Eigentlich hätte man sich von Hochschulministerin Eva-Maria Stange etwas mehr erwartet als ein: "Na gut, dann eben alles noch einmal." Nachdem der StuRa der Uni Leipzig am Donnerstag, 7. Januar, mitgeteilt hatte, dass nun auch der zweite vom Hochschulrat nominierte Rektor-Kandidat abgesprungen ist, steht der Hochschulrat selbst eigentlich zur Disposition.

Aber soweit ist die sächsische Regierung noch nicht, die das unter Schwarz-Gelb beschlossene “Hochschulfreiheitsgesetz” derzeit als einzig gültige Währung betrachtet und die Hochschulen darauf festnagelt, dass sie allesamt die darauf basierenden Verträge unterschrieben haben. Dass das mit einer eklatanten finanziellen Erpressung einherging, wird einfach ausgeblendet.

Schon damals, im Jahr 2011, war klar, dass man so eigentlich keine Konsens-Politik machen kann. Das ist eine halbfeudale Gängelungspolitik, die sogar die eigentlichen Studierendenzahlen völlig ignoriert hat.

Dass sich jetzt auch noch die Konstruktion der Hochschulräte als nicht funktionierendes Restprodukt eines auf äußere Kontrolle getrimmten Systems erweist, die ihrerseits nicht ansatzweise transparent sind, hätte eigentlich spätestens den Gesetzgeber auf den Plan rufen müssen, um eindeutig nicht funktionierende Einrichtungen wie diese entweder zu reformieren oder abzuschaffen.

Den Rücktritt des aktuellen Hochschulrats der Uni Leipzig haben die Studierenden schon gefordert.

Hochschulministerin Eva-Maria Stange aber zögert und will dasselbe Gremium noch einmal arbeiten lassen. Denn die Truppe käme ja wieder zum Zug, wenn die alte Hochschulleitung einen Neustart anberaumt.

“Die Hochschulleitung muss jetzt prüfen, ob sie das Verfahren abbricht und neu startet”, sagte die Ministerin. “Ich plädiere für eine Neuausschreibung des Rektoramts. Wir werden also bei der Neubesetzung eine zeitliche Verzögerung haben. Das Hochschulgesetz schreibt für diesen Fall vor, dass die Mitglieder des Rektorats solange im Amt bleiben bis ein neuer Rektor bestellt wird. Es tritt also keine Lücke nach dem formalen Ende der Amtszeit der amtierenden Rektorin, Frau Prof. Schücking, ein. Ich erwarte, dass alle im Interesse der Universität Leipzig und der Lösung vieler anstehender Zukunftsaufgaben wie z.B. die Hochschulentwicklungsplanung sehr sachlich, rechtskonform und zielorientiert in die nächsten Monate hineingehen. Die Uni Leipzig ist eine leistungsstarke, für Wissenschaftler und Studierende attraktive Hochschule. Das gilt es in den kommenden Jahren mit einem starken Rektorat auszubauen. “

Einen Neustart fordert auch die Mittelbauinitiative Universität Leipzig (MULE). Aber nicht, bevor der Hochschulrat wieder fähig ist, sich mit dem Senat auf Augenhöhe zu verständigen. Die Kommunikation von außen und irgendwie von oben hat eindeutig nicht funktioniert. An Transparenz hat sie es ebenfalls fehlen lassen.

Jana Rüger, Sprecherin der Mittelbauinitiative Universität Leipzig (MULE) sowie Mitglied im Akademischen Senat, erklärt dazu: “Nach Lage der Dinge sollte das Verfahren jetzt eingestellt werden, um einen gemeinsamen Neustart anzugehen. Zuvor muss es jedoch gelingen, dass die Vertreter_innen der verschiedenen Gremien wieder an einen Tisch kommen, um zum Wohle der Universität Leipzig zu arbeiten. Es gilt jetzt weiteren Schaden von der Universität als Institution abzuwenden und an einem Strang zu ziehen.”

