LEIPZIGER ZEITUNG/Ausgabe 41Im dritten Wahlgang des zweiten Anlaufs und mit vier Stimmen mehr als benötigt hat sie es geschafft: Beate Schücking, Rektorin der Universität Leipzig, ist am 31. Januar für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden. Von den 78 anwesenden Mitgliedern des Erweiterten Senats stimmten im entscheidenden Wahlgang 44 für Schücking. Der Herausforderer Jan Palmowski erhielt lediglich 23 Stimmen. Acht Personen enthielten sich, drei wählten ungültig. Denkbar knapp also wurde die Rektorin im Amt bestätigt.
Wie knapp die Wahl war, zeigt jedoch ein weiterer Umstand: In den beiden vorherigen Wahlgängen hatte Schücking lediglich 36 beziehungsweise 39 Stimmen erhalten. Damit bekam sie zwar jeweils deutlich mehr Zuspruch als ihr Kontrahent, jedoch nicht die erforderliche Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder. Im dritten Wahlgang benötigte Schücking nur noch die Mehrheit der tatsächlich anwesenden Mitglieder: in dem Fall waren das 40. Hätte sie keine zusätzlichen Stimmen erhalten, wäre das Wahlverfahren komplett am Ende gewesen und hätte wieder von vorn beginnen müssen – mit der erneuten Stellenausschreibung.
Dies wäre dann schon der dritte Versuch gewesen. Bereits zu Beginn des vergangenen Jahres war das Rektorverfahren gescheitert, nachdem beide Kandidaten sich zurückgezogen hatten. Schücking hatte sich zwar schon damals für eine Wiederwahl beworben, war vom Hochschulrat jedoch nicht berücksichtigt worden. Es folgten heftige Auseinandersetzungen innerhalb der Universität, die auch öffentlich ausgetragen wurden.
Ein „Denkzettel“?
Bereits nach der nun erfolgten Wiederwahl Schückings waren im Hörsaal Stimmen zu vernehmen, die von einem „Denkzettel“ sprachen. Doch wofür eigentlich? Um das herauszufinden, hat die LZ Anfang März fast alle Senatsmitglieder angeschrieben – in einigen Fällen konnten keine Kontaktdaten ermittelt werden – und darum gebeten, drei Fragen zu beantworten: Wie bewerten Sie die erste Amtszeit? Welche Gründe sehen Sie für die nur knappe Wiederwahl? Was erwarten Sie von der zweiten Amtszeit? Bis Redaktionsschluss erhielt die LZ zehn Antworten – diese sind also nicht repräsentativ, zumal einige Senatsmitglieder gar nicht oder lediglich anonym zitiert werden möchten.
Das Fazit der ersten Amtszeit fällt – sofern namentlich zitiert werden darf – überwiegend positiv aus. „Die Universität Leipzig hat ihre Position national und international deutlich verbessert“, sagt Physikprofessor Josef Käs und ergänzt: „Dazu haben sicher viele Faktoren und Personen beigetragen. Trotzdem besteht kein Zweifel, dass dies ohne Frau Schücking nicht möglich gewesen wäre.“
Die Studentin Theresa Elise Wege konkretisiert: „Ich weiß besonders ihren team- und dialogorientierten Führungsstil zu schätzen und denke, dass sie in ihrer Amtszeit wichtige politische und gesellschaftliche Impulse in die Universität gebracht hat.“ Der studentische Senator Felix Ramberg lobt ebenfalls Schückings politisches Engagement – sowohl in der Kürzungsdebatte als auch im Umgang mit Legida. Allerdings hätte er sich gelegentlich mehr Gespräche gewünscht.
Ein Mitglied der satirischen „Hochschulgruppe“ bewertet Schückings erste Amtszeit so: „In Schulnoten ungefähr 2-3. Mit Sternchen.“
Kritik an der Amtsführung
Jene, die anonym bleiben möchten, verwenden in ihren Beurteilungen Worte wie „problematisch“ oder „durchwachsen“. Neben der inhaltlichen Schwerpunktsetzung der Rektorin steht vor allem der Umgang mit den vom Land auferlegten Stellenstreichungen im Fokus. Ein Senatsmitglied hätte sich gewünscht, „im Vorfeld gemeinsam zu überlegen, welche Strategie man den unglaublichen Kürzungsplänen der Landesregierung hätte entgegenstellen können“. Auch andere Kritiker bemängeln in diesem Zusammenhang fehlende Transparenz und Dialogbereitschaft.
Zu der erst im dritten Wahlgang erfolgten Wiederwahl teilt ein weiteres Senatsmitglied mit: „Ich sehe das vergleichsweise knappe Ergebnis darin begründet, dass auf der einen Seite Bereiche massiv gefördert wurden, aber insgesamt eine zu einseitige Förderung von Fächern stattgefunden hat.“
Der studentische Senator Carl Bauer vermutet zu geringe Unterschiede zwischen beiden Kandidaten als einen Grund: „Beide formulieren nicht öffentlich Kritik an den neoliberalen Hochschulreformen der letzten Jahrzehnte.“ Er widerspricht zudem den Gerüchten, dass sich die Gruppe der Studierenden in den ersten beiden Wahlgängen geschlossen enthalten hätten. „Wer das behauptet, will davon ablenken, dass eine Unzufriedenheit mit der Arbeit der Rektorin in allen Gruppen vorhanden ist.“
Thomas Riemer von der Medizinischen Fakultät widerspricht unterdessen der in der LZ-Anfrage verwendeten Formulierung, die Wiederwahl Schückings sei nur knapp erfolgt: „Die von ihr erzielten Stimmen entsprachen der absoluten Mehrheit und hätten im ersten Wahlgang gereicht, um sie direkt zu wählen.“ Einige der Befragten vermuten jedoch, dass Schücking im dritten Wahlgang nur deshalb zusätzliche Stimmen erhalten hat, weil ansonsten ein erneuter Abbruch des gesamten Verfahrens gedroht hätte.
Die Forderungen
Bezüglich der zweiten Amtszeit lauten einige Forderungen: Ausbau des Forschungsstandortes Leipzig, verbesserte Lern- und Studienbedingungen, Fortschritte in den Bereichen Inklusion und Diversität, mehr Unterstützung studentischen Engagements und neue Ansätze in der Personalentwicklung unterhalb der Professur. Die vorrangig anonym geäußerten Befürchtungen zielen hingegen auf ausbleibende Verbesserungen bei der Beschäftigungssituation von Nachwuchswissenschaftlern und die unsichere Zukunft der Archäologie.
Schücking selbst hatte nach der Wahl angekündigt, das Tagesgeschäft „nahtlos“ fortführen zu wollen. Besonders wichtig sei in diesem Jahr die Exzellenzinitiative. Ein Termin für die erneute Amtseinführung steht laut Pressestelle der Universität noch nicht fest. Denkbar sei jedoch der 28. April. Ebenfalls im kommenden Monat soll zudem im Senat ein neuer Prorektor für Forschung und Nachwuchsförderung gewählt werden. Dieser würde die Nachfolge von Matthias Schwarz antreten. Außerdem sei eine Podiumsdiskussion geplant.
Die Ausgabe 41, März 2017 der LEIPZIGER ZEITUNG
Eine Stadt zwischen Friedensbotschaft und inszenierter Gewalt
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