Eigentlich müsste die wichtigste Frage im Dresdner Kultusministerium jetzt lauten: „Wo kriegen wir jetzt Lehrer her?“ Denn eines hat der mittlerweile katastrophale Start ins Schuljahr 2016/2017 ja gezeigt: Sachsen ist nicht mehr in der Lage, seinen Lehrerbedarf zu decken. Aus vielerlei Gründen. Einer ist: Die Kultusministerin will es gar nicht.

Es gibt nicht wirklich einen Lehrermangel in der Bundesrepublik. Auch nicht wirklich in Sachsen. Aber mittlerweile sind die Anstellungsbedingungen im Freistaat im Vergleich so miserabel, dass die Bewerbungen um eine Lehrertätigkeit in Sachsen deutlich zurückgegangen sind. Qualifizierte Lehrer in stark nachgefragten Fächern können bundesweit wählen zwischen Angeboten, die praktisch allesamt besser bezahlt sind, oft genug auch mit einem Beamtenverhältnis unterfüttert.

Sachsen hat den Zeitpunkt, um den eigenen Lehrernachwuchs wirklich zu werben, gründlich verpasst.

Und das Schlimme ist: Die zuständige Ministerin kommt aus ihrer Flicken-Strategie, mit der sie 2012 ihren Vorgänger im Amt ablöste, nicht heraus. Das aber, so kritisiert die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Petra Zais, führt auch für die nächsten Jahre nur noch tiefer ins Chaos. Denn mit Blick auf den Entwurf für den Doppelhaushalt 2017/18 reichen die Maßnahmen für das Problem des Lehrermangels nicht aus.

„Die im Entwurf abgebildeten Maßnahmen werden allein kaum helfen, dem akuten Bedarf gerecht zu werden. Da muss deutlich mehr passieren“, resümiert sie. „Aus meiner Sicht geht es aktuell nicht vordergründig um ein deutliches ‚Mehr‘ an Stellen, solange diese im Vergleich zu anderen Bundesländern wenig attraktiv sind. Geld ist ausreichend vorhanden und muss endlich für die längst überfällige grundsätzliche Aufwertung des Lehrerberufs in Sachsen ausgegeben werden. Dafür müssen zunächst die bestehenden Ungerechtigkeiten in der Bezahlung abgebaut werden.“

Denn nicht nur Schüler erleben im sächsischen Bildungssystem früh, was eine Zwei-Klassen-Gesellschaft ist. Lehrerinnen und Lehrer werden mit dieser arroganten Macht-Politik ebenfalls konfrontiert.

„Nach wie vor werden HochschulabsolventInnen an Mittel- bzw. Oberschulen zunächst in der Entgeltgruppe E11 eingruppiert und müssen sich im Schuldienst ‚bewähren‘. Die anderen Lehrkräfte an weiterführenden Schulen erhalten hingegen sofort die E13“, benennt Zais diesen Unterschied, der sich durch das ganze Bildungssystem zieht. Als wäre die Ausbildung der einen Schüler weniger wert als die der anderen. „Wir Grüne setzen uns seit Jahren für eine faire und gleiche Bezahlung aller Lehrkräfte ein. Für eine künstliche Hierarchie der Lehrämter, die sich auch in der Bezahlung ausdrückt, gibt es keinen sachlichen Grund. Eine entsprechende Änderung des sogenannten Eingangsamtes im Besoldungsgesetz ist überfällig. Hierzu werden wir erneut einen Änderungsantrag einbringen.“

Und gerade bei Oberschulen hat das sächsische Kultusministerium riesige Probleme, überhaupt noch qualifizierte Bewerber zu bekommen. Wobei immer auch zu bedenken ist, dass die schlechtere Bezahlung auch mit deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen einhergeht: Denn gerade hier haben die Pädagogen mit jungen Menschen zu tun, die schon frühzeitig den Frust eines aussortierenden Schulsystems erlebt haben und entsprechend reagieren – oder sogar frühzeitig resignieren. Hier werden eigentlich die besten Pädagogen gebraucht.

Aber genau die verschreckt Brunhild Kurth.

