Am Donnerstag erst, 29. September, protestierten 25.000 sächsische Schüler gegen die Bildungspolitik der CDU. Selbst die SPD schaut mit zunehmender Frustration auf die seltsamen Spiele von Kultus- und Finanzministerium. Am Freitag, 30. September, brachte es die sächsische Staatsregierung fertig, die Gespräche zur Deckung des Lehrerbedarfs mit den Lehrervertretungen krachend scheitern zu lassen.

„Die Gespräche des Finanz- und des Kultusministeriums mit den Vertretern der GEW Sachsen und des dbb beamtenbund und tarifunion über die Möglichkeiten zur Sicherung des Lehrerbedarfs wurden heute in Dresden ergebnislos beendet“, teilten Kultus- und Finanzministerium gemeinsam mit. Beide Ministerien CDU-geführt, beiderseits über sechs Jahren in einem ausweglosen Clinch verfangen. „Die beiden Ministerien hatten bereits am 14. September zahlreiche Vorschläge zur Steigerung der Attraktivität des Lehreberufs in Sachsen und zur Sicherung der zukünftigen Lehrerversorgung an den Schulen in die Verhandlungen eingebracht. Diesem Maßnahmepaket wollten die Gewerkschaften nach zahlreichen Verhandlungsrunden nicht zustimmen.“

Die beiden Ministerien wollen nun kurzfristig ein entsprechendes Maßnahmepaket dem Kabinett vorschlagen, das anschließend in die Haushaltsberatungen des Landtages einfließen soll.

„Es ist bedauerlich, dass die Verhandlungen gescheitert sind“, erklärte Sabine Friedel, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, zum Scheitern der Gespräche. „Wir brauchen dringend Lösungen für den Lehrermangel. Jetzt ist die Staatsregierung gefordert.“

Aber damit appelliert sie an eine Regierung, die einfach so weitermachen will, wie sie es seit sieben Jahren tut.

Noch größere Klassen in Sachsen?

Was die beiden Regierungsvertreter als Lösung vorgeschlagen hatten, schildert die Bildungsgewerkschaft GEW so: „Wer die Zahl der vorzeitigen Renteneintritte von Lehrkräften, die Altersstruktur und die Belastungssituation in den Schulen kennt und den Lehrerbedarf jetzt und zukünftig decken will, kann nicht allen Ernstes vorschlagen, den Belastungsdruck in den Schulen weiter zu erhöhen, die Motivation der Kollegen noch mehr zu senken und durch nur partielle Einkommensverbesserungen die Lehrerschaft weiter zu spalten. Genau das wären aber die Folgen des Maßnahmenpaketes, das Finanz- und Kultusministerium gemeinsam vorgeschlagen haben. Darin enthalten waren z.B. Vorschläge, die Klassen zu vergrößern, das Arbeitsvermögen der Lehrer stärker auszuschöpfen, bisherige Ermäßigungen zu streichen oder zu reduzieren und Teilzeit einzuschränken. Entlastungsvorschläge und Anreize, die den Lehrerberuf in Sachsen attraktiver machen würden, fehlten dagegen völlig.“

Und dabei ist das Problem ja, wie Kultusministerin Brunhild Kurth zu Beginn des Schuljahres zugeben musste, dass der Lehrerberuf in Sachsen mittlerweile so unattraktiv ist, dass sich kaum noch junge Lehrer für die angebotenen Stellen bewerben. Die Vergütung ist mittlerweile im Bundesvergleich die unattraktivste.

Selbst in der CDU-Fraktion wird man langsam hochgradig nervös.

Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages, Lothar Bienst, erklärte am Freitag: „Es ist ein fatales Zeichen, dass nicht alle Akteure an einem Strang ziehen, wenn es um bessere Rahmenbedingungen für unsere Kinder geht. Die Aufgabe, genügend Lehrkräfte für unsere Schulen zu finden, muss dringend gelöst werden. Das Thema wird im Rahmen der Haushaltsverhandlungen für die CDU jetzt eine zentrale Rolle spielen!“

Flickwerkpolitik statt ausreichende Finanzierung

Natürlich geht es um Geld. Darum ging es auch 2009, als CDU und FDP ein rabiates Kürzungsprogramm beim Personal beschlossen, das zu besonders heftigen Personalverlusten bei Lehrern und Polizisten führte. Solange sich die rigide Position im Finanzministerium nicht ändert, passiert Brunhild Kurth genau das immer wieder, was sie seit Amtsübernahme 2012 erlebt: Sie geht mit berechtigten Forderungen zum Bittgang ins Finanzministerium – und wird mit einer viel zu kleinen Zusage vertröstet. Bienst hat Recht: Das Thema gehört in die Haushaltsverhandlungen. Der Landtag muss den Etat deutlich aufstocken.

Aber die Verhandlungen dazu sind erst angelaufen. Zeitnah wird es da keinen Durchbruch geben.

