Kann man eigentlich steuern, was junge Leute studieren, wenn sie nach Sachsen kommen? Ob sie sogar das „Richtige“ studieren und das auch noch mit Erfolg? Das war eigentlich das mitschwingende Thema am Montag, 9. Mai, im Wissenschaftsausschuss des Sächsischen Landtags, wo die öffentliche Anhörung zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Umfassendes Fächermonitoring als Grundlage für Hochschulentwicklungsplanung einführen“ stattfand.
So ein bisschen durften sie vorher schon das Gefühl haben, dass sie mit dem Antrag voll daneben lagen. Die Zahlen, die sie erfasst haben wollten, gebe es doch alle, bescheinigte ihnen Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD). „Von der im Antrag vorgesehenen Datenerhebung und Auswertung sowie den davon abgeleiteten Empfehlungen des ‚Beirates für Hochschulentwicklung‘ wird kein wesentlicher Beitrag für die staatliche Hochschulentwicklungsplanung und für die Umsetzung in den Hochschulen erwartet. Entsprechend erscheint auch eine Evaluation nicht zielführend“, kommentierte sie beispielsweise den Antrag der Grünen.
Doch irgendwie sehen es nicht nur die Grünen so. Denn was nützt es, wenn die Staatsregierung alle nötigen Statistiken und Erhebungen hat, darüber aber mit niemandem redet und die Hochschulen nicht einbezieht, wenn es um die Steuerung geht oder um die Schaffung von Angeboten, die den Studienerfolg in wichtigen Fächern sichern?
Am Montag muss das auch in der Anhörung so spürbar geworden sein: Die Hochschulen wollen (wieder) mehr Freiräume haben, über die Wege zu einem besseren Studienerfolg in Sachsen mitreden zu können.
„Ich freue mich sehr, dass es mit unserem Antrag gelungen ist, so fundiert über die Grundlagen einer funktionierenden Hochschulentwicklungsplanung diskutieren zu können“, schätzt Dr. Claudia Maicher, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, die Anhörung ein. „Alle Sachverständigen haben bestätigt, dass Hochschulentwicklungsplanung in der Hand der politisch Verantwortlichen liegen muss, aber nicht einfach in der Amtsstube gemacht werden kann. Die Hochschulen und ihre sämtlichen Mitgliedergruppen müssen beteiligt werden. Nur wenn das Verfahren transparent ist und die Betroffenen einbezogen werden, werden Entscheidungen auch akzeptiert, wie zum Beispiel Ulf Banscherus von der Humboldt-Universität Berlin ausgeführt hat. Unser Vorschlag für einen ‚Beirat für Hochschulentwicklung‘, der breit besetzt ist und Empfehlungen erarbeitet, verfolgt genau dieses Ziel.“
Eva-Maria Stange aber hatte diesen Vorschlag gar nicht zielführend gefunden: „Aufgrund der bereits existierenden Mechanismen ist eine Umwandlung des Campusbeirates in einen ‚Beirat für Hochschulentwicklung‘ aus Sicht der Staatsregierung nicht angezeigt.“
Begründet hatte sie das zum Beispiel so: „Die Hochschulen sind durch die Einheit von Lehre und Forschung geprägt. Festlegungen zu einem landesweit abgestimmten Fächerangebot betreffen nicht nur Lehre und Studium, sondern alle Leistungsdimensionen der Hochschulen. Die Hochschulentwicklungsplanung muss daher unter Beachtung der Hochschulautonomie sowie der Freiheit von Forschung und Lehre staatliche Ziele für alle Leistungsdimensionen bestimmen.“
Da steckt noch das ganze von der Vorgängerregierung formulierte „Leistungsdenken“ drin, das die Hochschulen vor allem als Leistungserbringer betrachtet, nicht aber als selbstständiger Akteur und Partner in einem gemeinsam gestalteten Prozess der ständigen Modernisierung. Da steckte seinerzeit jede Menge Obrigkeitsdenken drin, das dann mit dem Namen „Hochschulfreiheitsgesetz“ nur zugekleistert wurde.
