Einen kleinen Einblick, wie schwer es dem kleinen Koalitionspartner SPD fällt, den schweren Koloss CDU zur Änderung einer seit Jahren praktizierten verhängnisvollen Politik zu bewegen, gab am Dienstag, 21. Juni, die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Friedel. Kurz zuvor hatte Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) zugeben müssen, dass sie über 200 Lehrerstellen zum Schuljahresbeginn nicht besetzen kann.
Das erinnert an eine Mahnung der bildungspolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Falken, aus dem April. Sie hatte daran erinnert, dass CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag 2014 die Entwicklung eines echten Lehrerpersonalentwicklungskonzepts 2020 vereinbart hatten.
Dieses Versprechen ist nicht eingelöst, konnte sie im April konstatieren. Und im Juni hat sich daran immer noch nichts geändert.
Die CDU spielt auf Zeit, wie sie es seit über vier Jahren schon getan hat. Doch mittlerweile muss auch Kurth zugeben, dass sie nicht mehr in der Lage ist, die immer weiter aufreißenden Löcher bei der Personalbesetzung zu stopfen.
„Kultusministerin Brunhild Kurth war 2012 ins Amt berufen worden, um die Personalpolitik ihres Vorgängers Roland Wöller zu beenden und den Lehrermangel zu beseitigen. Ihr eilte der Ruf einer Fachfrau voraus. Dementsprechend groß waren die Erwartungen“, stellte Falken fest. „Nach einer vierjährigen Amtsperiode zeigt sich: Die Kultusministerin bekommt den Lehrermangel nicht in den Griff. Eine Antwort auf die personalpolitischen Probleme ist sie bis heute schuldig geblieben. Nach einem langfristigen Planungsansatz sucht man vergebens. Ihre Personalpolitik beschränkt sich darauf, die sich immer wieder auftuenden Löcher zu stopfen.“
Und die Lage wird sich in den nächsten Jahren dramatisch verschärfen. Denn laut Rechnungshof „scheiden im Zeitraum vom Schuljahr 2014/2015 bis 2029/2030 rd. 23.700 Lehrer aus dem Schuldienst aus. Dies entspricht rund 79 % des Personalbestandes an Lehrkräften des Schuljahres 2012/2013“ (SRH, S. 113).
„Ohne ein solides Konzept gelingt weder der Generationswechsel in den Lehrerzimmern, noch lässt sich die Unterrichtsversorgung garantieren. Schließlich sollte auch den Zielvereinbarungen mit den Hochschulen im Lehramtsbereich ein Konzept zugrunde liegen“, so Falken im April.
Aber mittlerweile verzweifelt auch die SPD an einem Koalitionspartner, der einfach nicht bereit ist, die eingeübte Flickschusterei zu beenden. Flickschusterei, die in der Regel eine Art Kuhhandel ist, so wie am Dienstagnachmittag, 21. Juni, als die Bildungsgewerkschaften mit Kultusministerin Kurth und Finanzminister Unland trafen. Denn am Ende liegt es am Finanzminister, ob Geld für Lehrer bereitgestellt wird oder nicht.
„Wir erwarten Gesprächs- und Lösungsbereitschaft von beiden Seiten. Seit Jahren hat die SPD vor dem Lehrermangel gewarnt, immer wieder haben wir Vorschläge unterbreitet, zuletzt vor vier Wochen mit unserem Papier ‚Schulen in Not‘. Es ist dringend an der Zeit, dass die Staatsregierung zu einer langfristigen und fairen Vereinbarung mit den Lehrerverbänden kommt. Nur so kann unser Schulsystem gesichert werden“, erklärte Sabine Friedel im Vorfeld dieses Gesprächs. „Dabei ist es wichtig, realistische und wirksame Maßnahmen zu besprechen und sich nicht auf Scheinlösungen wie einer generellen Verbeamtung auszuruhen. Die Arbeitsbedingungen für die älteren Lehrkräfte müssen verbessert werden, damit sie so lange wie möglich unterrichten. Das ist möglich, indem man Teilzeitregelungen zulässt, eine zusätzliche Altersanrechnung erwägt oder Ein-Fach-Einsätze und Abordnungen ermöglicht. Um junge Lehrkräfte zu gewinnen, braucht es eine klare und verbindliche Perspektive zur gleichen Bezahlung in allen Schularten. Und wir brauchen ein Instrument, um Lehrkräfte aus Sachsen, die in andere Bundesländer gegangen sind, zurückzuholen und ihnen hier eine attraktive Alternative zu ihrem Beamtenstatus zu bieten.“
Dabei weiß die Kultusministerin eigentlich, wie viele Lehrkräfte sie benötigt – nur wird kein ernsthaftes Bemühen darum spürbar, stellte Friedel nun fest: „Schließlich erscheinen uns auch die Einstellungsverfahren noch immer nicht dafür geeignet, sich in einem hart umkämpften Markt als attraktiver Arbeitgeber darzustellen. Kämpfen die Bildungsagenturen wirklich schon um jede Bewerberin und jeden Bewerber? Werden alle Register gezogen, um junge Menschen zu gewinnen? Am Ende reichen finanzielle Anreize allein nicht. Junge Menschen müssen auch sehen, dass sie in Sachsens Schulen eigene Ideen umsetzen und ihre Bildungsvorstellungen verwirklichen können. Dafür brauchen sächsische Schulen Freiheit und Eigenverantwortung. Und eine Kultur, in der Innovation, Engagement und Kreativität wertgeschätzt und gefördert werden – von der Ministerin, von den SBAs und von jedem einzelnen Mitarbeiter der Schulaufsicht.“
Zumindest kann sie darauf verweisen, dass die SPD mit ihrem Papier „Schulen in Not“ eine ganze Menge Vorschläge gemacht hat, wie man junge Pädagogen für den Schuldienst in Sachsen gewinnen könnte. Man kann nun einmal nicht beides haben: Einen gewaltigen Spareffekt beim Personal und gleichzeitig ein riesiges Bewerberfeld mit Leuten, die alle die richtige Qualifikation für das richtige Fach in der richtigen Schule mitbringen und dann auch gleich noch die Bereitschaft, irgendwo in der Pampa zu arbeiten für weniger Geld als im Nachbarland. So ein Denken ist weltfremd.
Positionspapier der SPD-Fraktion „Schulen in Not“ (25. Mai 2016).
Linke-Antrag zum Lehrerpersonalentwicklungsplan. (Drucksache 6/3538).
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