Da kommt was auf die großen Städte zu, wenn für das neue Schuljahr die neu definierte Bildungsempfehlung in Sachsen gilt. Denn wenn die Linkspartei richtig gerechnet hat, werden dann rund 1.500 Kinder mehr als bisher auf sächsische Gymnasien streben. Das lässt vor allem in Dresden und Leipzig die Kapazitäten platzen.

Das Problem der alten Bildungsempfehlung war das enge Korsett. Ein starres Zensurenraster bestimmte über Hop oder Top. Die Zensuren entschieden, ob das Kind eine Bildungsempfehlung fürs Gymnasium bekam oder nicht. Doch vor Gericht hielt die Regelung nicht stand: Der Elternwille sei nicht genügend berücksichtigt.

Mit der jetzt kurzerhand beschlossenen Entschärfung hat die Koalition von CDU und SPD diesen Elternwillen zur bestimmenden Entscheidungsinstanz gemacht.

Und das werde nun Auswirkungen vor allem auf die Städte Dresden und Leipzig haben, erklärt die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Falken: „Der vorliegende Gesetzentwurf zur Neuregelung der Bildungsempfehlung überfordert die Städte Dresden und Leipzig. Nach Berechnungen der Linken, die sich auf Erfahrungen in anderen Bundesländern stützen, müssen die öffentlichen Gymnasien in Sachsen ca. zehn Prozent zusätzliche Schülerinnen und Schüler aufnehmen, das sind in Zahlen 1.500.“

Selbst wenn es davon nur 600 bis 700 Kinder in Leipzig sind, wäre das eine komplette Schule. Und dabei kommt Leipzig noch nicht einmal beim Absichern des vorhandenen Schulbedarfs hinterher.

„Das bedeutet, dass es an diesen Schulen im kommenden Schuljahr mindestens 60 (!) 5. Klassen mehr geben muss als bisher. Das wird nach den bisherigen Erfahrungswerten vor allem Dresden und Leipzig betreffen“, betont Falken. „Es reicht nicht, wie die Kultusministerin, an die Eltern zu appellieren, sie mögen ihr Kind nicht um jeden Preis ans Gymnasium schicken. Wer den Städten Aufgaben per Gesetz überträgt, der hat auch die materiellen und organisatorischen Voraussetzungen für die Aufgabenerfüllung zu schaffen.“

Das Thema der zusätzlich benötigten Lehrerinnen und Lehrer hat sie gar nicht erst angesprochen. Sachsens Bildungssystem ist auf Kante genäht. Puffer für Neuerungen ist gar nicht da. Was zu erwarten ist, sind noch mehr vollgestopfte Klassen, so Falken: „Es darf zu keiner Verschlechterung der Lern- und Unterrichtsbedingungen in Dresden und Leipzig kommen, keine Erhöhung der Anzahl der Schülerinnen und Schüler pro Klasse und keine zusätzlichen Belastungen für die Lehrerinnen und Lehrer.“

Tatsächlich ist auch der Tanz um die Bildungsempfehlung nur ein Schattengefecht, das kaschiert, dass Sachsens Bildungssystem in dieser Form nicht zukunftsfähig ist. Die Gymnasien sind ja nicht deshalb überrannt, weil die Kinder auf einmal alle genial wären – quasi eine Generation von Wunderkindern. Sie fungieren längst als Normalschule in einem System, in dem schon die Wahl der Schulart über künftige Karrieren und Lebenswege entscheidet. Die ganze Arbeitswelt ist flexibler und anspruchsvoller geworden, doch Sachsens Regierung hält an einem starren Bildungssystem fest, das vor allem Auslese übt.

In diesem Bildungssystem aber scheitern auch Kinder, die von ihren Eltern mit aller Macht aufs Gymnasium gedrängt werden, selbst wenn sie an den dortigen Leistungsansprüchen nur verzweifeln und nicht aufgeben. Ein anderes, wesentlich vielfältigeres Bildungssystem mit längerem gemeinsamen Lernen der Kinder aber scheut gerade die sächsische CDU wie der Teufel das Weihwasser. Deswegen stecken die Gespräche über das neue Schulgesetz mit dem Koalitionspartner SPD derzeit in der Sackgasse fest. Darunter leiden alle – die Kinder, die in einem starren und heruntergesparten System überleben müssen, die Lehrer, die unter der Überlast leiden, aber auch die Eltern, denen nicht viele Möglichkeiten bleiben, ihrem Kind wirklich optimale Lernbedingungen zu verschaffen, wenn die Wahl eigentlich nur zwischen Unterforderung und Überforderung besteht.

Aber dahin kommt man, wenn lernunwillige Politiker in Sachsen Schule machen.

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