„Warum sich die Ministerin hier nicht bewegt und den zu Recht bestehenden jahrelangen Forderungen der Gewerkschaften nachkommt, ist mir angesichts der prekären Situation unverständlich. Ein Blick nach Berlin zeigt, dass auch die sofortige Höherbewertung der Eingruppierung ein guter Weg in Sachsen sein kann, gute Lehrerinnen und Lehrer zu halten. Grundsätzlich muss sich die Wertschätzung für den LehrerInnenberuf in allen Schularten gleichermaßen ausdrücken“, meint Zais. Und geht auf das nächste Thema ein, wo Sachsen so tut, als wäre mehr Verantwortung keinen Pfifferling wert: „Weiter muss die Übernahme von Verantwortung honoriert werden. Lehrerinnen und Lehrer, die an ihren Schulen zusätzliche Aufgaben übernehmen, sollen dafür auch entsprechende Anerkennung erfahren. Neben Abminderungsstunden wäre aus unserer Sicht die Aufstockung der Funktionsstellen ein wesentlicher Schritt. SchulleiterInnen sollen dieses Geldvolumen zur freien Verfügung bekommen. Angesichts des Umstandes, dass auch SchulleiterInnen zunehmend knapper werden, muss die höhere Verantwortung entsprechend honoriert werden. Auch dazu werden wir einen Haushaltsantrag einbringen.“

Stattdessen taucht immer wieder die wilde Idee auf, die Knauserei beim Gehalt durch eine Verbeamtung ausgleichen zu wollen.

Närrisch findet das die Grünen-Abgeordnete, es sei denn, man will wirklich einmal echte Angebote für Rückkehrer machen, die in anderen Bundesländern schon verbeamtet wurden.

„Mit Blick auf die Diskussion um die Verbeamtung halten wir an unserer grundsätzlichen Haltung fest, dass Neuverbeamtungen kein Weg aus der Krise sind. Allerdings gilt es auch bei diesem Thema, neue Wege nicht von vornherein abzulehnen. Was ist zum Beispiel mit denen, die Sachsen einst zum Studium oder für den Berufseinstieg in der Schule in Richtung eines anderen Bundeslandes verlassen haben?“, fragt Petra Zais. „Wer verbeamtet wurde, hat bis heute de facto keine angemessene Rückkehrmöglichkeit in den sächsischen Schuldienst, auch wenn er in die alte Heimat zurück wollte. Wir wollen das ändern und diesen jungen Lehrerinnen und Lehrern eine Perspektive in Sachsen geben, zu der auch die Beibehaltung des Beamtenstatus gehört. Im Rahmen eines zeitlich und zahlenmäßig begrenzten Rückkehrprogramms könnte so zumindest die Lage in den ländlichen Räumen entspannt werden.“

Für den begrenzten Zeitraum von zwei Jahren wäre eine Zahl von 200 BeamtInnen für die Grünen vorstellbar. Mit einer Alters- und Stichtagsregelung könnten negative Effekte ausgeschlossen werden. Für ein solches Projekt müssten freilich das Sächsische Beamtengesetz angepasst und die entsprechenden Mittel für die anteilige Übernahme der Versorgungskosten sowie Zuführungen aus dem Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag in den Haushalt eingestellt werden.

„Auch hier sind wir dabei, die Rahmenbedingungen und finanziellen Auswirkungen zu prüfen und gegebenenfalls einen Haushaltsantrag einzubringen“, sagt Zais. Aber es klingt schon ein gut Teil Resignation mit. Denn wenn nicht mal die Kultusministerin für mehr Bewerbungen um das Lehreramt in Sachsen kämpft, wie soll dann der Finanzminister überzeugt werden, dass er mehr Geld für Lehrer bereitstellt?

„Wichtig für uns ist, dass alle Maßnahmen gemeinsam mit den Gewerkschaften und Personalvertretungen diskutiert werden“, appelliert Zais. „Allerdings brauchen wir angesichts der schwierigen Situationen an den Schulen schnell tragfähige Lösungen. Bewegen Sie sich, Frau Ministerin!“

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