Cornelia Falken, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, glaubt deshalb nicht, dass Brunhild Kurth zeitnah eine Lösung vorlegen kann.

„Kultusministerin Kurth hat eben erst verkündet, sie sehe mit Blick auf die Gespräche ‚das Ende in naher Zukunft‘. Diese Äußerung erscheint nach dem heutigen Verhandlungsabbruch in neuem Licht. Die Staatsregierung hat die Chance verstreichen lassen, gemeinsam mit GEW und dbb den Lehrerberuf in Sachsen attraktiver zu machen. Sie hat das Scheitern der Verhandlungen durch offensichtlich von vornherein nicht hinreichende Angebote offenbar in Kauf genommen. Diese wären oft nur bestimmten Gruppen von Beschäftigten zugute gekommen, hätten folglich für Zwietracht gesorgt und die Front auf der Arbeitnehmerseite aufgespalten. Es überrascht mich nicht, dass die Gewerkschaften sich diesem Weg verweigert haben“, stellt die Landtagsabgeordnete fest.

Ein paar Bonbons für die Lehrer

So hatte die Staatsregierung unter anderem beabsichtigt, nur etwa 1.000 von etwa 6.000 Grundschullehrerinnen von der Entgeltgruppe 11 in die 12 höherzugruppieren. Das hätte nicht ausgereicht und zudem eine erneute Beurteilung der Beschäftigten, auch jener höheren Alters, erforderlich gemacht.

„Die Regierung hat sich auch nicht bemüht, ältere Beschäftigte noch etwas länger im Dienst zu halten. So wurde Lehrkräften des Jahrgangs 1953, die in diesem Jahr das 63. Lebensjahr erreichen, eine einzige Anrechnungsstunde geboten. Kein Wunder also, dass sich nun 91 % dieses Jahrgangs in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden“, sagt Falken. „Die Staatsregierung ist jetzt umso mehr gefordert, unabhängig von einer Vereinbarung mit den Gewerkschaften auf gesetzlicher Ebene und im kommenden Doppelhaushalt dafür zu sorgen, dass der Freistaat Lehrkräfte halten und gewinnen kann. Das kann nur gelingen, wenn alle Beschäftigten gerecht behandelt werden. Dazu gehört zwingend die gerechte Entlohnung gleichwertiger pädagogischer Tätigkeit mit Entgeltgruppe 13. Angebote an mögliche Bewerber müssen durch bessere Arbeitsbedingungen für die bisherigen Beschäftigten flankiert werden. Der Finanzminister muss seine Blockadehaltung aufgeben, und der Ministerpräsident muss die Bekämpfung des Lehrermangels endlich zur Chefsache machen!“

Einige wenige Konsenspunkte gab es, stellt die GEW fest: Die Eingruppierungen der Lehrerinnen und Lehrer an der Oberschule sollte endlich verbessert werden.

Aber die Gewerkschaft mahnte auch an, dass das schon für 2015 versprochene Lehrerpersonalkonzept bis heute fehlt. Eine Bildungsministerin, die kein belastbares Personalkonzept hat, hat natürlich auch wenig Argumente, den Finanzminister zu einer besseren Finanzausstattung zu überreden. Und da ist man wieder bei den Haushaltsverhandlungen für den Doppelhaushalt 2017/2018, bei denen auch der Bildungsetat festgezurrt wird. Aber worüber sollen die Abgeordneten beraten, wenn die Kultusministerin kein Personalkonzept vorlegen kann?

Und auch noch die Stellungnahme der Grünen-Fraktion:

Berechtigten Vorschlägen der Gewerkschaften wurde mit unglaublicher Ignoranz begegnet

Zum Scheitern der Verhandlungen zwischen sächsischer Staatsregierung und Gewerkschaften zur Sicherung des Lehrerbedarfs an Sachsens Schulen erklärt Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen  im Sächsischen Landtag: “Unglaublich, mit welcher Ignoranz den mehr als berechtigten Vorschlägen der Gewerkschaften begegnet wurde. Keine Bewegung nach elf Verhandlungstagen lässt vermuten, dass ein Scheitern bewusst in Kauf genommen wurde. Wir GRÜNE appellieren an die Staatsregierung, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und gemeinsam mit den Gewerkschaften eine tragfähige Lösung zu präsentieren.”

Das von der Staatsregierung angekündigte Maßnahmenpaket könne nur eine Mogelpackung werden, so die Grünen weiter, “wenn hier an den Gewerkschaften vorbei Lehrerinnen und Lehrer auf Teufel komm raus im bröckelnden System gehalten oder dafür gewonnen werden sollen. – Jetzt den Gewerkschaften der Lehrerinnen und Lehrer den schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben und den wachsenden Verdruss der Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler bei möglichen Streiks bewusst zu provozieren, ist verantwortungslos. Leider ist das die Fortsetzung einer Politik der mangelnden Wertschätzung gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern – seit Jahren das unrühmliche Aushängeschild sächsischer CDU-Bildungspolitik.”

 

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