„Die Anhörung hat mich in unserer Forderung bestätigt, am sogenannten Campusbeirat Sachsen in dieser Form nicht festzuhalten. Obwohl er seit Jahren existiert, konnte keiner der Sachverständigen über irgendeine positive Erfahrung mit dessen Arbeit berichten“, stellt denn auch Claudia Maicher fest. „Der Vertreter der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften Felix Ramberg beurteilte die Arbeit des Beirates als ‚lächerlich‘. Den von uns vorgeschlagenen Beirat für Hochschulentwicklung hielt er für zielführender.“
Das wird, wie man schon ahnen kann, eine harte Tour, bei der durchaus wieder die Frage steht: Verharrt die sächsische Regierung in ihrer Königsposition oder ist sie bereit, auch im Feld der Hochschulentwicklung transparenter zu agieren und vor allem die betroffenen Hochschulen an ihrem Herrschaftswissen teilhaben zu lassen?
Denn darum geht es ja, wenn die Grünen eine umfassende und einsehbare Datengrundlage verlangen. Bis jetzt liegen wesentliche Dinge völlig im Dunkeln: Warum gibt es in einigen Studienfächern exorbitant hohe Abbrecherzahlen? Warum schmeißen die jungen Leute hin? Fehlen wichtige Unterstützungsangebote? Ist das Fächersystem zu starr? Ist die Ausstattung der Hochschulen zu schlecht? Oder merken die Studierenden viel zu spät, dass sie im falschen Studium gelandet sind?
„Empfehlungen für die Hochschulentwicklungsplanung müssen auf einer klaren Datengrundlage zu einzelnen Studienangeboten fußen“, fordert denn auch Claudia Maicher. „Gesicherte Erkenntnisse über Abbrecherzahlen, Lehrauslastung und Personalausstattung sind von entscheidender Bedeutung. Besonders Dr. Beatrice Mensch vom Statistischen Landesamt hat gezeigt, dass viele der dazu notwendigen Daten bereits seit langem erhoben werden. Es muss also darum gehen, diese zentral zusammenzuführen, um ein vollständiges Bild zu erhalten. Nur so können Schlussfolgerungen für die hochschulübergreifende Abstimmung des Studienangebots gezogen werden.“
Und dann appelliert sie an die Wissenschaftsministerin selbst, von der sich auch die Grünen nach der recht desolaten Kür ihrer Vorgängerin im Amt einige wesentliche Korrekturen im Wissenschaftsressort erwartet hatten: „Ich hoffe, Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange (SPD) hat den Sachverständigen heute gut zugehört und beteiligt alle relevanten Hochschulgruppen an der weiteren Erarbeitung des neuen Hochschulentwicklungsplans stärker als bisher. Denn nur eine Hochschulentwicklung, die hochschulübergreifend und auf Augenhöhe abläuft, und die Gruppen der Hochschulen einbezieht, sorgt auf Dauer für eine tragfähige Hochschullandschaft.“
Stellungnahme der Staatsregierung zum Grünen-Antrag. Drs. 3648
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Liebe LIZ-Redaktion,
da der Bericht zur Anhörung nur auf der Pressemitteilung der B90/Die Grünen und einer schriftlichen Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag vor der Anhörung basiert, erlaube ich mir kurz eine zweite Sicht aus der Anhörung mitzuteilen.
Da der journalistische Grundsatz: „Man höre immer auch die andere Seite“ aber auch für die Passagen der Sachverständigenaussagen gilt, die Kollegin Dr. Claudia Maicher nicht zitiert hat, empfehle ich Interessenten dringend das stenografische Ausschussprotokoll, dass in den nächsten Tagen unter Drucksachennummer 3648 (http://edas.landtag.sachsen.de/) zu finden sein wird.
1. Die Mehrheit der Sachverständigen hat den Antrag der Fraktion B90/ Die Grünen verworfen und zwar sowohl aus systematischer, juristischer, als auch fiskaler (Ressourcenaufwand vs. Nutzen) Sicht. Selbst der im Artikel wie in der Anhörung auch mit positiven Wertungen verbundene Aspekt breiterer Partizipation fand zugleich Kritik und Widerspruch. Dies v.a. aufgrund der im Antrag v. B90/ Die Grünen vorgeschlagenen Einschränkungen der HS-Autonomie, deutlicher Verkomplizierung von Beratungsverfahren und unklaren Entscheidungs-Kompetenzen eines „Beirates für Hochschulentwicklung“ bei zudem verschwommener Zielformulierung.
