Der Glaube daran, dass technische Geräte und clevere Software in der Schule beim Lernen helfen könnten, ist unerschütterlich. Natürlich ist es eine Art Fortschrittsglaube, der da nachfragt und moderne Technik in den Schulen fordert. Diesmal war es die Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, die nach „Open Educational Ressources“ und deren Einsatz in sächsischen Schulen gefragt hat.
Das kann man so übersetzen, wie es da steht: Offene Bildungssoftware. Universitäten setzen sie schon ein, Weiterbildungsinstitute. Erwachsene frischen ihr Wissen damit auf, lernen Sprachen oder neue Sachverhalte. Und auch Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag, ist felsenfest davon überzeugt: „Diese bieten nicht nur die Möglichkeiten für informelles Lernen, sondern können auch im schulischen Bereich Anwendung finden. Hier hat Sachsen noch viel Luft nach oben. Offenbar sind Lehr- und Lernmittel nach Lesart des Kultusministeriums noch immer gleichbedeutend mit Schulbüchern.“
Der Landesschülerrat hat im Juni in das gleiche Horn getutet und eine „Digitale Revolution“ gefordert.
Friedrich Roderfeld, Vorsitzender des Landesschülerrates, meinte dazu: „Die digitale Revolution darf nicht vor den Toren der Schulen haltmachen. Es entspricht nicht der Lebenswirklichkeit vieler Schülerinnen und Schüler, ihre Handys und Laptops für einen Großteil der Arbeit in der Schule nicht benutzen zu können. Internationale Vergleichsstudien zeigen zudem, dass Sachsen und Deutschland in der Vermittlung digitaler Kompetenzen weit hinten sind, denn der Umgang mit moderneren Medien erfordert mehr als nur die Kompetenz diese zu bedienen. Die Schule hat die Aufgabe, uns als Schülerinnen und Schüler auf das spätere Leben vorzubereiten, doch gerade im digitalen Bereich wird sie diesem Auftrag nur wenig gerecht.“
Am Ende stand dann eine ganze Wunschliste an technischer Aufrüstung. Bis hin zu der Forderung: „Andere Staaten als Vorbild nehmend, fordert der LandesSchülerRat Sachsen, dass die wichtigsten Programmiersprachen zentral als Lehrplaninhalt verankert werden. Digitale Bildung muss zudem künftig weit über den Informatikunterricht hinausgehen, digitale Systeme müssen in allen Fächern verwendet werden. Nicht zuletzt müssen dafür alle Lehrer intensiv geschult werden, um gegenüber Digitalem Ängste abzubauen und die fachliche Kompetenz zu fördern. Die Fortbildungen sollen sowohl Schulungen zur Ausstattung als auch die Weiterbildung zur Stärkung der Medienkompetenz beinhalten.“
Doch irgendwie wird da mittlerweile die Kompetenzvermittlung für moderne Technik mit dem verwechselt, was Schule eigentlich leisten sollte. Und wo es hängt und klappert. Es geht um die grundsätzliche Lese-Kompetenz, die Fähigkeit, sich komplexe Zusammenhänge selbst zu erschließen, sie zu verstehen und eigenständig Lösungen dafür zu entwickeln. Das ist die Aufgabe von Lehrern, die aber nicht nur in sächsischen Schulen immer mehr zu technischen Dienstleistern herabgewürdigt werden. Auch durch solche Vorschläge aus dem Landesschülerrat. Da mögen kluge junge Leute drin sitzen, denen Lernen leicht fällt und die sich für Technik begeistern. Aber ihre Wunschliste geht an den Notwendigkeiten von Pädagogik in den Schulen völlig vorbei. Und die wenigsten jungen Leute werden später eine Programmiersprache beherrschen müssen. Die meisten aber brauchen ein belastbares Rüstzeug an sozialer und naturwissenschaftlicher Lösungskompetenz.
Dass die immer rarer wird, sieht man doch am aktuellen politischen Personal. Und das lässt sich nicht mit Software vermitteln. Die ist dann nur noch ein Hilfsmittel obendrauf, wenn es den Pädagogen in den Schulen gelungen ist, die grundsätzlichen Fähigkeiten zur Lösungskompetenz zu schulen. Dann kann man auch seinen Laptop aufklappen und OER reinziehen zu jedem Thema das beliebt.
„Die Schulen sollten für den Einsatz dieser sogenannten Open Educational Ressources (OER) geöffnet werden“, findet Petra Zais. „Es braucht etwa für Lehrerinnen und Lehrer eine kompetente Anlaufstelle im Kultusministerium, um offene Fragen, zum Beispiel zum Lizenzrecht, zu klären und die Qualität der Materialien zu sichern. Ein Blick in andere Bundesländer kann dabei sehr hilfreich sein. Mecklenburg-Vorpommern etwa hat für die Schulen im Land die Lizenz für die Software ‚My Book Machine‘ erworben. Lehrerinnen und Lehrer erstellen und teilen damit Unterrichtsmaterialien. Ähnliche Ideen und Initiativen gibt es auch in Sachsen. Sie verdienen deutlich mehr Interesse und Unterstützung seitens des Kultusministeriums als ihnen bisher zuteil wurde.“
Aber selbst Brunhild Kurth, die Kultusministerin, ist skeptisch, ob das nicht einfach wieder nur rausgeschmissenes Geld ist. In der Kultusministerkonferenz ist man sich noch nicht so richtig klar, wie man mit OER umgeht. Aber OER allein funktioniert nicht, da sind sich selbst die Kultusminister einig.
Brunhild Kurth: „Einigkeit besteht in der Auffassung, dass OER vielfältige Chancen für informelles Lernen in individualisierten lebenslangen Lernprozessen bieten. OER erfordern eine medienorientierte Werteerziehung zum kritischen Umgang mit Informationen und zur verantwortungsbewussten Erstellung und Verbreitung eigener Werke.“
Kurth scheint es hier zwar einzig und allein auf die Nutzungsrechte zu reduzieren. Aber „medienorientierte Werteerziehung zum kritischen Umgang mit Informationen“, das zielt schon auf die geschulte Fähigkeit, mit gelesenen Inhalten kritisch umgehen zu können.
Was in der Schule gelehrt und trainiert werden muss.
Sonst produziert man nämlich nur Menschen, die auf jede Ente, jede Lüge und jeden faulen Zauber hereinfallen.
Die Antwort von Brunhild Kurth auf die Anfrage von Petra Zais. Drs. 3871
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