um die Förderung als „Eliteuniversität“. Da hatte am Ende selbst die von der Landesregierung massiv geförderte TU Dresden mehr Erfolg.
So betrachtet war eine Änderung im Design nur noch eine Frage der Zeit. Leipziger Bewerbungsmappen werden jetzt eben nicht mehr in unaufdringlichem Grau versandt. Die Zeit der ehrlichen Bescheidenheit ist vorbei. Wenn sich der Wettbewerb um Fördergelder in einen staatlich gewollten Modelwettbewerb verwandelt hat, muss man seine Konsequenzen ziehen. Mit einer kleinen Fläche Weiß und einer großen Fläche Hanseatenrot. Und einem kleinen Eckchen Himmelsblau – als Hoffnung, dass auch in die deutsche Hochschulpolitik irgendwann wieder ein bisschen Vernunft einzieht.
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Es gibt 2 Kommentare
In 10 Jahren (vielleicht schon eher) wirds im TV eine neue Sendung geben: Deutschland sucht die Super-Uni. Dem Sieger winkt maximale Förderung für 1 Jahr.
Danke für diese Einschätzung. Ich persönlich hätte noch etwas mehr Mut und Konsequenz beim neuen Corporate Design begüßt (z.B. auch den Abschied von der “Hausschrift” und die Ãœbernahme einer gängigeren Schrifttype) – wenn man schon so viel Geld investiert.