Insgesamt ignoriert der Antrag der Grünen a. m. S. das Subsidiaritätsprinzip der neuen Hochschulsteuerung und verkehrt es ins Gegenteil, weil ein Gremium auf Landesebene (Herrschaft der Experten?) bis auf die Detailebene der Hochschulen controllen und steuern soll.
2. Die im Antrag und Artikel dargelegte Sicht- die Hochschulentwicklungsplanung würde herrschaftlich und ohne Beteiligung der Hochschulen erfolgen – ist schlicht falsch. In die Konzeption des 1. Entwurfes und die Erstellung wurden Hochschulleitungen, die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften, der Hauptpersonalrat, mehrere Ministerien, Fachverbände und Experten bereits seit über einem Jahr einbezogen.
Damit der 1. Entwurf eine breite – mindestens hochschulöffentliche – Diskussion erfährt, haben die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU im letzten Plenum eine Aktuelle Debatte dazu angesetzt und wurde der Entwurf allen Hochschulen zur Stellungnahme übersandt. Die Hochschulen können und sollen in den nächsten 8 Wochen ihre Hochschulgremien mit Vertreter_innen aller Gruppen beteiligen, bevor der Plan zum 2. Entwurf überarbeitet wird.
3. Zu den maßgeblich 2 Punkten des Antrages von B90/Die Grünen führten die Sachverständigen zu 1. Monitoring u.a. aus, dass der Ansatz „unterkomplex“ für die Hochschulentwicklung sei, weil er viele Aspekte – wie Forschung, gesellschaftliches Umfeld, Fachkräftebedarf etc. – gar nicht berücksichtige. Gleichzeitig würde er aber einen Wust von Daten verlangen, deren Erhebung, Aggregation und Auswertung extrem aufwendig sei, der Mehrwert davon aber unklar bliebe.
Zu 2. „Beirat für Hochschulentwicklung“: Dass es bereits zu viele Gremien gebe, die nur Konsultationscharakter hätten und deren Wert zweifelhaft wäre (Campusbeirat). Hier stimme auch ich mit der Position der KSS überein. Zum Grünen Vorschlag war das Meinungsbild aber v.a., dass die Schaffung eines weiteren Gremiums bzw. Aufblähung vorhandener die Sache nur Verschlimmbessern würde und angesichts ohnehin schon überschaubarer Entscheidungskompetenzen auf den unterschiedlichen Ebenen, wohl weniger zu mehr Legitimation, als vielmehr zu Selbstblockaden, mindestens aber Selbstbeschäftigung führen würde, die dem sich immer schneller wandelnden Hochschul- und Wissenschaftssystem nicht mehr angemessen sei.
Zudem wollten die Grünen auch diesem Rat Kompetenzen zu billigen die in die Hochschulautonomie und damit Selbstbestimmung der Hochschulen eingriffen, im Falle der Kleinen Fächer gar nicht auf Bundeslandsebene zu gewährleisten wären und zudem für echte Hochschulentwicklung zu kurze Berichtsintervalle bzw. Evaluationszeiträume setzten.
So hat der Vertreter der HTWK Leipzig u.a. klar gemacht, dass er allein für die Implementierung der von den Grünen geforderten Daten bis zu vier Jahre und 4 Mitarbeiter veranschlagen würde und auch die Vertreterin des Statistischen Landesamtes angeführt, dass man gerade erst dabei sei, die letzte Hochschulstatistikreform zur Bildung größerer Datengrundlagen umzusetzen und dieser Prozess sicherlich bis 2017-18 brauche.
Kurzum der Antrag kommt für die aktuelle Hochschulentwicklungsplanung nicht nur aus meiner Sicht mindestens 2 Jahre zu spät, widerspricht in weiten Teilen Hochschulrecht und Subsidiaritätsprinzip und bleibt auch in den Ansätzen zur Stärkung von Partizipation und Legitimation unausgegoren.
Mit diskursfreudigen Grüßen
Holger Mann (SPD), MdL