Das bisherige Verfahren habe gezeigt, welche Mängel am Hochschulfreiheitsgesetz bestehen. “Daher erneuern wir unsere Forderung, dass eine Novellierung so schnell wie möglich folgen muss”, sagt Rüger.

Ein Appell an die zuständige Ministerin, die augenscheinlich so weit noch nicht ist und glaubt, in der alten, dysfunktionalen Gussform eine rechtskonforme Lösung hinbekommen zu können. Aber so, wie die Hochschulräte im “Hochschulfreiheitsgesetz” gedacht sind, verstoßen sie gegen die grundlegenden Formalien der Selbstverwaltung in den Hochschulen. Kommunikationsfähige Vorsitzende solcher Gremien können das vielleicht austarieren. Aber in Leipzig ist das eindeutig schiefgegangen.

“Nur mit ausgewogener Kompetenzverteilung und einer Stärkung der gewählten inneruniversitären Organe wird eine Hochschule solche wichtigen Personalentscheidungen autonom treffen können”, sagt Jana Rüger. Und fordert damit etwas ein, was die CDU/FDP-Regierung den sächsischen Hochschulen eigentlich abgewöhnen wollte: Die Fähigkeit zu einer kompetenten Selbstverwaltung.

Damit bedienten die beiden bürgerlichen Parteien ein uraltes Konzept, nämlich das vom “vormundschaftlichen Staat”. Das Wörtchen “Freiheit” draufzukleben, ändert an der Denkweise nichts.

Umso erstaunlicher, dass auch die SPD-Ministerin an diesem Gesetz festhält.

Und das Ganze noch einmal von Dr. Ilse Lauter, Stadträtin der Linken im Leipziger Stadtrat und Sprecherin für Stadt und Wissenschaft, auf den Punkt gebracht: “Nun ist das passiert, was niemand gewollt haben kann: Nachdem Hochschulrat und Senat sich auf die übliche akademische Art und Weise über Kandidaturen, Verfahrensfragen und Befangenheiten zerstritten haben, zog auch der letzte verbliebene Kandidat seine Bewerbung zurück. Übrig bleibt ein Scherbenhaufen. Nun muss alles von vorn losgehen. – Wissenschaftsministerin Stange hofft dabei sehr optimistisch auf ein zügiges neues Verfahren. Fraglich ist nur, wie das gelingen soll. Der Ruf der Universität ist beschädigt. Der Hochschulrat – überflüssig wie ein Kropf – ist immer noch in Amt und Würden. Die Konflikte mit dem Erweiterten Senat sind nach wie vor nicht ausgeräumt. Juristische Konsequenzen sind absehbar, wenn die amtierende Rektorin wieder keine Chance zur Kandidatur erhält. Welche externen Kandidaten werden sich in einer solchen Situation bewerben? Bernburg statt Bremen, Merseburg statt Münster? – Das kann weder der Universität guttun noch der Stadt Leipzig. – Und nicht zu vergessen, die Situation ist Großteils der hiesigen Rechtslage geschuldet, die dem Hochschulrat Befugnisse wie einem Aufsichtsrat einräumt. Die Mehrheit seiner Mitglieder wird dabei vom Staatsministerium benannt. Autonomie der Wissenschaft? Selbstverwaltung der Universität? – Das Gesetz mit dem irreführenden Namen ‘Sächsisches Hochschulfreiheitsgesetz’ muss dringend geändert werden!”

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Keine Kommentare bisher

“Hochschulfreiheitsgesetz”? Und zack war es mit der Freiheit vorbei!
“Mietpreisbremse? Und zack stiegen die Mieten, schon wegen des Namens!
Wann immer etwas zur Chefsache erklärt wurde, trat das Gegenteil von dem ein, das es zu verhindert galt.

Diese dümmliche Masche erinnert mich an 1984, den dystopischen Roman von George Orwell.
Was wir erleben ist “Neusprech” vom Feinsten.

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